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dadurch keine unmittelbare, sondern immer nur erst eine relative Wertschätzung, wenn es mit den Objekten, welche es begehrt oder verabscheut, in Beziehung gesetzt wird. Aufserdem gehört das Objekt des Wollens, als der dasselbe besonders bezeichnende Zweckgedanke, zum vollständigen Begriff eines Wollens, und eine teilweise Wiederholung dessen, was in der Vorstellung eines bestimmten Wollens schon vorhanden ist, dürfte schwerlich das zweite Glied eines Verhältnisses abgeben, bei dessen Zusammenfassung mit dem ersten eine Spur von ästhetischem Urteile stattfinden kann. Höchstens ein Ja oder ein Nein möchte sich dabei ergeben. Dergleichen logische Urteile sind aber noch lange keine ästhetischen.

Was nun den Pflichtbegriff anlangt, so scheint er ganz besonders der Ethik den Charakter des höhern Ernstes, ja der Heiligkeit zu verleihen. Denn die Pflicht mit ihrem unbedingten Sollen tritt als Forderung auf, gegen welche es keine Instanz giebt. Diese Forderung jedoch ist nur erst dadurch über alle Willkür und über den Charakter eines blofsen Machtgebotes hinaus, wenn das Sollen sich auf die Erreichung von etwas absolut Wohlgefälligem oder auf die Vermeidung von etwas absolut Missfälligem beziehet. In dieser Erkenntnis und unwillkürlichen Zustimmung liegt erst das sittlich Verbindliche des Pflichtgebotes, welches übrigens nur dann sich erhebt, wenn etwas nicht geschehen ist oder beanstandet wird, was nach den Weisungen des sittlichen Urteils hätte geschehen sollen. Aus diesem Grunde ist auch das Verfahren, die Ethik in der Weise religiös begründen zu wollen, dafs der unbedingte Wille Gottes oder das göttliche Machtgebot, als solches, das endgiltig Bestimmende sei, zurückzuweisen. Die Verbindlichkeit zum Gehorsam unter den göttlichen Willen besteht nicht in der Vorstellung von der Macht desselben diese Betrachtung würde die religiöse Ethik zu einem groben Eudämonismus erniedrigen - sondern in der Überzeugung von dessen Güte und absoluten Vortrefflichkeit. Dafs dem so ist und wiefern dies ist, darüber soll unser Inneres selbst Zeugnis geben. So ist es geordnet.

Endlich haben wir noch den Tugendbegriff. Tugend bezeichnet eine beharrliche Eigenschaft und ist ursprünglich ein relativer Begriff, der einer Tauglichkeit zu irgend einem Zwecke.

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Demgemäfs redet z. B. Aristoteles auch von Tugenden eines Pferdes u. s. w. Soll nun erkannt werden, ob die Tugend einen absoluten Beifall in Anspruch nimmt, so mufs zuvor der Zweck erkannt sein. Hat dieser auch einen nur relativen Wert, so kann auch über die Tugend nur ein relatives Lob ergehen. Soll sie dagegen absolut gelobt werden, so mufs ihr Zweck ein absolut löblicher sein. Daher kann die Tugend nicht selbst das Prinzip der Ethik, sondern nur ihren Beziehungspunkt bilden. Tugend verhält sich zur Pflicht, wie dauernde Eigenschaft zur einzelnen Handlung. Die Tugend eines Menschen wird also ethisch seine Tauglichkeit und Geneigtheit sein, das absolut Wohlgefällige darzustellen. Deshalb kann dieser Begriff erst da eintreten, wenn nach Bestimmung des absolut Wohlgefälligen die Frage sich erhebt, wie und wodurch dasselbe realisiert werde.

Wie nun die Lehre von den Tugenden, Pflichten und sittlichen Gütern im Systeme der sittlichen Normalbestimmungen keine primäre, sondern erst eine sekundäre Stellung einnimmt, so auch die Lehre vom moralischen Urteil oder vom Gewissen. Das moralische Urteil ist eine Beurteilung des persönlichen Wertes oder Unwertes, je nachdem eine Person demjenigen, was sie als gut oder böse erkannt und für sich als verbindlich erachtet hat, in ihren Handlungen Folge leistete oder nicht. Das Wesen dieses Urteils ist logischer Art. Es entscheidet darüber, ob die einzelnen Ausführungen oder Unterlassungen zu gewissen ethischen Maximen, Vorsätzen und Absichten der Handelnden passen oder nicht. Zwar stellen sich hierbei auch Gefühle ein, nämlich ein Gefühl der Beruhigung und Zufriedenheit, wenn es gelungen ist in einzelnen Handlungen seinen eigenen sittlichen Vorsätzen zu entsprechen, mögen dieselben auch nur darin bestehen, irgend einem Gebote oder Gesetze Folge zu leisten; und ein Gefühl der Beunruhigung, bis zur gröfsten Angst und Qual, wenn man seinen sittlichen Vorsätzen zuwider gehandelt hat. Sieht man hierbei nun auch von den Zuständen der Furcht und des Entsetzens ab, welche der Gedanke an die übeln Folgen einer Handlung erweckt, so sind doch die Gefühle der Beruhigung oder der Beunruhigung bei einem guten oder bösen Gewissen wesentlich verschieden von denjenigen, welche bei der ästhetischen Beurteilung stattfinden. Es sind Affekte, welche bei aller ihrer

möglichen Steigerung oder Herabstimmung, im Vergleich zu dem mannigfachen Ausdruck der ästhetischen Gefühle, immer etwas Einförmiges haben. Denn die Stärke oder Schwäche der bei einem guten oder bösen Gewissen hervortretenden Affekte ist nicht davon abhängig, ob jemand wohlwollend oder übelwollend, rechtlich oder ungerecht, mutig oder feige, besonnen oder leichtsinnig gehandelt hat. Mit Recht sagt daher Herbart, dafs die Beziehung der ethischen Beurteilung auf diese Affekte das sittliche Gefühl platt mache. Über die eigentümliche Schönheit oder Hässlichkeit der verschiedenen Willensverhältnisse im Bewusstsein des Beurteilenden wird dabei hinweggesehen. Und doch macht Wohlwollen oder Übelwollen einen anderen Eindruck als Überzeugungstreue und deren Gegenteil, und diese wieder einen anderen als Billigkeit und Unbilligkeit, Rechtlichkeit und Unrechtlichkeit, als energisches und schwächliches Wollen u. s. w. Hierzu kommt noch der Umstand, dafs es auch ein irrendes Gewissen giebt. Die subjektive Gewissheit seiner Aussage ist deshalb nicht geringer, und wie heftige Affekte sich damit verbinden können, ist bekannt. Sollte nun der Ausspruch des Gewissens die letzte sittliche Instanz sein, so wäre nicht abzusehen, wie man zu absoluten Bestimmungen über gut und böse gelangen mag. Dafs aber der Gewissensausspruch noch eine höhere Instanz über sich erkennt, liegt schon in der häufig vorkommenden Forderung, jemanden eines Besseren zu belehren, weil er sich aus dem, was dem anderen völlig unanstöfsig ist, ein Gewissen macht. Soll aber diese Belehrung Wurzel schlagen, und eine innige Überzeugung bewirken, so kann sie dies nur dadurch erreichen, dass sie dem zu Belehrenden diejenigen Willensverhältnisse zum deutlichen Bewusstsein bringt, bei deren vollendeter Vorstellung unfehlbar und mit innerer Nötigung das Urteil eines absoluten Beifalls oder Mifsfallens sich erhebt.

Nimmt man bei den ethischen Normalbestimmungen auf die Thatsache des Gewissens Rücksicht, so hat man daran ein Doppeltes. Erstens einen ethischen Erkenntnisbegriff, welcher jedoch über das Gebiet des Ethischen hinausreicht, denn man hat auch ein künstlerisches und ein logisches Gewissen, ja ein solches, deren letzte Beziehungspunkte blofse Klugheitsrücksichten sind. Die Aufgabe wird dann sein, diejenigen absolut normativen Ver

hältnisse aufzusuchen, welche die letzten Beziehungspunkte des moralischen Gewissens bilden. Zweitens hat man an dem Gewissen etwas, wodurch das als gut und schön Erkannte eine nicht unwesentliche Hilfe zur praktischen Ausführung gewinnt. Das Gewissen ist nicht allein die sittliche Polizei, sondern es führt zugleich das Strafamt. Und wie oft es auch dem Menschen gelingen mag, über die Stimme des Gewissens sich hinwegzusetzen, zuletzt kann er ihr doch nicht entfliehen; der Mensch hat nicht sowohl das Gewissen, sondern das Gewissen hat ihn und hält ihn fest.

Nachdem durch die bisherige Betrachtung gezeigt ist, worin die Normalprinzipien der Ethik, welche die eigentlichen Subjekte für die verschiedenen Prädikate einer absoluten Wertschätzung bilden, nicht zu setzen sind, haben wir als das Kennzeichen der absoluten Wertschätzung, vermöge einer ästhetischen Beurteilung im engeren und eigentlichen Sinne, dies festzuhalten, dafs sie der Ausdruck eines angenehmen oder unangenehmen Gefühls ist, bei welchem jedoch, zum Unterschiede von anderweitigem Angenehmen oder Unangenehmen, das Gefühlte selbst von dem Gefühl begrifflich sich unterscheiden und genau angeben läfst. Die hierbei in Betracht kommenden Arten von Gefühlen sind ästhetische und das, was sie verursacht, sind nicht einfache Empfindungen oder vereinzelte Vorstellungen, wie einzelne Töne oder Farben für sich, sondern mindestens zwei gleichartige und dabei in einem besonderen Verhältnis zu einander stehende Vorstellungen, deren keine auf Kosten der anderen im Bewusstsein gehoben wird. Gleichmässiges und vollendetes Vorstellen beider Glieder ist die Bedingung. Die Folge davon ist ein Gefühlsurteil oder, in übertragener Bedeutung, ein Geschmacks-Urteil, welches in seinem besonderen Ausdruck als Wohlgefallen oder als Mifsfallen ebenso unabhängig ist von dem Wollen oder Belieben des Urteilenden, wie die Empfindung des Süfsen, Sauern, Bittern u. s. w. nicht nach Belieben abgeändert werden kann, sondern so empfunden wird, wie sie sich dem Organe des Empfindens darbietet. Der eigentümliche Charakter dieses Urteils ist kein Affekt, keine Forderung, keine ursprünglich treibende Macht, sondern eine zwar klare, aber eher leise als laute Äufserung, dass etwas so, und nicht anders sei. Um es zu vernehmen, ist freilich nicht 8

Allihn, Ethik. 2. Aufl.

jede Gemütslage tauglich, vielmehr ist eine völlig ruhige, von keinerlei Begehrungen, Affekten und wechselnden Gedanken bewegte dazu erforderlich. Wie aber nichtsdestoweniger dergleichen ruhige Urteile durch Verbindung mit anderen geistigen Zuständen praktisch wirksam werden, ja eine grofse Macht auszuüben im stande sind, diese Erörterung gehört nicht in die Grundlegung der Ethik, wo es sich zunächst um die absoluten Wertbestimmungen handelt, unabhängig von der Frage, wie die Erkenntnis derselben zur praktischen Bethätigung des als gut Erkannten führe. Zur Beseitigung eines vorläufigen Bedenkens sei hier nur darauf hingewiesen, dafs bekanntlich Einflüsterungen der leisesten Art, wenn sie zu gewissen Zeiten immer und immer wieder das Ohr eines starken, ja wilden Charakters treffen, schliesslich auf denselben eine unwiderstehliche Macht auszuüben im stande sind.

Die eigentlichen Objekte der sittlichen Wertschätzung. Konstruktion der sittlichen Ideen.

Bisher haben wir die ursprünglichen und unwillkürlichen Urteile über gut und schön als ein und dieselbe Art von Wertbestimmungen, nämlich als solche, welche man mit dem Namen der ästhetischen bezeichnet, angesehen. Das soll auch nicht geändert werden, etwa aus Furcht, dafs das sittlich Gute es übel nehmen würde, als eine besondere Art des Schönen angesehen zu werden. Will doch das Gute nicht allein, wie man sagt, zum Verstande, sondern auch zum Herzen sprechen. Nimmt man es freilich mit dem Begriff des Schönen leichtfertig, bezieht man ihn auf ein blofs Reizendes, Lustbringendes, Angenehmes, Unterhaltendes, der Mode und dem veränderlichen Geschmack Unterworfenes, wie es in der Redeweise des gemeinen Lebens oft genug geschieht, so kann es leicht kommen, dafs das sittlich Gute starke Ursache hat, sich's zu verbitten, mit solcher Gesellschaft auf ein und denselben Fufs gesetzt zu werden. Eben dasselbe gilt aber auch vom eigentlichen Schönen. Auch das Schöne hält es unter seiner Würde, zur Befriedigung der blofsen Lust oder Laune zu dienen, oder gar als vorübergehender Ausdruck wandelbarer Stimmungen zu gelten. Will man aber durchaus einen Vorrang des sittlich Guten vor dem Schönen angegeben haben, so

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