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geschehen möge. Auch an den neuen Darstellungen der Logik von Sigwart und Lotze wird in dieser Hinsicht die ein Logisches und Empirisches unmittelbar zusammen nehmende Auffassung des logischen Causalgesetzes getadelt. Durch seine Schrift will Planck zeigen, dass auch auf dem logisch-kritischen Gebiete die letzte und tiefgreifendste Entscheidung jetzt erst da ist, nämlich: jene vollständige und consequente Scheidung des Logischen vom Realen, die Kant nur angestrebt, und statt welcher er durch das gerade Gegentheil, die durchgängige Verkehrung und Veräusserlichung der reinen und universellen Denkformen in einen beschränkt empirischen Verstand gesetzt habe. Das Dargebotene bezeichnet Verf. nur als einen Theil einer ausgearbeiteten kritischen Neugestaltung der gesammten Logik.

Auch Sigwart hebt in s. Logik Bd. 1. Th. 1. Abschn. 6. § 32. Das Gesetz des Grundes S. 203. ff. hervor, dass das sog. Gesetz des Grundes in seiner ursprünglichen Fassung bei Leibniz kein logisches Gesetz, sondern ein metaphysisches Axiom sei, das nur auf einen Theil unserer Urtheile Bezug hat. Im Uebrigen bemerkt er in Betreff des Gesetzes: Sofern jedes Urtheil die Gewissheit seiner Gültigkeit voraussetzt, kann der Satz aufgestellt werden, es werde kein Urtheil ausgesprochen ohne einen psychologischen Grund seiner Gewissheit; und sofern es nur berechtigt ist, wenn es logisch nothwendig ist, behauptet jedes Urtheil einen logischen Grund zu haben, der es für jeden Denkenden nothwendig macht. Es erhebt aber damit nur einen Anspruch, dessen Recht zu untersuchen eben Aufgabe der Logik ist. Das Wesen der Nothwendigkeit im Denken spricht der Satz aus, dass mit dem Grunde die Folge nothwendig gesetzt, mit der Folge der Grund aufgehoben sei. Dieser Satz vom Grund und der Folge entspricht dem Satze der Verneinung als ein fundamentales Functionsgesetz unseres Denkens.

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Auf die wechselnden Schicksale des Satzes vom Grunde hat auch Wundt, Logik Bd. 1. Abschn. 6. Cap. 1. 1. d. S. 510. ff. treffend also hingewiesen: Langsam löste er sich ab von dem Causalgesetz, um, während dieses auf den Zusammenhang der Erfahrungen gehe, als ein Princip betrachtet zu werden, welches die Verbindung unserer Erkenntnisse beherrsche. Nachdem diese Unterscheidung vollzogen war, galt er aber zunächst nicht als ein logisches, sondern als ein metaphysisches Axiom, und als man endlich begann ihn für die Logik in Anspruch zu nehmen, wiederholten sich fortwährend Bestrebungen, ihn aus den allgemeineren Sätzen der Identität und des Widerspruchs abzuleiten. (Eine Note S. 514 bemerkt, dass solche Auffassung vertreten sei z. B. von W. Hamilton, Logic. 3. edit. p. 86 note; - Riehl, Der philos. Kriticism. Bd. 2. S. 236; 0. Schmitz-Dumont, Die mathem. Elemente der Erkenntnisstheorie S. 53.)

Nach Lotze's eigenthümlicher Bemerkung (Syst. d. Philos. Bd. 1. Logik, Buch 1. Cap. 2. 63. S. 87 soll das unendlich oft erwähnte Gesetz des zureichenden Grundes das wunderliche Schicksal gehabt haben, auch von Denen, die am häufigsten sich auf es beriefen, eigent

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lich niemals formulirt zu werden. Denn die gewöhnliche Anweisung, zu jedem Gültigkeit verlangenden Ausspruche müsse man einen Grund seiner Geltung suchen, vergesse, dass man das nicht suchen könne, von dem man nicht wisse, worin es bestehe; zuerst müsse offenbar klar gemacht werden, in welchem Verhältniss Grund und Folge zu einander stehen, und in welchem Inhalt man folglich den Grund für einen andern zu entdecken hoffen dürfe. Ich werde im kürzesten deutlich sein fährt Lotze fort wenn ich im Vergleich mit dem Ausdruck des Identitätssatzes A = A sogleich die Formel A + B C als Bezeichnung des Satzes vom Grunde aufstelle und folgende Erklärung hinzufüge. Für sich allein würde A nur = A, B B sein; aber nichts hindert, dass eine bestimmte Verbindung A + B, deren in verschiedenen Fällen sehr verschiedenartiger Sinn hier symbolisch das Additionszeichen vertritt, dem einfachen Inhalt der neuen Vorstellung C äquivalent oder identisch sei. Nennen wir dann A + B den Grund und C die Folge, so sind Grund und Folge völlig identisch, und der eine ist die andere; man hat in diesem Falle unter A + B ein beliebiges Subject sammt der Bedingung, von der es beeinflusst wird, unter C aber nicht ein neues Folgeprädicat dieses Subjectes, sondern das Subject selbst in seiner durch dies Prädicat veränderten Gestalt zu verstehen. Wenn wir mit der Vorstellung A des Pulvers die Vorstellung B der hohen Temperatur des glühenden Funkens verbinden, mithin in A das Merkmal der gewöhnlichen Temperatur durch das der erhöhten B ersetzen, so ist dieses A + B die Vorstellung C des explodirenden Pulvers, nicht der Explosion überhaupt. Der gewöhnliche Sprachgebrauch verfahre anders, meine aber unter anderen Benennungen dasselbe.

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§ 82. Die Formen der unmittelbaren Schlüsse sind: theils die Ableitung eines Urtheils aus einem Begriff d. h. die analytische Urtheilsbildung, theils die Ableitung eines Urtheils aus einem Urtheil, welche wiederum sieben Arten hat, nämlich: 1. Conversion, 2. Contraposition, 3. Umwandlung der Relation, 4. Subalternation, 5. Aequipollenz, 6. Opposition, 7. modale Consequenz. Die Conversion geht auf die Stelle der Elemente des Urtheils in demselben hinsichtlich der Relation desselben und mittelbar auch oft auf die Quantität; die Contraposition geht gleichfalls auf die Stelle der Elemente des Urtheils in demselben hinsichtlich der Relation desselben, zugleich aber auch auf die Qualität und mittelbar auch oft auf die Quantität; die Umwandlung der Relation geht auf die Relation selbst. Die Subalternation betrifft die Quantität. Die Aequipollenz bezieht sich auf die Qualität; die Opposition auf die Qualität und

mittelbar auch oft auf die Quantität. Die modale Consequenz geht auf die Modalität der Urtheile. Alle diese Ableitungen beruhen auf den Grundsätzen der Identität und der contradictorischen Disjunction.

Aristoteles erörtert die Conversion (αντιστρέφειν, ἀντιστροφή), die er in den Dienst der Syllogistik stellt, Anal. pri. I, 2; 13; 17, das Verhältniss der Opposition (avtizɛìovαı) de interpr. c. 7 ff. und die modale Consequenz de interpr. c. 13. Die Subalternation kennt Aristoteles nur als ein Element der syllogistischen Schlussbildung, nicht als eine selbständige Form. Aristoteles sagt de interpret. c. 10. 20 a. 39, der Satz: jeder Nicht-Mensch ist ein Nicht-Gerechter, sei gleichbedeutend mit dem Satze: kein Nichtmensch ist gerecht. Hierin liegt die qualitative Aequipollenz. Der Name der Aequipollenz aber (auf gleichgeltende Urtheile im weiteren Sinne bezogen) lässt sich zuerst bei Galenus nachweisen, welcher eine Schrift περὶ τῶν ἰσοδυναμουσῶν лоτάσεv verfasst hat. Galenus unterscheidet auch bereits zwischen ἀντιστρέφειν, worunter er die Contraposition versteht, und αναστρέφειν, welches bei ihm die Conversion bezeichnet; er gebraucht beide Termini sowohl in der Anwendung auf kategorische, als auch auf hypothetische Urtheile. Bei Appuleius findet sich zuerst der lateinische Terminus aequipollens mit der Definition: aequipollentes autem dicuntur (propositiones), quae alia enunciatione tantundem possunt et simul verae fiunt aut simul falsae, altera ob alteram scilicet. Boëthius nennt die gleichgeltenden Urtheile iudicia convenientia oder consentientia; er gebraucht den Terminus conversio per contrapositionem für die Contraposition, und nennt die Conversion im engeren Sinne conversio simplex; diese letztere geschehe entweder principaliter, d. h. ohne Aenderung der Quantität, oder per accidens, d. h. mit Aenderung der Quantität. Im Uebrigen findet sich bei Boëthius schon ganz die Terminologie der scholastischen und der modernen formalen Logik. (S. Prantl, Gesch. der Logik I, S. 568 ff.; 583; 692 ff.) Wolff nennt die unmittelbaren Schlüsse nicht ratiocinia oder ratiocinationes (weil er unter der ratiocinatio nur die Ableitung eines dritten Urtheils aus zwei gegebenen versteht), sondern consequentias immediatas (Log. § 459); er erklärt dieselben für verkürzte hypothetische Syllogismen (§ 460) und trägt demgemäss auch die Lehre von denselben erst nach der Syllogistik vor. Kant (Log. § 41 ff.) und mit ihm die meisten späteren Logiker befolgen wiederum die entgegengesetzte Ordnung. Die Eintheilung der unmittelbaren Schlüsse gründet Kant auf seine Kategorientafel: auf der Quantität beruht nach seiner Ansicht die Subalternation, auf der Qualität die Opposition (während die Aequipollenz nur eine Veränderung des Ausdrucks in Worten, nicht der Form des Urtheils sei), auf der Relation die Conversion, auf der Modalität die Contraposition. Die späteren Logiker haben meist das Princip der Kantischen Eintheilung festgehalten, aber die mehrfachen Ungenauig

keiten, die in der Kantischen Anwendung desselben liegen, mit grösserem oder geringerem Erfolge zu beseitigen gesucht. Die analytische Urtheilsbildung pflegt nicht den unmittelbaren Schlüssen zugerechnet zu werden (und wurde es auch noch in der 1. Aufl. dieser Logik nicht), gehört aber hierher.

§ 83. Die analytische Urtheilsbildung beruht auf dem Satze (§ 76), dass jedes Merkmal als Prädicat gesetzt werden kann. Die Unterscheidung des synthetischen und des analytischen Urtheilens betrifft die Genesis der Urtheile. Jedes Urtheil ist insofern synthetisch, als es, der Definition zufolge, das Bewusstsein über die reale Gültigkeit einer Verbindung (Synthesis) von Vorstellungen ist. Aber die Synthesis der Glieder des Urtheils kann auf verschiedene Weise entstanden sein, entweder unmittelbar durch Combination der betreffenden Vorstellungen, oder mittelbar durch Analysis einer früher gebildeten Gesammtvorstellung, in welcher die Glieder des Urtheils in unentwickelter Form bereits enthalten waren. In jenem Falle ist die Urtheilsbildung synthetisch, in diesem analytisch. Das nur aus dem Subjectsbegriff abgeleitete analytische Urtheil gilt immer nur unter der Voraussetzung dieses Subjectsbegriffes; die Gültigkeit des Subjectsbegriffes selbst kann niemals aus demselben erschlossen werden.

In jedem Urtheil ist das Subject die anderweitig zwar bestimmte, hinsichtlich des Prädicates aber noch unbestimmte Vorstellung. In den Sätzen: dieser Angeklagte ist schuldig; dieser Angeklagte ist nicht schuldig ist das Subject die Vorstellung des Angeklagten sofern derselbe diese bestimmte Person ist, die unter der Anklage steht, während für die Verknüpfung der Vorstellung der Schuld mit der Subjectsvorstellung in dieser gleichsam nur eine offene Stelle vorhanden ist, d. h. eine Unbestimmtheit, die im affirmativen oder negativen Sinne bestimmt werden kann und durch die Zuerkennung oder Aberkennung des Prädicatsbegriffs bestimmt wird. Ganz ebenso ist in dem Urtheil: die Erde ist ein Planet das Subject die Erde, sofern sie anderweitig bestimmt ist, etwa als γῆ ευρύστερνος, πάντων ¿dos àσpalès alɛí, aber hinsichtlich dessen, was das Prädicat besagt, noch unbestimmt ist. Die Urtheile: Eisen ist Metall; jeder Körper ist ausgedehnt; das Quadrat ist ein Parallelogramm haben Sinn und Bedeutung nur insofern, als der, welcher sie bildet, im Subjectsbegriff für die im Prädicat gegebene Bestimmung nur erst eine offene Stelle, aber noch nicht diese Bestimmung selbst kennt, also das Eisen etwa nur auf Grund der unmittelbaren sinnlichen Anschauung vorstellt,

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unter dem Körper aber das wahrnehmbare Ding versteht, von dem es zunächst noch dahinsteht, ob dasselbe immer auch ausgedehnt sei oder nicht, das Quadrat als gleichseitiges rechtwinkliges Viereck vorstellt, ohne dabei des Parallelismus der einander gegenüberliegenden Seiten sich bereits bewusst zu sein; in einer Nominal-Definition wird das Subject für sich nur als das den betreffenden Namen tragende Ding gedacht; das Prädicat bringt dann die nähere Bestimmung dessen hinzu, was in der Subjectsvorstellung noch unbestimmt geblieben war. Somit sind alle diese Urtheile ihrem eigenen Charakter nach synthetisch, und nur der Weg, auf welchem der Urtheilende zu der Synthesis der Urtheilsglieder gelangt, kann ein verschiedener sein. Der Recurs auf die Definition des Subjectsbegriffs bei der analytischen Urtheilsbildung hat die Bedeutung, Momente in's Bewusstsein zu rufen, die, so lange noch bloss das Subject als solches vorgestellt wurde, nicht mitgedacht worden waren; die Analysis des hierdurch vervollständigten Subjectsbegriffs ergiebt dann das Prädicat des Urtheils. Bei der synthetischen Urtheilsbildung kann entweder unmittelbar auf Grund der Wahrnehmung die Synthesis erfolgen, oder mittelbar durch ein Schliessen, welches wiederum entweder auf anderweitig bekannte Umstände sich stützt (wie bei dem Indicienbeweis für die Schuld eines Angeklagten) oder auf die im Subjectsbegriff selbst ausdrücklich gedachten Merkmale, indem aus diesen auf Grund eines causalen Abhängigkeitsverhältnisses die nothwendige Zugehörigkeit der im Prädicat gedachten Merkmale erkannt wird (z. B. aus der Gleichseitigkeit eines Dreiecks die Gleichwinkligkeit desselben); die letztbezeichnete Weise findet oft da statt, wo Kant von Synthesis a priori redet.

Auf Grund des Aristotelischen Satzes des Widerspruchs erklärt u. A. schon Thomas von Aquino (Summa theol. I, 2, 1) identische Sätze für absolut gewiss. Vgl. Arist. de interpr. c. 11. Später bahnten Locke's Bemerkungen (Ess. IV, 8; cf. 3; 7) über die propositiones frivolae, deren Prädicat nur den Subjectsbegriff oder einzelne Elemente desselben wiederhole, und Hume's Unterscheidung (Enqu. IV.; vgl. Locke's Annahmen IV, 4, 6) zwischen den Beziehungen der Begriffe, wohin die mathematischen Sätze zu rechnen seien, und den Thatsachen der Erfahrung die Kantische Unterscheidung an. Leibniz (Nouv. ess. IV, 2; Monadologie, § 35) hält dafür, dass alle primitiven Vernunftwahrheiten identische Sätze seien. Wolff's Begriff des Axioms als der propositio theoretica indemonstrabilis (Log. § 267) fasst jedoch ausser den identischen Sätzen auch diejenigen unter sich, welche bloss aus identischen Sätzen durch Analyse und Combination abgeleitet werden (Log. § 268; 270; 273; cf. 264). Uebrigens verbirgt sich bei Wolff an den Stellen seiner Logik, wo er das hier in Frage kommende Verhältniss berührt (§ 261 ff.), hinter der Unbestimmtheit des Ausdrucks diejenige Schwierigkeit, welche später Kant durch die Unterscheidung der analytischen und synthetischen Urtheile hervorhebt. Wolff sagt (§ 262): propositio illa indemonstrabilis dicitur, cuius subiecto convenire vel non convenire praedicatum terminis intellectis patet‹. Was es

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