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Construction und Combination liegen, wirken durch alle Syllogismen hindurch und greifen schöpferisch ein. Das syllogistische Verfahren geht dem synthetischen als seine äussere Darstellung schützend zur Seite. Der Gedanke ist im synthetischen Verfahren sich selbst seiner Strenge bewusst und darin für sich zunächst sicher. Will er aber das Ergriffene sich oder Anderen darstellen, so dienen die bindenden unterordnenden Syllogismen, den unsichtbaren Gang des Gedankens sichtbar darzustellen. Der individuelle Blick der Synthesis verhält sich zur syllogistischen Abwickelung, wie das Augenmaass zur Messkette (Log. Unters. Il, S. 210 ff.; 2. A. S. 281 ff., 3. A. S. 314 ff., wo mir das Missverständniss schuldgegeben wird, von dem ich doch frei zu sein glaube, als ob das Allgemeine der Thatsache bedeuten wolle, dass es, wie sonst die Thatsachen, immer aus der Erfahrung gezogen sei; ich habe doch nur gesagt und nur daraus argumentirt, dass nach Trendelenburg lediglich die Thatsache und nicht der Grund in Betracht gezogen werden solle; s. andererseits II, S. 280 ff., 2. A. II, S. 354 ff., 3. A. II, S. 388 ff.). Wir müssen gegen diese Ansicht die gleichen Gegengründe geltend machen, wie oben gegen die Schleiermacher'sche. Es ist wahr, dass in der Mathematik nur sehr wenige Sätze, wohl nur einige Corollarien, durch eine einfache syllogistische Subsumtion unter andere erwiesen werden können, und dass meist in den Hülfsconstructionen noch eigenthümliche »synthetische Elemente hinzutreten; auch, dass die Auffindung und Combination der zum Ziele führenden Syllogismen einen mathematischen Blick voraussetzt, der von der Fähigkeit, gegebene Syllogismen zu verstehen und zu würdigen, wesentlich verschieden ist. Allein wir können nicht zugeben, dass die synthetische Combination eine andere sei, als eben die Combination der Urtheile zu Syllogismen und der Syllogismen zu Schlussreihen; auch nicht, dass die Beweiskraft und Sicherheit für den Gedanken auch in irgend welchen anderen »synthetischen Elementen liegen könne, als in dem Complex der durch die Construction ermöglichten Syllogismen; denn nur durch Deduction aus dem schon erkannten Allgemeinen kann die neue Erkenntniss gewonnen werden, und diese Deduction ist ihrer Natur nach, da sie auf keine Weise ohne Subsumtion unter das Allgemeine geschehen kann, nothwendig syllogistisch, wie sehr auch der syllogistische Charakter unter enthymematischen Formen sich verbergen mag; die synthetische Verknüpfung kann nicht »individuelle oder unmittelbar sein in dem Sinne, als unterwerfe sie nicht das Einzelne oder Besondere des vorliegenden Falles dem allgemeinen Gesetze der Axiome und der früher bewiesenen Lehrsätze, und gewähre dennoch, wie vermöge einer verborgenen Kraft, dem Gedanken an sich Strenge und Gewissheit; sondern in Wahrheit liegt der Unterschied der Erkenntnissweisen nur in dem Maasse der Bewusstseinsstärke der vermittelnden Glieder, in dem Verweilen des Bewusstseins bei den einzelnen oder Hinwegeilen über dieselben, in der vollständig durchgeführten oder enthymematischen Form der Syllogismen. Vor allem aber ist nicht zuzugeben, dass der

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Syllogismus und der Complex der Syllogismen nicht neue Erkenntniss erzeuge, sondern nur der schon vorhandenen und an sich ohne Syllogismen anderweitig gesicherten und streng gedachten zur äusseren Darstellung für die eigene subjective Gewissheit und fremde Anerkennung diene, und dass für den Syllogismus als solchen lediglich die allgemeine Thatsache in Betracht komme. Denn ruht der Syllogismus nur auf der Allgemeinheit der Thatsache, so ist auf keine Weise der Einwand der Skeptiker abzuweisen, dass der Obersatz nicht vor dem Schlusssatze feststehen und diesen nicht begründen könne, und die Aristotelische Lehre vom Mittelbegriff ist wenigstens für die Syllogistik als solche verloren. Ist dagegen für das syllogistischc Verfahren als solches die Reflexion wesentlich, dass das » Allgemeine der Thatsache auf dem Allgemeinen des Grundes« ruhen müsse und sie ist dies in der That, so ist jene Aristotelische Lehre gerettet; aber dann ist es auch falsch, dass für den Syllogismus nur die allgemeine Thatsache in Betracht komme, und dass es eines anderen synthetischen Verfahrens, als desjenigen, welches sich in den Syllogismen und durch die Syllogismen vollzieht, zur schöpferischen Begründung der Erkenntniss bedürfe, der Syllogismus aber nur » formalen und didaktischen Werth habe; dann muss vielmehr anerkannt werden, dass das syllogistische Verfahren seinem innersten Wesen nach selbst das synthetische ist, und dass alle anderen, in die Verkettung der Syllogismen noch mit eingreifenden synthetischen Elemente doch nur die Bestimmung haben, der Auffindung und Anwendung der zweckgemässen Syllogismen zu dienen. Die reale« erkenntnissschaffende Macht des Syllogismus lässt sich nicht nur auf dem mathematischen, sondern auch auf allen übrigen Gebieten des Wissens nachweisen. Jedes Begreifen eines individuellen Factums der Geschichte aus dem allgemeinen Gesetze geschieht nothwendig in syllogistischer Gedankenform, obschon selten in syllogistischer Ausdrucksweise. Wenn z. B. Schiller in seiner Geschichte des dreissigjährigen Krieges die Dauer und Heftigkeit dieses Religionskampfes erklären will, so zeigt er die allgemeine Gesetzmässigkeit auf, wonach Religionskriege überhaupt mit der grössten Hartnäckigkeit und Erbitterung geführt zu werden pflegen, da hier jeder Einzelne mit persönlicher Selbstbestimmung, und nicht, wie bei den Nationalkriegen, in Folge der blossen Naturbestimmtheit der Geburt, der einen oder anderen Partei zugethan sei, und subsumirt in syllogistischer Gedankenform jedes einzelne Factum unter dieses allgemeine Gesetz. Die Ansicht, dass die Macht des Syllogismus nur formal sei, nicht real, wie die Synthesis, kann nur insofern gelten, als sie auf die unvollkommenen oder nicht wahrhaft wissenschaftlichen Syllogismen (sowohl der ersten, als der übrigen Figuren) beschränkt wird; auf die vollkommenen oder die eigentlich wissenschaftlichen Syllogismen aber, in welchen der Erkenntnissgrund mit dem Realgrunde coincidirt, darf sie eben so gewiss nicht bezogen werden, als die Aristotelische Lehre vom Mittelbegriff Wahrheit hat. Die an sich wohlberechtigte Unterscheidung zwischen dem Allgemeinen des Grundes und dem Allgemeinen der

Thatsache kann nicht einen Unterschied zwischen Synthesis und >Syllogismus, sondern nur zwischen zwei Gestaltungen des Syllogismus, und in Bezug auf die vollkommenen Syllogismen zwischen der realen und formalen Seite derselben begründen. Es liegen drei wesentlich verschiedene Gegensätze vor: 1. Grund und Thatsache, 2. Tact und Analyse, 3. Hülfsconstructionen und Schlüsse. Es ist nicht nothwendig, dass der Grund nur in der Form des Tactes oder Blickes erfasst werde und sich an Hülfsconstructionen knüpfe, ebensowenig, dass die entgegengesetzten Glieder: Thatsache, Analyse und Schlüsse, stets zusammenfallen, und es erscheint demgemäss nicht gerechtfertigt, die drei je ersten Glieder unter dem gemeinsamen Namen der synthetischen Elemente zusammenzufassen, noch auch, Grund und Tact oder Blick dem syllogistischen Verfahren, als ob sie diesem fremd wären, entgegenzusetzen; vielmehr ist das synthetische Verfahren nothwendig von syllogistischem und der vollkommene oder wahrhaft wissenschaftliche Syllogismus von synthetischem Charakter.

§ 102. Der einfache kategorische Syllogismus besteht aus drei kategorischen Urtheilen, wovon zwei die Prämissen bilden und das dritte den Schlusssatz. Dieselben enthalten drei Hauptbegriffe, von denen derjenige, welcher Subject im Schlusssatze ist, Unterbegriff (terminus minor, ὅρος ἔσχατος, τὸ ἔλαττον sc. ἄκρον), derjenige, welcher Prädicat im Schlusssatze ist, Oberbegriff (terminus maior, ὅρος πρῶτος, τὸ μεῖζον), beide zusammen auch wohl äussere Begriffe (termini extremi, tà azoa), und der den Schluss vermittelnde gemeinsame Bestandtheil Mittelbegriff (terminus medius, ogos μévos, to uéoor) genannt wird. Diejenige Prämisse, welche den Oberbegriff (terminus maior) enthält, ist der Obersatz und diejenige, welche den Unterbegriff (terminus minor) enthält, der Untersatz (vergl. § 100).

Die vorstehende Terminologie ist durch Aristoteles begründet worden. Dieser definirt Anal. pri. I, 1. 24 b. 16: ögov dè zaio ets öv διαλύεται ἡ πρότασις, οἷον τό τε κατηγορούμενον καὶ τὸ καθ' ου κατηγορεῖται. Ib. I, 4. 25 b. 35: καλῶ δὲ μέσον μὲν ὃ καὶ αὐτὸ ἐν ἄλλῳ καὶ ἄλλο ἐν τούτῳ ἐστὶν, ὃ καὶ τῇ θέσει γίνεται μέσον· ἄκρα δὲ τὸ αὐτό τε ἐν ἄλλῳ ὄν καὶ ἐν ᾧ ἄλλο ἐστίν· λέγω δὲ μεῖζον μὲν ἄκρον ἐν ᾧ τὸ μέσ σον ἐστὶν, ἔλαττον δὲ τὸ ὑπὸ τὸ μέσον ὄν. Ebendaselbst und öfter gebraucht Aristoteles auch die Namen: o čozatos ooos (terminus minor) und ὁ πρῶτος (terminus maior). Aristoteles hat diese Terminologie zunächst im Hinblick auf diejenige Form des Syllogismus gebildet, in welcher das Sphärenverhältniss der drei Begriffe mit der Wortbedeutung der Namen: μεῖζον oder πρώτον (der weitere oder höhere), μέσον (der mittlere) und darrov oder koyarov (der engere oder niedere Be

griff) übereinkommt; er überträgt sie dann aber auch (ib. I, 5 u. 6) auf die übrigen Formen, wo das Sphärenverhältniss ein anderes wird, indem er ihren Sinn in entsprechender Weise modificirt. Sollen aber Definitionen gegeben werden, die gleichmässig auf alle Fälle zutreffen (was allerdings eine unabweisbare wissenschaftliche Anforderung ist), so darf darin das Sphärenverhältniss nicht in Betracht gezogen werden. Der Mittelbegriff ist bloss in einigen Fällen in der ersten Figur der Syllogismen dem Umfang nach der mittlere, kann aber im Allgemeinen nur als der (den Schluss) vermittelnde definirt werden. Die beiden anderen Termini lassen sich auf eine allgemeingültige Weise gar nicht von einander unterscheiden, wenn nicht ihr Verhältniss als Subject und Prädicat im Schlusssatze mitberücksichtigt wird; denn ihr Sphärenverhältniss ist (wiewohl speciell in der Grundform der ersten Schlussfigur ein festes) im Allgemeinen ein völlig unbestimmtes. Es könnte nun zwar scheinen, als wäre die Rücksicht auf den Schlusssatz ein fehlerhaftes vorɛgov noóregov, und als müsste daher jeder Versuch einer allgemeinen Unterscheidung des terminus maior und minor nothwendig scheitern (wie namentlich Trendelenburg, Log. Unters. II, S. 233 ff., 2. A. II, S. 309 ff., 3. A. S. 342 f. darin jenen Fehler findet und auch Drobisch, Log., 3. A. S. 92 behauptet, es werde dadurch der Untersuchung, ob A oder B Subject des Schlusssatzes werde, willkürlich vorgegriffen). Dann aber würde die Syllogistik viel von ihrer wissenschaftlichen Bestimmtheit verlieren; eine durchgeführte Unterscheidung der Modi wäre unmöglich. Jedoch in der That liegt in jener Rücksicht auf den Schlusssatz gar nichts Fehlerhaftes. Es ist nur die allgemeine Form des Schlusssatzes (S P, d. h. entweder A B oder B A, wenn A und B die äusseren Termini sind), die im Voraus mit in Betracht gezogen wird, ganz abgesehen theils von der bestimmteren Gestaltung (S a P oder S e P etc.), die der Schlusssatz annehmen mag, theils auch sogar von der Frage, ob sich überhaupt irgend ein Schlusssatz von jener Form ergeben werde, was alles erst durch die fernere Untersuchung gefunden werden soll. Die allgemeine Form (einestheils A B, anderentheils B A) kann aber jedenfalls ohne Tadel im Voraus festgestellt und darauf die Benennung der verschiedenen Begriffe in den Prämissen gegründet werden.

§ 103. Die einfachen kategorischen Syllogismen lassen sich in drei Hauptclassen ein theilen, welche Schlussfiguren (figurae, oxhuara) genannt werden, und deren erste wiederum in zwei Abtheilungen zerfällt, die gleichfalls als verschiedene Schlussfiguren bezeichnet zu werden pflegen. Die Eintheilung in die drei Hauptelassen beruht auf dem Subjects- oder Prädicats-Verhältniss des Mittelbegriffs in den Prämissen zu den beiden anderen Begriffen überhaupt, ohne Rücksicht auf den Unterschied des terminus maior

und minor, mithin ohne Rücksicht auf die Form des Schlusssatzes, auf welche die allgemeine Unterscheidung dieser beiden Termini von einander sich gründet. Entweder nämlich ist der Mittelbegriff in der einen Prämisse Subject, in der anderen Prädicat, oder in beiden Prämissen Prädicat, oder in beiden Subject; der erste Fall begründet die erste Hauptclasse oder die erste Figur im umfassenderen Sinne, der zweite Fall die zweite und der dritte die dritte Hauptclasse oder Figur der einfachen kategorischen Syllogismen. Die Untereintheilung aber beruht auf der Mitberücksichtigung des Unterschiedes zwischen dem terminus maior (demjenigen Begriffe, welcher im Schlusssatze Prädicat wird) und dem terminus minor (demjenigen Begriffe, welcher im Schlusssatze Subject wird). Dieser Unterschied begründet in der ersten Haupt classe zwei Abtheilungen: in der ersten ist der Mittelbegriff das Subject zum terminus maior und das Prädicat zum minor; in der zweiten aber ist derselbe das Prädicat zum maior und das Subject zum minor. Die erste Abtheilung der ersten Hauptclasse ist die erste Figur im engeren Sinne; die zweite Abtheilung der ersten Hauptclasse aber ist die sogenannte vierte oder Galenische Figur. In der zweiten und dritten Hauptclasse begründet der Unterschied des terminus maior und minor keine analogen Abtheilungen, weil in beiden das Verhältniss des terminus maior zum Mittelbegriff das nämliche, wie das des minor ist, indem beide Termini in der zweiten Figur die Stelle des Subjects in beiden Prämissen, in der dritten Figur aber die des Prädicates einnehmen, und eine Vertauschung beider daher das Verhältniss im Allgemeinen nicht ändert. Die zweite und dritte Hauptclasse fällt demnach jede mit Einer Abtheilung zusammen, und es braucht in Bezug auf dieselben nicht zwischen einer weiteren und engeren Bedeutung des Namens Figur unterschieden zu werden.

Dem Obigen zufolge können mit gleichem Rechte drei oder vier Schlussfiguren unterschieden werden, je nachdem der Name Figur im umfassenderen oder beschränkteren Sinne gebraucht wird; jenes, weil es drei Haupt classen giebt; dieses, weil die erste Hauptclasse zwei Abtheilungen hat, jede der beiden anderen aber mit je

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