Page images
PDF
EPUB

reinen Güte motiviert werden, so wird dadurch das eigentliche Wesen und der eigentümliche Wert desselben verneint.

Ebensowenig wie in blofsen sympathetischen Gefühlen die reine Güte ihren wahren Ausdruck findet, so darf auch nicht der Begriff der Liebe mit dem des eigentlichen Wohlwollens verwechselt werden. Denken wir hier nur an die Liebe zu Personen, nicht zu irgend welchen Sachen, ja denken wir die möglichste Hingebung dabei, so verbindet sich doch immer bei dieser Hingebung das Verlangen einer Aneignung, und bei gegenseitiger Liebe findet weit mehr Verschmelzung der beiderseitigen Willen, als ein deutliches Verhältnis des Wohlwollens statt. Darum sagt man, die Liebe, wenn sie echt ist, geht später in Freundschaft über. Das Verhältnis soll dadurch nicht herabgesetzt, sondern erhöht werden, indem das reine Wohlwollen als der sittliche Gehalt desselben gedacht wird. Oder mufs wirklich erst eine gewisse Erkaltung der Gemüter gegeneinander stattfinden, um sich gegenseitig wahrhaft wohlzuwollen? Liebe ist zwar noch nicht immer Wohlwollen, aber sie schliefst es gern in sich ein und empfängt dadurch erst ihre tiefste sittliche Weihe. Wie oft aber bei verwandtschaftlichen oder sonst genossenschaftlichen Verhältnissen die persönliche Zuneigung eher einem Nepotismus und einem gewissen Parteiinteresse ähnlich sieht, als dem reinen Wohlwollen, ist hinlänglich bekannt.

Aber wird das Wohlwollen überall stattfinden können? Wird es nicht in vielen Fällen verboten sein, ihm Folge zu leisten? Darf man auch einem verwerflichen Willen wohlwollen? Einem bösen oder ethisch mifsfälligen Willen sich zu widmen, erlaubt allerdings die Idee der inneren Freiheit nicht. Nach ihr darf man sich nicht jeden Willen aneignen. Dabei wird aber derjenige, welcher die Verwerflichkeit des fremden Willens einsieht, sich noch nicht genötigt fühlen, seine wohlwollende Gesinnung überhaupt gegen den anderen aufzugeben, er wird es vielmehr nur bedauern, dem Willen des anderen in diesem besonderen Falle nicht willfahren zu dürfen. In welcher Ausdehnung übelwollend müfste dann der sein, vor dessen Heiligkeit die allermeisten Motive des menschlichen Wollens die Prüfung nicht bestehen können! Also etwa übelwollend sein zu müssen, gegen andere, die man in einem verwerflichen Wollen begriffen

findet, dazu ist niemals ein Grund vorhanden.

Mag es nun auch dem Wohlwollen des innerlich Freien sehr wünschenswert sein, dafs sich das Wollen des anderen, welchem er sich widmet, nicht als tadelnswert erweist, sondern dass es, wenn auch nicht gerade als sehr vortrefflich, dann doch wenigstens als harmlos oder unschuldig erscheint, so würde es doch immer wieder eine Verrenkung des betreffenden Verhältnisses sein, wenn man glaubte, dem Wohlwollen, um es nicht in Gefahr zu bringen, einem verwerflichen Wollen sich zu widmen, ein anderes Motiv als sein eigenes, nämlich die unmittelbare Widmung für den fremden Willen als solchen, unterschieben zu müssen. Widmet man sich aber dem fremden Willen lediglich deshalb, weil man sich hingezogen fühlt von seiner Vortrefflichkeit, sucht man überhaupt durch Förderung desselben gewisse gute Zwecke zu erfüllen, nicht aber eigentlich dem Wollen des anderen als solchem sich unmittelbar zu widmen, so mag man immerhin dem anderen wohlthun, wohlwollend im eigentlichen Sinne handelt man dabei nicht. Das eigentliche Wohlwollen bleibt dabei aufser acht, oder wird, wenn es sich rühren will, nur als Nebensache, als etwas nebenher Erlaubtes, nicht als solches, das seinen selbständigen Wert hat, angesehen. Nun fordert allerdings das sittliche Handeln im wirklichen Leben mancherlei Umsicht und Klugheitsrücksichten, um bei dem Thun des Einen nicht gegen Andere zu fehlen und um möglichst gleichmäfsig den von verschiedenen Seiten herankommenden sittlichen Anforderungen zu genügen. So werden bei dem bekannten Unterschiede von vollkommenen (d. h. erzwingbaren) und unvollkommenen (nicht erzwingbaren) Pflichten in die letzteren unter anderen gewisse Pflichten des Wohlwollens, gegenüber bestimmten Rechtspflichten, einbegriffen. Doch gesetzt, der Wohlwollende hätte alles das versäumt, hätte sich ohne weitere Rücksichten dem fremden Willen als solchem gewidmet, sollte er deshalb weniger wohlwollend erscheinen, darum, weil er weniger klug als gütig gehandelt hat? Das Wohlwollen klügelt nicht, argwöhnt nicht. Selbst ein unkluges Wohlwollen behält immer die dem reinen Wohlwollen zukommende Schönheit. Dafs dem so ist, weifs die darstellende Kunst sich wohl zu nutze zu machen, und ist dabei ihres Erfolges gewils. Soll nun eine klügelnde Wissenschaft sich erst von der Poesie

beschämen lassen? Wenn aber eine Wissenschaft, die man Ethik nennt, bei dem Herumschweifen ihrer hochweisen Gedanken in weiter und leerer Form, für das keinen Blick mehr hat, was so nahe vor Augen liegt, so gilt für sie recht eigentlich der Spruch: Was nicht der Verstand des Verständigen sieht, das übt in Einfalt ein kindlich Gemüt.

Endlich sei noch des erziehenden Wohlwollens Erwähnung gethan. Wenn der Erzieher manchen Wünschen und Begehrungen des zu Erziehenden mit einem entschiedenen Nein entgegentritt, so scheint es, dafs er dabei unvermeidlich in den Vorwurf eines offenbaren Übelwollens fällt. Nichtsdestoweniger aber kann er dabei vom tiefsten und umfassendsten Wohlwollen gegen seinen Zögling erfüllt sein und aus dieser Gesinnung heraus etwas versagt haben, worauf gerade das Verlangen des Zöglings gerichtet war. Liegt es nun schon auf der Hand, dafs ein verständiger Mann nicht solchen Wünschen willfahren wird, deren Erfüllung zwar eine vorhandene Begehrung befriedigen, hinterher aber, oder zugleich nur ein Übel herbeiführen würde, welches die andere Person trifft, und woran sie bei ihren Wünschen nicht gedacht hat, so ist dasjenige Wollen, dem der Erzieher sich besonders widmet, nicht das launenhafte, flatterhafte und unverständige des Augenblicks, sondern das wohl erwogene und andauernde späterer Jahre. Es fafst dabei seinen Zögling nach denjenigen Ansprüchen auf, welche derselbe infolge gereifter Einsicht von der auf ihn einwirkenden Thätigkeit seines Erziehers einst machen würde, Ansprüche, deren unzureichende Beachtung späterhin oft zu bitteren Klagen Anlafs giebt, so z. B., wenn Eltern ihren Kindern, wie man zu sagen pflegt, zu viel Willen gelassen, und aus nachsichtiger Schwäche den vorübergehenden Begehrungen, Neigungen und Launen derselben nachgegeben haben, anstatt denselben entgegenzutreten, oder ihnen eine andere Richtung zu geben. Man sagt: der Erzieher vertritt dem Zögling gegenüber den künftigen Mann und widmet sich dessen Willen. Ob nun gerade das, was dem erziehenden Wohlwollen vorschweben soll, der tiefere Bewegungsgrund ist, wenn der Erzieher einzelnen Willensregungen des Zöglings widerstrebt, oder ob ein blofser Eigensinn desselben dabei zu Grunde liegt, das wissen oft schon Kinder recht wohl zu unterscheiden. Das erziehende

[merged small][ocr errors][ocr errors]

Wohlwollen ist nicht allein ein bevormundendes, sondern sogar ein solches, welches darauf gerichtet ist, dasjenige Wollen in dem zu erziehenden selbst zu erzeugen, welchem sich die erziehende Thätigkeit widmet. Folgt aber diese dabei nicht den sittlichen Weisungen, sondern nur eigenwilligen Absichten; ist sie darauf bedacht, kein selbständiges Wollen des Zöglings aufkommen zu lassen, sondern ihn blofs zu dressieren und ihn zum blinden Werkzeug für fremde Zwecke zu machen, so ist dies die empörendste Herrschaft über den fremden Willen. Wie weit das erziehende Wohlwollen in seiner Bevormundung zu gehen hat, erfordert mancherlei feine Unterschiede. Überschreitet es seine Grenzen, so setzt es sich dem Mifsfallen eines Verfahrens aus, das erst dann glaubt den Wünschen anderer sich widmen zu dürfen, wenn diese sich den Meinungen und Absichten der ersteren unterwürfig zeigen. Das abscheulichste Verfahren aber ist ein sogenanntes malitiöses Wohlwollen, welches darin besteht, dafs ein Übelthun aus Übelwollen als Wohlwollen bezeichnet, und dabei das Schlimmste oder Schmerzhafteste, was jemand einem anderen zufügt, dadurch zu beschönigen gesucht wird, dafs aus blofser Schonung gerade dies und kein anderes weniger empfindliches Übel gewählt sei, wie bei Motivierung des Feuertodes von Jordanus Brunus geschah: „,ut quam clementissime et citra sanguinis effusionem puniretur." (Damit möglichst milde und ohne Blutvergiefsen gestraft werde.)

Fassen wir nun das Gesagte zusammen, so ergeben sich für das Verhältnis des Wohlwollens folgende Bestimmungen:

1. Das Wohlwollen ist keine blofs zufällige Übereinstimmung des Willens einer Person mit dem Willen einer anderen Person, sondern eine absichtliche Widmung lediglich deshalb, weil es der Wille der anderen ist, nicht aus irgend welchem eigenen Interesse am Gewollten selbst.

2. Das Wohlwollen ist zu unterscheiden vom Wohlthun; denn wenngleich der Wohlwollende dem, welchem er wohlwill, wohlzuthun beabsichtigt, so hängt doch der Wert des Wohlwollens als Gesinnung nicht vom günstigen Erfolge des dabei beabsichtigten Wohlthuns ab. Es ist bekannt, dafs man in der wohlwollendsten Absicht jemand sehr übel thun kann. Das Wohlwollen bleibt Wohlwollen, auch wenn es unvorsichtig handelt.

3. Das reine Wohlwollen ist frei zu denken von allen anderweitigen Motiven, welche nicht unmittelbar in der Absicht liegen, dem fremden Willen als solchem sich zu widmen, mögen sie auch sonst noch so vortrefflich sein. Es bedarf deren nicht, ja verschmähet alle derartige Motive, welche dazu dienen, die eigentlich wohlwollende Gesinnung zu beeinträchtigen. Freuen wird der Wohlwollende sich zwar, wenn such durch anderweitige ethische Rücksichten dasjenige keine Einsprache erleidet, sondern vielmehr Billigung erfährt, wozu sein reines Wohlmeinen ihn antrieb; entschieden abweisen wird er dagegen die Zumutung, sein Wohlwollen lediglich als Mittel für einen anderweitigen Zweck, möge er auch noch so wertvoll und edel sein, ansehen zu sollen.

4. Der dem reinen Wohlwollen zukommende Beifall ist ein unmittelbarer. Ihn zu vernehmen, ist nichts weiter nötig, als eine Verdeutlichung des betreffenden Verhältnisses im beurteilenden Subjekte. Um die eigentümliche Schönheit des Wohlwollens ins richtige Licht zu setzen, bedarf es des tiefen Schattens nicht, welchen das Übelwollen neben ihm bildet. Sie leuchtet ein ohne allen Beweis.

Die Idee des Rechts.

Angenommen, es sei jemand beseeit von der reinsten Güte, so ist dabei noch nicht die Möglichkeit ausgeschlossen, dafs er mit den Willensbestrebungen anderer Personen in ein Verhältnis gerät, über welches sich ein entschiedenes Mifsfallen erhebt. Es kann nämlich geschehen, dafs er bei Verfolgung einer ganz unschuldigen Absicht mit dem Willen einer anderen Person, welche für sich dasselbe begehrt, in Konflikt kommt. Nach der Weisung des Wohlwollens wird er zwar für sich verzichten und dem anderen das Begehrte gönnen; doch bedarf es nicht erst des Zurückgehens auf die Idee des Wohlwollens, um bei Wahrnehmung eines solchen Verhältnisses das Mifsfällige desselben zu vernehmen, vielmehr erregt schon der, wenn auch unabsichtlich herbeigeführte Widerstreit der Willen zweier Personen gegeneinander ein eigentümliches Mifsfallen. In der Absicht nun, des Mifsfallens am Streite halber ein solches Verhältnis zu beseitigen oder ihm vorzubeugen, beruhet die eigentliche sittliche Bedeutung des Rechts.

Der Fortschritt in der Reihe der Willensverhältnisse ist der,

« PreviousContinue »