Page images
PDF
EPUB
[ocr errors]

in die Hand und suchten in ihr auch für die kommunistischen Ideen Propaganda zu machen. Auch sollten die Mitglieder eines von ihnen gegründeten deutschen kommunistischen Vereins innerhalb der bürgerlichen Revolutionsbewegung als Sauerteig wirken, und der Kölner Kommunistenprozeß in der Reaktionszeit des Jahres 1852 bewies, daß man auf diesen Verein aufmerksam geworden war. Aber Deutschland war damals ökonomisch noch viel zu rückständig, die Revolution wurde von den Bourgeois gemacht und die Arbeiter kämpften auf den Barrikaden für sie. Das war feine Widerlegung des Maryschen Manifestes: er hatte das jogar genau jo vorausgesehen und vorausgesagt: „In Deutschland kämpft die kommunistische Partei, sobald die Bourgeoisie revolutionär auftritt, gemeinsam mit der Bourgeoisie gegen die absolute Monarchie, das feudale Grundeigentum und die Kleinbürgerei. Sie unterläßt aber keinen Augenblick, bei den Arbeitern ein möglichst flares Bewußtsein über den feindlichen Gegensaz zwischen Bourgeoisie und Proletariat herauszuarbeiten, damit die deutschen Arbeiter sogleich die gesellschaftlichen und politischen Bedingungen, welche die Bourgeoisie mit ihrer Herrschaft herbeiführen muß, als ebenjovicle Waffen gegen die Bourgeoisie kehren können, damit nach dem Sturz der reaktionären Klassen in Deutschland sofort der Kampf gegen die Bourgeoisie selbst beginnt. Auf Deutschland richten die Kommu= nisten ihre Hauptaufmerksamkeit, weil Deutschland am Vorabend einer bürgerlichen Revolution steht, und weil es diese Umwälzung unter fortgeschritteneren Bedingungen der europäischen Civilisation überhaupt und mit einem viel weiter entwickelten Proletariat vollbringt, als England im siebzehnten und Frankreich im achtzehnten Jahrhundert, die deutsche Revolution also nur das unmittelbare Vorspiel einer proletarischen Revolution sein kann.“

Freilich so unmittelbar" kam diese doch nicht hinterdrein; denn einmal hatte die bürgerliche Revolution nicht gesiegt, wie Mary vorausgesezt hatte, und dann war das Proletariat in Deutschland doch noch nicht so weit entwickelt: er und Engels haben die deutschen Verhältnisse aus persönlicher Anschauung immer weniger gekannt und sie allzusehr nach ihrer Umgebung in Frank

[graphic][merged small]

reich, in Belgien und vor allem in England beurteilt; daraus erklären sich so manche Einseitigkeiten auch in der Theorie. So blieb das Manifest, das für England und Frankreich zu theoretisch war, auch für Deutschland zunächst ein unbekanntes Stück Papier. Erst mußte die reaktionäre Periode ablaufen und Deutschland materiell sich weiter entwickeln und in die Reihe der europäischen Industriestaaten eintreten. Und darum ist auch nicht schon auf der ersten, sondern erst auf der zweiten Londoner Weltausstellung von 1862 durch Mary aufs neue eine internationale Arbeiterassociation ins Leben gerufen werden, die aber vorerst kein rechtes Gedeihen und auch keine ganz klaren Ziele hatte. Da fam 1862 Wilhelm Liebknecht, der dem Marristischen Kreise angehörte und sich mit den Ideen von Mary erfüllt hatte, nach Deutschland zurück und griff seinerseits in die nach Lassalles Tod eingetretene Verwirrung innerhalb der Arbeiterbewegung ein. Er fand zwei Verbände vor den von Lassalle gestifteten allge= meinen deutschen Arbeiterverein, und den im fortschrittlichen Fahrwasser einhersteuernden Verband deutscher Arbeitervereine; aber beide waren ihm zu national und zu politisch. Auch er hatte ja von 1849 an Emigrantenbrot essen müssen und wurde nun nach seiner Rückkehr von der Polizei thöricht mißhandelt. Das erfüllte ihn mit Haß gegen Preußen, den er hinfort nicht mehr los wurde, wie er denn überhaupt ein schwarzgalliger und fanatischer Mann ist, dem sein Fanatismus in jejuitischer Weise jedes Mittel erlaubt erscheinen läßt, das zum Ziele führt, und den sein Haß eng gemacht hat. Für diesen Haß gegen das damalige Preußen fand er in dem Sachsen der sechziger Jahre einen wohlvorbereiteten Boden, und er bildete wohl auch das erste Band, das ihn mit Bebel als dem gelehrigen Schüler der Marristischen Ideen verknüpfte. Dieser gehörte — neben Albert Lange, Max Hirsch, Sonnemann u. a. — dem ständigen Ausschuß jenes Verbandes deutscher Arbeitervereine an und war zunächst radikaler Fortschrittsmann und Gegner der Lafsalliten, im übrigen ein durch und durch ehrlicher, idealistisch angelegter, reich begabter Mensch mit großem Einfluß auf die Arbeiter, denen er als Drechslermeister mit seinen Anschauungen und seiner Empfindungsweise näher stand als alle die anderen von Haus aus gebildeteren

Führer. Er gab dem Verband eine ihn von den fortschrittlichen Tendenzen rasch weit abführende Richtung, löste ihn von SchulzeDelitzsch und dessen harmloseren Bestrebungen los und führte ihn von diesem hinüber zu Mary. Auch von der süddeutschen Volkspartei lösten sie sich ab, und 1868 erfolgte der Anschluß des Verbandes an die Internationale Arbeiterassociation. Damit war die socialdemokratische Partei in Deutschland gegründet und waren die Pläne Liebknechts verwirklicht, er und Bebel waren auch bereits in den ersten norddeutschen Reichstag gewählt. Im August 1869 hielt die Partei ihre erste Heerschau ab, wobei sich die 262 Delegierten bereits als die Vertreter von 150000 Arbeitern bezeichnen konnten; auch das erste Programm wurde hier festgestellt. Nur eins gelang nicht, die Vereinigung dieser internationalen Marxisten mit den nationalen Lafsalliten, die beiden Parteien haben sich vielmehr etliche Jahre hindurch aufs leidenschaftlichste befehdet und gegenseitig übel beschuldigt und beschimpft. Allein das war eine Kinderkrankheit, die überwunden werden mußte. Die Evolution, die Schwerkraft der Sache selbst und nicht zum wenigsten auch die Drangsalierung durch Polizei und Gericht Tessendorff als Staatsanwalt und Stieber als Polizeispitel“, wurden damals berühmt und berüchtigt drängte zur Vereinigung der beiden Parteien, die sich denn auch im Mai 1875 in Gotha wirklich vollzog und durch ein neues Parteiprogramm besiegelt wurde. Dieses Programm ist ein seltsames Gemisch von Marristischen und Lassalleschen Grundsäßen. Der internationale Charakter der Arbeiterbewegung und der Entschluß, alle Pflichten, welche derselbe den Arbeitern auferlegt, zu erfüllen, um die Verbrüderung aller Menschen zur Wahrheit zu machen, wird betont, aber den Lassalleanern zulieb hinzugefügt: „obgleich zunächst im nationalen Rahmen wirkend“. Der Tenor ist durchaus kommunistisch: der Gesellschaft gehört das gesammte Arbeitsprodukt, und gefordert wird die Verwandlung der Arbeitsmittel in Gemeingut der Gesellschaft; aber um die Lösung der socialen Frage anzubahnen, sollen im Sinne Lassalles socialistische Produktivgenossenschaften mit Staatshilfe unter der demofratischen Kontrolle des arbeitenden Volkes errichtet werden. Auch vom ehernen Lohngesez ist die Rede, es soll durch Abschaffung des

« PreviousContinue »