Page images
PDF
EPUB

schnittenen Linien nicht zusammentreffen, die correspondirenden Winkel einander gleich sind).

Aristoteles hält dafür, dass das allgemein verneinende Möglichkeitsurtheil nicht durchweg die reine Umkehrung zulasse (Anal. pri. I, 3. 25 b. 14 a. 16: ὅσα δὲ τῷ ὡς ἐπὶ πολὺ καὶ τῷ πεφυκέναι λέγεται ἐνδέχεσθαι - ἡ μὲν καθόλου στερητική πρότασις οὐκ ἀντιστρέφει, ἡ δ' ἐν μέρει ἀντιστρέφει cf. c. 13; c. 17. 37 a. 31: ὅτι οὐκ ἀντιστρέφει τὸ ἐν τῷ ἐνδέχεσθαι στερητικόν). Ist das Urtheil gegeben: τὸ 4 ἐνδέχεται μηδενὶ τῷ Β, so soll nicht nothwendig folgen: τὸ Β ἐνδέχεσθαι undevi 19 A. Aristoteles versteht nämlich den ersten Satz in dem Sinne alle B, jedes für sich, sind in der Möglichkeit, A zum Prädicate nicht zu haben oder auch zu haben, und in gleicher Weise den zweiten Satz in dem Sinne: alle A, jedes für sich, sind in der Möglichkeit, B zum Prädicate nicht zu haben oder auch zu haben (vgl. unten zu § 98). Nun kann es, wie Aristoteles mit Recht bemerkt, Fälle geben, wo zwar alle B in jener zweifachen Möglichkeit sind, einige A aber in der Nothwendigkeit, B nicht zum Prädicate zu haben. Das Schema hierfür würde sein:

[blocks in formation]

In Fallen dieser Art ist das erste Urtheil (τὸ 4 ἐνδέχεται μηδενὶ τῷ B) wahr, und dennoch das zweite (rò B vdézɛra undevì tô A) falsch. Folglich ist das zweite nicht eine nothwendige Consequenz des ersten. In diesem Sinne ist also jene Lehre des Aristoteles wohlbegründet. Aber dieselbe steht auch unserem obigen Satze (den übrigens schon Theophrast und Eudemus anerkannt haben, s. Prantl, Gesch. der Log. I, S. 364), dass das allgemein verneinende Urtheil von jeder Modalität, mithin auch das problematische, sich mit unveränderter Quantität, Qualität und Modalität umkehren lasse, nicht entgegen. Zwar der Umstand würde den Widerstreit nicht beseitigen, dass das Aristotelische vdézɛoda nicht gleich dem vielleicht des problematischen Urtheils die subjective Ungewissheit, sondern die objective Möglichkeit des Seins oder Nichtseins, und zwar (im Unterschiede von dúvaodai) vorzugsweise im Sinne des Nichtgehindertseins bezeichnet. Denn die Argumentation des Aristoteles bleibt auch dann richtig, wenn statt der objectiven Möglichkeit die subjective Ungewissheit substituirt wird. Ist es von allen B ungewiss, ob sie A nicht seien oder seien, so folgt nicht, dass es auch von allen A ungewiss sein müsse, ob sie B nicht seien oder seien, sondern von einigen A kann die Gewissheit bestehen, dass sie nicht B sind. Aber dies thut unserem obigen Nachweis keinen Eintrag, dass aus dem Satze: vielleicht ist kein B A, der Satz folge: vielleicht ist kein A B. Denn dieser letztere Satz ist nicht gleichbedeutend mit jenem, der nicht gefolgert werden darf: von allen A,

[ocr errors]

und zwar von einem jeden für sich, ist es ungewiss, ob sie B nicht seien oder seien, sondern mit folgendem: es ist ungewiss, ob alle A nicht B seien, oder ob es mindestens irgend ein A gebe, welches B sei; dieser Satz aber kann sehr wohl mit der Gewissheit zusammenbestehen, dass einige A nicht B sind. In gleicher Weise folgt auch aus dem Satze: es ist (objectiv) möglich, dass kein B A sei, mit Nothwendigkeit der Satz: es ist (objectiv) möglich, dass kein A B sei (aber auch möglich, dass mindestens irgend ein A B sei). Die Umkehrung in der Aristotelischen Weise aber, wonach allen einzelnen A die Möglichkeit zugesprochen wird, B nicht zu sein, würde (wie Aristoteles selbst Anal. pri. I, c. 3 andeutet) einerseits dann gelten, wenn unter dem ἐνδέχεσθαι verstanden würde, was ὁμωνύμως darunter verstanden werden kann: mindestens in der Möglichkeit sein, ohne Ausschluss der Nothwendigkeit, andererseits aber auch in solchen Fällen, wo überhaupt alle Nothwendigkeit, also auch die in der Richtung von A nach B, ausgeschlossen ist, mithin keine A vorhanden sind, die in der Nothwendigkeit wären, B nicht zu sein. So löst sich der scheinbare Widerspruch der oben im Texte des Paragraphen begründeten Lehre mit der Aristotelischen. Vgl. Prantl, Gesch. der Log. I, S. 267 und 364.

§ 88. Durch Conversion kann aus dem particular verneinenden Urtheil überhaupt nichts gefolgert werden. Das particular verneinende kategorische Urtheil sagt aus, dass einige S das Prädicat P nicht haben, ohne über die übrigen irgend etwas zu bestimmen. Das Schema desselben liegt demgemäss in der Combination der drei Figuren:

[blocks in formation]

oder auch in der Einen Figur, welche, jene drei möglichen Fälle zusammenfassend, das Bestimmte durch die ausgezogenen, das Unbestimmte durch die punktirten Linien bezeichnet:

S

Demnach kann es, wenn einige S nicht P sind, erstens Fälle geben, wo auch einige P nicht S sind, andere P aber S sind, zweitens solche Fälle, wo alle P S sind, und drittens solche Fälle, wo kein P S ist; es lässt sich also über das Verhältniss von P zu S in einem Urtheil, dessen Subject P sein soll, im Allgemeinen gar nichts aussagen.

Ebenso ist das Schema des particular verneinenden hypothetischen Urtheils: zuweilen, wenn A ist, ist B nicht, folgendes:

A

Es kann also der Fall vorkommen, dass, wenn B ist, A zuweilen ist und zuweilen nicht ist, aber auch der Fall, dass, wenn B ist, A immer ist, und endlich drittens der Fall, dass, . wenn B ist, A niemals ist, so dass das Verhältniss von B zu A im Allgemeinen völlig unbestimmt bleibt.

Beispiele zu den verschiedenen möglichen Fällen sind folgende. Zum particular verneinenden kategorischen Urtheil von der Form 1. einige Parallelogramme sind nicht regelmässige Figuren; von der Form 2.: einige Parallelogramme sind nicht Quadrate, oder auch: einige geradlinige ebene Figuren, die durch eine Diagonale in zwei congruente Dreiecke getheilt werden, sind nicht Parallelogramme; von der Form 3.: (mindestens) einige Parallelogramme sind nicht Trapezoide, oder auch: (mindestens) einige geradlinige ebene Figuren, die durch eine Diagonale in zwei nicht congruente Dreiecke getheilt werden, sind nicht Parallelogramme. Zum particular verneinenden hypothetischen Urtheil von der Form 1.: zuweilen, wenn Angeklagte sich schuldig bekannten, war dennoch die Anklage nicht begründet; von der Form 2.: zuweilen, wenn ungegründete Beschuldigungen erhoben wurden, fand nicht Verleumdung (sondern Irrthum) statt; von der Form 3.: (mindestens) zuweilen, wenn der Vertreter eines höheren ideellen Princips von den Vertretern der schon zu einer geschichtlichen Macht gewordenen geringeren Vernünftigkeit zum Tode verurtheilt wurde, war Recht und Unrecht nicht gleichmässig an beide Parteien vertheilt.

§ 89. Die Contraposition (von Einigen Umwendung genannt) ist diejenige Formveränderung, vermöge deren die Glieder des Urtheils ihre Stelle hinsichtlich der Relation desselben wechseln, zugleich aber eins der Glieder die Negation in sich aufnimmt, und auch die Qualität des Urtheils sich verändert. Die Contraposition besteht bei dem kategorischen Urtheil darin, dass das contradictorische Gegentheil des Prädicatsbegriffs zum Subjecte wird, wobei zugleich die Qualität des Urtheils in die entgegengesetzte übergeht; bei dem hypothetischen Urtheil aber darin, dass das contradictorische Gegentheil des bedingten Satzes zum bedingenden Satze wird und an die Stelle einer affirmativen Verbindung zwischen den beiden Urtheilsgliedern eine negative, an die Stelle einer negativen aber eine affirmative tritt. Ueber die innere Berechtigung der Contraposition ist nach den nämlichen Grundsätzen, wie über die der Conversion (s. § 84, S. 282 ff.), zu entscheiden.

Der Terminus: conversio per contrapositionem«, den Boëthius gebraucht (s. oben zu § 82), wo dann »contrapositio« die Umwandlung eines Gliedes in dessen contradictorisches Gegentheil bezeichnet, ist zwar an sich untadelhaft, wofern der Begriff der Conversion weit genug gefasst und definirt wird; doch bedarf es dann noch eines Terminus, um die erste Art der Conversion im weiteren Sinne oder die Conversion im engeren Sinne als solche zu bezeichnen. Boëthius (s. oben zu § 82) nennt dieselbe conversio simplex, was der neueren Logik nicht mehr freisteht, da dieselbe mit diesem Ausdruck die Conversion ohne Quantitätsänderung zu bezeichnen pflegt. Daher ist es für uns angemessener, den Begriff »conversio nur im engeren Sinne zu gebrauchen.

[ocr errors]

Schleiermacher (Dial. S. 286) führt folgendes Beispiel einer Umwendung an: »alle Vögel fliegen; nicht alles, was fliegt, ist Vogel (statt: was nicht fliegt, ist nicht Vogel). Dies beruht jedoch nur auf einem Versehen, nicht auf einer eigenthümlichen, aber doch auch zulässigen Terminologie. Denn die Contraposition, wie abweichend auch etwa im Uebrigen ihr Begriff bestimmt werden möge, muss doch jedenfalls unter den höheren Begriff der unmittelbaren Folgerung fallen; wenn aber das Urtheil gegeben ist: alle S sind P, so kann aus diesem allein niemals durch irgend eine Art von consequentia immediata das Urtheil abgeleitet werden: nicht alle P sind S, oder: einige P sind nicht S (wie denn auch Schleiermacher selbst in jenem Beispiel die Wahrnehmung, dass auch andere Thiere fliegen, als eine neue Voraussetzung aufstellt und dem abzuleitenden Urtheil zum Grunde legt).

§ 90. Durch Contraposition folgt 1. aus dem allgemein bejahenden kategorischen Urtheil (von der Form a) jedes S ist P,

das allgemein verneinende Urtheil (von der Form e): kein Nicht-P ist S (alles, was nicht P ist, ist auch nicht S); und ebenso aus dem allgemein affirmirenden hypothetischen Urtheil: jedesmal, wenn A ist, ist B,

das allgemein negirende: niemals, wenn B nicht ist, ist A (immer, wenn B nicht ist, ist auch A nicht).

Der Beweis kann direkt durch Vergleichung der Sphären geführt werden. Die Sphäre von P im kategorischen, sowie die Sphäre von B im hypothetischen Urtheil umschliesst entweder die Sphäre von S und von A, oder fällt ganz mit derselben zusammen, welche Verhältnisse wieder in dem nämlichen Sinne, wie § 85, S. 285, zu deuten sind; in beiden Fällen aber muss alles, was ausserhalb der Sphäre von P und von B liegt, auch ausserhalb der Sphäre von S und von A liegen, d. h. alles, was nicht P ist, ist auch nicht S, und immer, wenn B nicht ist, ist auch A nicht, was zu beweisen war.

Die Modalität bleibt auch bei der Contraposition sowohl in dieser, als in den übrigen Formen (§§ 91 und 92) aus den gleichen Gründen, wie bei der Conversion, unverändert. Auch finden hinsichtlich der Quantität die Ausdrücke: >contrapositio simplex«, und: »contrapositio per accidens in gleicher Weise, wie bei der Conversion, Anwendung.

Beispiele. Jede regelmässige Figur lässt sich einem Kreise einschreiben (so dass alle ihre Seiten Sehnen werden); jede Figur daher, die sich nicht einem Kreise einschreiben lässt, ist nicht regelmässig. Jedes rechtwinklige Dreieck lässt sich einem Halbkreis einschreiben (so dass die eine Seite desselben Diameter, die beiden anderen aber Sehnen werden); jedes Dreieck daher, welches sich nicht in dieser Weise einem Halbkreis einschreiben lässt, ist nicht rechtwinklig. Wo die rechte Gesinnung ist, da werden auch die rechten Werke gethan; wo daher die rechten Werke nicht gethan werden, da ist auch nicht die rechte Gesinnung. Wo vollkommene Tugend ist, da ist auch volle innere Befriedigung; wo daher nicht volle innere Befriedigung ist, da ist nicht vollkommene Tugend. Jede Sünde widerstreitet dem sittlichen Bewusstsein; was dem sittlichen Bewusstsein nicht widerstreitet, ist nicht Sünde. Jedesmal, wenn im Griechischen das Prädicat den Artikel hat, müssen

« PreviousContinue »