Page images
PDF
EPUB

Die Conversion des disjunctiven Urtheils, möge dasselbe ein kategorisch oder hypothetisch-disjunctives sein, bedarf ebenso wenig, wie die des copulativen oder der übrigen coordinirt zusammengesetzten Urtheile besonderer Regeln, da sich die Normen für dieselbe unmittelbar aus den Normen für die Conversion der einfachen Urtheile ergeben. Das hypothetische Urtheil steht hier auch als Typus für die verwandten Arten der subordinirt zusammengesetzten Urtheile.

§ 85. Durch Conversion folgt 1. aus dem allgemein bejahenden kategorischen Urtheil (von der Form a): jedes S ist P,

das particular bejahende Urtheil (von der Form i): mindestens ein oder einige P sind S (mindestens ein Theil der Sphäre von P ist S),

wollen, das Denken auf ein mechanisches Schema bringen zu wollen, um willkürlich nach diesem zu verfahren, so dass man nur nach dem Schema und nicht nach dem Begriffe zu denken brauche (J. Hoppe, die gesammte Logik, Paderborn 1868), so heisst dies (auch abgesehen von zahlreichen Missverständnissen im Einzelnen) den Standpunkt der logischen Betrachtung völlig verkennen. Mit gleichem Recht könnte man die mathematisch-mechanische Betrachtung als einseitig und willkürlich schelten, wenn sie untersucht, was aus gewissen einfachen Voraussetzungen folge und dabei von anderen Datis absieht, von denen jene in der Wirklichkeit nicht abgesondert vorzukommen pflegen, wenn sie z. B. die Bahn und die Stelle des Falls eines irgendwie geworfenen Körpers nur auf Grund der Gravitation und der Beharrung berechnet, ohne den Miteinfluss des Luftwiderstandes zu erwägen, so dass anscheinend die concrete Anschauung das Resultat genauer zu bestimmen und über die Rechnung zu triumphiren vermag; wollte aber die mathematische Mechanik jenes abstractive Verfahren nicht üben, so würde sie die Bewegungsgesetze überhaupt nicht zu erkennen vermögen und die Wissenschaft würde aufgehoben (oder ausgerottet) sein. Es ist sehr wahr, dass uns gewöhnlich mehr, als Ein Urtheil allein gegeben ist, dass wir über das Verhältniss der Subjects- und Prädicatssphären in demselben anderweitig noch mehr zu wissen pflegen, als das Urtheil, rein als solches betrachtet, besagt. Ist das Urtheil gegeben: alle Menschen sind sterblich, oder das Urtheil: alle Menschen sind sinnlichvernünftige Erdbewohner, so wissen wir ausserdem, dass es auch andere Sterbliche, aber keine anderen sinnlich-vernünftigen Erdbewohner giebt. Wer sich nun an das gerade vorliegende Beispiel hält und dieses anderweitige Wissen mit hinzunimmt, kann freilich ohne die Mühe der Abstraction ein volleres Resultat gewinnen, als nach den Regeln der Logik aus dem Einen gegebenen Urtheil allein folgt, und kann sogar leicht auf Grund seines vermeintlich begrifflichen Verfahrens über den Logiker triumphiren, der sich und Andere mit seinen dürftigen Schemata plage; aber er hebt durch dieses Verfahren nicht eine falsche Logik zu Gunsten einer besseren, sondern die Möglichkeit einer methodisch fortschreitenden logischen Erkenntniss der Denkgesetze selbst auf. Erst nach beendeter Untersuchung, was aus Einem Datum folge, darf die wissenschaftliche Theorie des Denkens andere Data mit in Betracht ziehen.

und ebenso aus dem allgemein affirmirenden hypothetischen Urtheil: jedesmal, wenn A ist, ist B,

das particular affirmirende: mindestens einmal oder einigemal, wenn B ist, ist A (mindestens in einem Theile der Fälle, wo B ist, ist A).

Der Beweis liegt in der Vergleichung der Sphären.

Das gegebene kategorische Urtheil: alle S sind P, setzt (nach § 71) eins der beiden Sphärenverhältnisse voraus, welche durch das Schema:

[blocks in formation]

angedeutet werden; d. h. die Thätigkeit oder Eigenschaft, welche der Prädicatsbegriff P bezeichnet, findet sich an allen denjenigen Gegenständen, welche der Subjectsbegriff S bezeichnet, während ungewiss bleibt, ob sie sich ausserdem auch noch an anderen finde (a, 1) oder nicht (a, 2). Unter der ersten Voraussetzung kann nur von einem Theile der Gegenstände, denen die durch den früheren Prädicatsbegriff P bezeichnete Eigenschaft oder Thätigkeit zukommt, ausgesagt werden, dass sie S sind, unter der zweiten von allen. Welche von beiden Voraussetzungen in einem gegebenen einzelnen Falle zutreffe, kann zwar aus dem allein gegebenen Urtheil: alle S sind P, sofern nicht andere Data hinzutreten, nicht entschieden werden: man bedarf dessen aber auch nicht, um mit Gewissheit den Schluss zu ziehen, der unter beiden Voraussetzungen Wahrheit hat: mindestens einige P sind S; was zu beweisen war.

Ebenso setzt das gegebene hypothetische Urtheil: jedesmal, wenn A ist, ist B, eins der beiden Sphärenverhältnisse voraus, deren Schema ist:

[blocks in formation]

D. h. das durch B bezeichnete Verhältniss findet sich überall da, wo A vorkommt, während ungewiss bleibt, ob ausserdem noch in

anderen Fällen (1) oder nicht (2). Unter beiden Voraussetzungen aber gilt mit gleicher Wahrheit der Schluss: mindestens in einem Theile der Fälle, wo B ist, ist A, was zu beweisen war. Es giebt, dem Obigen zufolge, Fälle, wo die Umkehrung in das allgemeine Urtheil: alle P sind S, oder: jedesmal, wenn B ist, ist A, Gültigkeit hat; dass aber ein solcher Fall vorliege, bedarf jedesmal eines besonderen Beweises, der nur dann geführt werden kann, wenn ausser dem in solcher Weise umzukehrenden Urtheil noch andere Data vorliegen.

Die Umkehrung ohne Aenderung der Quantität wird von den neueren Logikern reine Umkehrung (conversio simplex), und die mit Quantitätsänderung verbundene unreine (conversio per accidens) genannt. Diejenigen allgemein bejahenden Urtheile, welche die reine oder einfache Umkehrung zulassen, heissen reciprocabel.

Hat das gegebene Urtheil nur problematische Gültigkeit, oder hat es apodiktische Gewissheit, so kommt die gleiche Modalität auch dem durch die Umkehrung gewonnenen Urtheil zu. Denn der Grad und die Art der Wahrscheinlichkeit oder Gewissheit, welchen für uns das gegebene Urtheil hat, muss auch auf das gefolgerte Urtheil übergehen, dessen Gültigkeit ganz von der des ersteren abhängig ist.

Beispiele: Ist der Satz wahr: jede wahre Tugend harmonirt (ausser mit den objectiven Normen, auch) mit dem eigenen sittlichen Bewusstsein, so muss auch wahr sein: einiges, was mit dem eigenen sittlichen Bewusstsein harmonirt, ist wahre Tugend; aber es folgt nicht, dass alles, was damit harmonirt, Tugend sei. Ist der Satz wahr: damit eine Handlung sündhaft im vollen Sinne sei, muss sie (auch) dem eigenen sittlichen Bewusstsein widerstreiten (oder: wenn sie sündhaft ist, so widerstreitet sie etc.), so ist auch der Satz wahr: (mindestens) in einigen Fällen, wenn eine Handlung dem eigenen sittlichen Bewusstsein widerstreitet, ist sie sündhaft: aber es folgt nicht das Gleiche für alle Fälle. Aus dem Satze: jedesmal, wenn im Griechischen das Prädicat den Artikel hat, decken einander die Sphären des Subjects- und Prädicatsbegriffs, folgt der Satz: mindestens in einigen der Fälle, in welchen die Sphären des Subjects- und Prädicatsbegriffs einander decken, hat im Griechischen das Prädicat den Artikel (nämlich dann hat es denselben, wenn diese Coincidenz nicht nur stattfindet, sondern auch ausdrücklich bezeichnet werden soll, dass aber der umgekehrte Satz mit dieser Einschränkung gelte, muss anderweitig erkannt werden); aus dem gegebenen Satze folgt nur die Gültigkeit der Umkehrung in

>mindestens einigen Fällen; ob sie nur in einigen, oder in allen gelte, und, falls sie nur in einigen gilt, in welchen sie gelte, lässt sich aus dem Einen gegebenen Satze allein nicht ermitteln.

Die reine Umkehrbarkeit ist eine Bedingung der Richtigkeit der Definitionen (worauf schon oben zu § 62, S. 177 vorläufig aufmerksam gemacht worden ist). Denn die Definition ist nur dann adäquat, wenn das Definiendum (S) und das Definiens (P) Wechselbegriffe sind, also den nämlichen Umfang haben; in diesem Falle aber kann ebensowohl P von S, wie S von P, allgemein prädicirt werden. Doch ist die Definition nicht der einzige Fall, in welchem allgemein bejahende Urtheile eine reine Umkehrung zulassen. Fast alle geometrischen Sätze sind auch in umgekehrter Form allgemein wahr; aber dies muss, da es aus den logischen Gesetzen über die Umkehrung allein noch nicht folgt, bei jedem einzelnen Satze durch einen besonderen geometrischen Beweis dargethan werden. Der Satz aber: alle congruenten Dreiecke sind auch Dreiecke von gleichem Inhalt, lässt nur die unreine Umkehrung zu: einige Dreiecke von gleichem Inhalt sind auch congruent. Ebenso lässt sich der Satz: alle Parallelogramme von gleicher Grundlinie und Höhe sind Parallelogramme von gleichem Inhalt, nur dahin convertiren: einige Parallelogramme von gleichem Inhalt haben gleiche Grundlinie und Höhe. In Bezug auf die algebraischen Sätze muss beachtet werden, dass der mathematische Gleichheitsbegriff mit der logischen Copula nicht identisch ist. Die reine Umkehrung von: alles a = b, lautet nicht alles b = a, sondern: alles, was gleich b ist, ist a. Zu dieser reinen Umkehrung giebt aber die Logik kein Recht, und auch die mathematische Betrachtung führt nur entweder zu dem Satze: alles b = a oder zu dem Satze: alles, was gleich b ist, ist gleich a. Gleiche Quanta sind zwar in Hinsicht auf die Quantität identisch; aber wir dürfen sie nicht schlechthin identificiren, sofern auch die verschiedenen Beziehungen, die in den verschiedenen Ausdrücken liegen, von Bedeutung sind.

Die vorstehenden Regeln über die Umkehrung würden falsch sein, wenn Herbart's Meinung (Lehrbuch zur Einl. in die Philos. § 53), welche auch Drobisch (Log. 2. A. S. 54, 3. 11. 4. A. S. 59 ff.) und Beneke (Log. I, S. 165) theilen, richtig wäre, dass nämlich die Wahrheit des bejahenden kategorischen Urtheils nicht durch die wirkliche Existenz des im Subjectsbegriffe gedachten Objectes bedingt sei, sondern jedes derartige Urtheil nur hypothetisch, unter Voraussetzung der Aufstellung des Subjectes, gelte. Herbart selbst fühlt die hieraus erwachsende Schwierigkeit, die er besser darzulegen, als zu beseitigen weiss (Lehrb. § 59, Anm.). Um an das Herbart'sche Beispiel anzuknüpfen: der Zorn der Homerischen Götter wenn es einen solchen giebt - ist furchtbar. Da aber derselbe als blosse Dichtung nicht reale Existenz hat, wohl aber manches Furchtbare in Wirklichkeit existirt, so folgt nicht die Wahrheit der Umkehrung: einiges Furchtbare wenn es solches giebt ist der Zorn der Homerischen Götter. In der That aber schliesst die Wahrheit des bejahenden kategorischen Urtheils allerdings die Richtig

keit der Voraussetzung, dass der durch das Subject bezeichnete Gegenstand existire, in sich ein. Beziehen wir also jene Aussage über den Zorn der Götter auf die äussere Wirklichkeit, so ist sie gerade darum, weil jener Zorn nicht existirt, eben so falsch, wie die Umkehrung; sofern wir aber der Homerischen Götterwelt eine ideale Wirklichkeit zuerkennen, so ist in diesem Sinne der Satz und die Umkehrung gleich wahr, so dass die Regeln über die Umkehrung sich auch in dieser Anwendung als zutreffend bewähren. Vgl. § 68 und § 94. Uebrigens gelten auch die hier und in den nächstfolgenden Paragraphen aufgestellten Regeln über die Umkehrung des hypothetischen Urtheils und deren Beweise nur unter der Voraussetzung, dass der bedingende Satz wirklich vorkommende Fälle bezeichne; der durch jedesmal wenn<< mit dem Indicativ ausgedrückte hypothetische Satz involvirt in der That diese Voraussetzung ebenso, wie das kategorische Urtheil die Voraussetzung der Existenz des Subjectes involvirt, sofern nicht der Zusammenhang auf eine bloss fingirte Wirklichkeit hinweist oder die Clausel falls dies überhaupt geschieht hinzuzudenken ist.

Was die Modalität betrifft, so kann freilich das Urtheil: alle S sind P, ungewiss sein, und dennoch das Urtheil gewiss: einige P sind S. Dies wird dann der Fall sein, wenn gewiss ist, dass einige S P sind, und die Ungewissheit des allgemeinen Urtheils sich nur auf die übrigen S bezieht. Aber dann folgt die Gewissheit der Umkehrung auch nicht aus der Ungewissheit des allgemein bejahenden, sondern aus der Gewissheit des particular bejahenden Urtheils (s. § 86), also aus einem anderweitig hinzugekommenen Datum. Wissen wir nur das Eine, dass es ungewiss ist, ob alle S P sind, so haben wir auch darüber keine Gewissheit, ob einige oder vielleicht gar keine S P sind; also bleibt auch ungewiss, ob einige P S seien.

Der Gebrauch der Kreise als Hülfsmittel der Beweisführung in der Schlusslehre, insbesondere der eigentlichen Syllogistik, wurde von neueren Logikern (z. B. von Maass, J. D. Gergonne, Bachmann und Bolzano) auf Euler (Lettres à une princesse d'Allemagne sur quelques sujets de physique et de philosophie, 1768-72, II, S. 106) zurückgeführt; mit Recht aber hat Drobisch (Log. 2. A. S. 94. 3. A S. 96. 4. A. S. 98) darauf aufmerksam gemacht, dass nach der Angabe Lambert's (Architektonik I, S. 128) Joh. Chr. Lange in seinem Nucleus Logicae Weisianae, 1712 sich schon der Kreise bediene, und Christ. Weise, Gymnasialrector zu Zittau (gest. 1708) der wahrscheinliche Erfinder sei. Die Beweisführung mittelst directer Sphärenvergleichung konnte erst zu der Zeit aufkommen, als schon (besonders durch den Cartesianismus) in der Syllogistik die Autorität jener Aristotelischen Reductionsmethode (wovon unten § 105; § 113 ff.) gebrochen war, welche abgesehen von einigen selbständigen Beweisversuchen der ersten Peripatetiker und des Neuplatonikers Maximus (s. Prantl, Gesch. der Log. I, S. 362; 639), während des späteren Alterthums und des Mittelalters unbedingt herrschte. Die der Cartesianischen Schule angehörige Logique ou l'art de penser (zuerst 1662 erschienen) lehrt zwar noch gewisse

« PreviousContinue »