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erschien zuerst 1781, formell *) umgearbeitet in der zweiten Auflage 1787, seitdem in den späteren Auflagen unverändert. Die Logik‹ wurde nach Kant's handschriftlichen Anmerkungen und Erläuterungen zum Meier'schen Lehrbuch der Logik (die Kant diesem zum Zweck seiner Vorlesungen beigefügt hatte) von Jäsche 1800 herausgegeben. In mehrfacher Beziehung schliesst sich Kant in der Logik (theils beistimmend, theils polemisch) zunächst an Reimarus an. Kant sucht seine Isolirung der formalen Logik durch den Satz zu begründen, es sei nicht Vermehrung, sondern Verunstaltung der Wissenschaften, wenn man ihre Grenzen in einander laufen lasse; die Grenze der Logik sei aber dadurch ganz genau bestimmt, dass sie eine Wissenschaft sei, welche nichts als die formalen Regeln alles Denkens ausführlich darlege und streng beweise. Die Logik gehe seit Aristoteles den sicheren Gang der Wissenschaft; sie habe keinen Schritt rückwärts thun, d. h. keine Errungenschaft des Aristoteles als eine eitle und trügerische wieder aufgeben dürfen, aber auch keinen Schritt vorwärts thun, keine wesentliche Erweiterung gewinnen können. Diesen Vortheil wissenschaftlicher Sicherheit und Vollendung verdanke sie allein ihrer Eingeschränktheit, wodurch sie berechtigt und verbunden sei, von allen Objecten der Erkenntniss und ihrem Unterschiede zu abstrahiren, wonach also der Verstand

*) Dass die Umarbeitung nur die Form der Darstellung und nicht den Inhalt betreffe (indem das realistische Moment, das auch in der ersten Auflage nicht fehlt, aber als selbstverständlich zurücktritt, gegenüber dem in einer Recension hervorgetretenen Missverständniss, welches dasselbe verkannte und Kant's Lehre zu sehr der Berkeley'schen annäherte, deutlicher und nachdrücklicher bezeichnet wird) sagt Kant in der Vorrede zur zweiten Auflage selbst; Michelet, Schopenhauer und Andere haben nichtsdestoweniger eine Umbildung des Kantischen Standpunktes selbst zu erkennen geglaubt; dass aber Kant's Aussage sich bei der Vergleichung der beiden Ausgaben durchaus bewahrheite, suchte ich in der Abhandlung de priore et posteriore forma Kantianae Critices rationis purae, Berol. 1862, zu erweisen und halte daran fest auch nach Michelet's Entgegnung (Gedanke, III, 1862, S. 237-243), der die uns afficirenden Dinge an sich, die den Stoff zu empirischen Anschauungen geben (Kant's Werke, hrsg. v. Rosenkranz und Schubert, I, S. 436), hegelianisirend als die Einheit des Wesens in der Mannigfaltigkeit der Erscheinungen umdeutet. Dass Kant in der ersten Auflage seiner Vernunftkritik sich dahin äussere, es sei nicht unmöglich, dass das Ich und das Ding an sich eine und dieselbe denkende Substanz sei und dass er demnach hier als Hypothese aufstelle, was später Fichte lehrte, dass das Ich nicht durch ein fremdes Ding an sich, sondern rein durch sich selbst afficirt werde, diese Angaben (Michelet's und Schwegler's) bedürfen der thatsächlichen Berichtigung; Kant redet an der angezogenen Stelle (über den psychologischen Paralogismus) gar nicht von einer blossen Affection des Ich durch sich selbst, sondern davon, dass eine von unserm Ich verschiedene Substanz, die, wenn sie uns afficirt, von uns als räumlich angeschaut wird, sich selbst als ein denkendes Wesen erscheinen könne. Vgl. die Bemerkungen in m. Grundr. der Gesch. der Philos. III, § 16, 2. Aufl., Berlin 1868, S. 157 u. S. 181-183. 3. Aufl., Berlin 1872, S. 199. Darüber neuerdings: B. Erdmann, Kant's Kriticismus in der 1. u. 2. Aufl. der Krit. d. r. V. Leipzig 1878.

es in ihr nur mit sich selbst und seiner Form zu thun habe (Kritik der reinen Vernunft. 2. Aufl., Vorrede S. VIII-IX; vgl. S. 74 ff. und Logik herausg. v. Jäsche, S. 3 ff.). Allerdings müssen wir mit Kant anerkennen, dass der Gegenstand der Logik nur die richtige Form des Denkens ist, und dass sie nicht die Aufgabe haben kann, zugleich Metaphysik und Psychologie oder auch nur einzelne Abschnitte dieser Wisssenschaften zu lehren; aber es ist darum doch keineswegs zuzugeben, dass die Logik als Wissenschaft keiner Rückbeziehung auf psychologische und metaphysische Principien bedürfe, um ihre Gesetze über die richtige Form des Denkens zu begründen - gleich wie auch die Therapie als die Wissenschaft von der Wiederherstellung der Gesundheit, gleichsam der richtigen Form des leiblichen Lebens, zwar nicht Physiologie und allgemeine Naturwissenschaft ganz oder theilweise lehren soll, wohl aber der Rückbeziehung auf physiologische und allgemein-naturwissenschaftliche Principien bedarf, um ihre Vorschriften wissenschaftlich zu begründen. Diejenige Form des Denkens ist die richtige, die den menschlichen Geist zur Erkenntniss der Dinge befähigt, und darum ist jene zweifache Rücksicht in der Logik unerlässlich. Vgl. oben § 2. Die Abstraction von dem Verhältnisse der Denkformen zu den Existenzformen, zu den psychologischen Gesetzen, zum Inhalte des Gedachten im Allgemeinen (wovon die Besonderheit des jedesmaligen Inhaltes wohl zu unterscheiden ist), und ihre Sonderung von den Formen der Wahrnehmung, kurz, die Beseitigung der schwierigeren Probleme, hat ohne Zweifel in didaktischer Beziehung ihre Vortheile; eine solche Darstellung mag als propädeutische Vorstufe zweckmässig und vielleicht mitunter unentbehrlich sein; soll sie aber für mehr, soll sie für ein Letztes und Höchstes gelten, so raubt sie der Logik einen wesentlichen Theil ihres wissenschaftlichen Charakters. Wäre auch die Kantische Grundlehre wahr, dass die Dinge an sich unerkennbar seien, so würden doch die logischen Formen, um wissenschaftlich verstanden zu werden, in Beziehung auf die metaphysischen Formen der Erscheinungswelt (Substantialität, Causalität etc.) gesetzt werden müssen. Kant selbst erkennt dies in der Kritik der reinen Vernunft wenigstens hinsichtlich des Urtheils an, wenn er (§ 19 S. 140 der 2. Aufl.) die Erklärung desselben als der Vorstellung eines Verhältnisses zwischen zweien Begriffen als ungenügend tadelt und die Bestimmung aufgenommen wissen will, es sei ein objectiv gültiges Verhältniss (S. 142), es sei die Art, gegebene Erkenntnisse zur objectiven Einheit der Apperception zu bringen (S. 141), und wenn er demzufolge, da die metaphysischen Kategorien die verschiedenen objectiven Verhältnisse ausdrücken, die Urtheilsfunctionen zu den Kategorien in Beziehung setzt, z. B. das logische Verhältniss von Subject und Prädicat im kategorischen Urtheil zu dem metaphysischen Verhältniss von Subsistenz und Inhärenz, das logische Verhältniss des bedingenden und bedingten Urtheils zu dem metaphysischen Verhältniss der Causalität und Dependenz u. s. w. Hätte Kant diesen Standpunkt in der Logik festgehalten und consequent durchgeführt, so würde dieselbe durch ihn im Wesentlichen die Gestalt

erhalten haben, welche ihr später Lotze gegeben hat. Allein Kant hat für seine Logik jene richtige Einsicht nicht fruchtbar werden lassen, sondern abstrahirt in ihr wiederum von allen objectiven Verhältnissen. Diese Abstraction wird aber noch viel weniger wissenschaftlich berechtigt sein, wenn jene Kantische Grundlehre von der Unerkennbarkeit der realen Objecte unhaltbar ist und vielmehr die metaphysischen Formen auch reale Bedeutung haben, wie dies unten in unserer systematischen Darstellung gezeigt werden soll. Die von Kant errichteten Erkenntnissschranken weder durch ein die Identität von Denken und Sein postulirendes Axiom gewaltsam zu durchbrechen, noch auch irgendwie durch eine unbewusste Uebertragung von Denkgesetzen auf die Dinge an sich zu umgehen, sondern gleichsam stufenweise methodisch abzutragen und aufzuheben, dazu ist das gesammte vorliegende Werk bestimmt. Vgl. insbesondere §§ 38, 40, 41-44 und die Bemerkungen zu §§ 129, 131, 137; vgl. auch die Abh. über Idealismus, Realismus und Idealrealismus in Fichte's Zeitschr. für Philos., Bd. 34, 1859, S. 63–80. Kant's Fehlschluss lässt sich auf folgende kurze Form bringen: das Apodiktische ist apriorisch; das Apriorische ist bloss subjectiv (ohne Beziehung auf die Dinge an sich); folglich ist das Apodiktische bloss subjectiv (ohne Beziehung auf die Dinge an sich). Die erste Prämisse aber (der Untersatz) ist, wenn die Apriorität in dem Kantischen Sinne als Unabhängigkeit von aller Erfahrung verstanden wird, irrig. Kant hält fälschlich für eine von aller Erfahrung unabhängige oder aprioristische Gewissheit diejenige Gewissheit, die wir in der That durch die nach den logischen Normen erfolgende Combination vieler Erfahrungen mit einander erlangen, welche Normen durch die Beziehung des Subjects zu der objectiven Realität bedingt und nicht Formen a priori sind; er hält fälschlich alle Ordnung (sowohl die räumlich-zeitliche, als die causale) für bloss subjectiv. - Ueber das Verhalten der Kantischen Logik zur Aristotelischen vgl. die Bemerkungen zu §§ 2; 16.— Vergl. F. Zelle, Der Unterschied in d. Auffassung der Logik bei Aristoteles und bei Kant. Berlin 1870. Ernst Wickenhagen, Die Logik b. Kant. Diss. Jena 1869. Mor. Steckelmacher, Die form. Logik Kant's in ihren Beziehungen z. transscendentalen. Eine v. d. philos. Facult. d. Univ. Breslau gekr. Preisschr. Breslau 1879. J. Volkelt, Kant's Stellung z. unbewusst. Logischen, in d. Philos. Monatsheften. Bd. 9. 1871. S. 49 u. 113. W. Schuppe, Das Verhältn. zw. Kant's formal. u. transsc. Logik, in d. Philos. Monatsh. Bd. 16. 1880. S.513-528. § 29. In gleichem Sinne, wie von Kant, ist die Logik innerhalb seiner Schule namentlich von Jacob, Kiesewetter, Hoffbauer, Maass, Tieftrunk, Krug, Gerlach u. A. bearbeitet worden. Einen ähnlichen Standpunkt bekunden im Allgemeinen auch die logischen Werke von Salomon Maimon, G. E. Schulze, Bouterwek, Sigwart, Twesten, Ernst Reinhold, Bachmann, Friedr. Fischer und

Anderen. Fries giebt der Logik eine psychologische Grundlage. Er versteht unter der Logik die Wissenschaft von den Regeln des Denkens und theilt dieselbe in die reine Logik, die von den Formen des Denkens, und die angewandte, die von dem Verhältniss der Denkformen zu dem Ganzen der menschlichen Erkenntniss handle; die reine wiederum in die anthropologische Logik, welche das Denken als Thätigkeit des menschlichen Geistes betrachte und die philosophische oder demonstrative Logik, welche die Gesetze der Denkbarkeit aufstelle; die angewandte in die Lehre vom Verhältniss des Denkens zum Erkennen im Allgemeinen, die Lehre von den Gesetzen der gedachten Erkenntniss oder von der Aufklärung unserer Erkenntniss, und die Methodenlehre. An ihn schliesst sich Friedr. van Calker an, der die Denklehre oder die Logik und Dialektik als die Wissenschaft von der Form des höheren Bewusstseins erklärt und in Erfahrungslehre, Gesetzlehre und Kunstlehre des Denkens eintheilt. Herbart definirt die Logik als die Wissenschaft, welche die Deutlichkeit in Begriffen und die daraus entspringende Zusammensetzung der letzteren zu Urtheilen und Schlüssen im Allgemeinen betrachte. Er schliesst die Frage, welche Bedeutung die Denkformen für die Erkenntniss haben, ganz von der Logik aus, um sie der Metaphysik zuzuweisen und hält dafür, dass die logischen Normen einer wissenschaftlichen Begründung durch metaphysische und psychologische Betrachtungen weder bedürftig noch fähig seien. An ihn schliessen sich Drobisch, Hartenstein, Griepenkerl, Bobrik, Strümpell, Allihn, Lott, Waitz u. A. an.

Die logischen Werke, welche aus der Kantischen Schule hervorgegangen sind oder doch die Richtung derselben im Wesentlichen theilen, lassen das Eingehen auf die tieferen Probleme vermissen, und nicht alle compensiren diesen Mangel durch volle Strenge, Genauigkeit und Klarheit auf ihrem engbegrenzten Gebiete. Jacob's Grundriss der all- ́ gemeinen Logik erschien zuerst 1788; Kiese wetter's Grundriss der Logik 1791, 2. Aufl. 2 Bde. 1795-96; dagegen: Flatt's Fragm. Bemerkungen gegen d. Kant. u. Kiesew. Grundr. d. r. allgem. Logik. Tübing. 1802. Joh. Chr. Aug. Grohmann, Neue Beiträge z. krit. Philos. u. insbes. z. Logik. Leipzig 1796. - Hoffbauer's Analytik der Urtheile und Schlüsse 1792, Anfangsgründe der Logik 1794; Maass' Grundriss der Logik 1793, 4. Aufl. 1823; Maimon's Versuch einer neuen Logik oder Theorie des Denkens 1794; Bouterwek's Idee einer Apodiktik

2 Bde. 1799, Lehrbuch der philosophischen Wissenschaften 2 Thle. 1813; Tieftrunk's Grundriss der Logik 1801; Schulze's Grundsätze der allgemeinen Logik 1802, 4. Aufl. 1822; Krug's Logik oder Denklehre 1806; eine Kritik der Logik aus dem Standpunkte der Sprache von Karl Leonhard Reinhold 1806; Gerlach's Grundriss der Logik 1817; Sigwart's Handbuch zu Vorlesungen über die Logik (d. Logik in ihrer Bezieh. z. allgem. Sprachlehre) 1818, 3. Aufl. 1835; Ernst Reinhold's Versuch einer Begründung und neuen Darstellung der logischen Formen 1819, Logik oder allgemeine Denkformen 1827, Theorie des menschlichen Erkenntnissvermögens 1832; Twesten's Logik, insbesondere die Analytik 1825, Grundriss d. anal. Logik 1834; Bachmann's System der Logik 1828 (ein sehr instructives Werk); Friedr. Fischer's Lehrbuch der Logik 1838; Fries' System der Logik 1811, 3. Aufl. 1837, Grundriss der Logik 3. Aufl. 1827; van Calker's Denklehre oder Logik und Dialektik nebst e. Abriss der Gesch. u. Litterat. ders. 1822 (der Abr. d. Gesch. ist bes. beachtenswerth wegen der Litteratur-Angaben). Herbart's Lehrbuch zur Einleitung in die Philosophie 1813 (5. Aufl. 1850), worin §§ 34-71 ein Abriss der Logik enthalten ist; Griepenkerl's Lehrbuch der Logik in kurzen Umrissen 1831; Drobisch' neue Darstellung der Logik nach ihren einfachsten Verhältnissen nebst einem logisch-mathematischen Anhange 1836 (2. völlig umgearbeitete Auflage 1851, 3. neu bearbeitete Auflage 1863, 4. Aufl. 1875; anerkanntermaassen die trefflichste Darstellung der Logik von jenem Standpunkte aus, sehr schätzbar wegen ihrer Klarheit, Schärfe und relativen Vollständigkeit); Bobrik's System der Logik 1838; J. H. W. Waitz' Hauptlehren der Logik 1840; Lott's Schrift: Zur Logik 1845; Strümpell's Entwurf der Logik 1846 (vgl. dessen Abh. über den Vortrag der Logik mit besonderer Rücksicht auf die Naturwissenschaften, Berlin 1858), Grundriss d. Logik oder der Lehre v. wissensch. Denken für Studirende u. Lehrer. Leipzig 1881. (Einige von ihm noch jetzt gebilligte Stücke des s. Ansicht nach in Deutschland wenig beachteten Entwurfs der Logik hat der Verf. in diesen Grundriss wieder mit aufgenommen; die Behandlungsweise ist dadurch bestimmt, dass ebenso sehr die speculative, erkenntnisstheoret. Auffassung der logischen Fragen, als auch der Formalismus der gew. Logik vermieden, und insbes., wo möglich, der Zusammenhang mit d. Praxis der Wissenschaften hervorgehoben werden sollte.) (Allihn's) Antibarbarus lo.gicus 1851 (2. Aufl. der ersten Abth. 1853); Rob. Zimmermann's Philos. Propädeutik Wien 1852, 2. Aufl. ebd. 1860, 3. Aufl. 1867; Gust. Ad. Lindner's Lehrbuch der formalen Logik Graz 1861, 2. Aufl. Wien 1867, 3. erw. Aufl. das. 1872, 4. Aufl. 1877; Mathias Amos Drbal's Lehrbuch der propädeutischen Logik Wien 1865; Prakt. Logik od. Denklehre Wien 1872; Stoy, Philos. Propäd. Abth. 1 Die philos. Probleme u. die Logik Leipzig 1869. — Ign. Pokorny, Neuer Grundriss d. Logik. Wien 1878. Jos. Mich, Grundriss d. Logik. Gemeinfassl. dargest. 3. Aufl. Wien u. Troppau 1877 (angehenden Lehrern u. Lehrerinnen der Volksschule gewidmet).

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