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besteht nicht ein contradictorischer, sondern ein conträrer Gegensatz (was auch bereits Kant mit Recht bemerkt in seinem »Versuch, den Begriff der negativen Grössen in die Weltweisheit einzuführen«, 1763, verm. Schriften, hrsg. v. Tieftrunk, I, S. 265 ff.). Die negative Grösse A ist keineswegs mit der logischen Verneinung des + A identisch. Eine Grösse braucht nicht entweder = + A oder =- A zu sein, wohl aber entweder A oder nicht + A, und ebenso entweder =- A oder nicht- A, und ihrem absoluten Werthe nach, abgesehen von dem Vorzeichen, entweder = A oder nicht = A. Mit Recht hält Herbart und seine Schule an der Gültigkeit des Grundsatzes vom ausgeschlossenen Dritten fest. S. Herbart, L. z. Einl. in die Phil. § 39; commentatio de principio logico exclusi medii inter contradictoria non negligendo, Gotting. 1833; cf. Hartenstein, Diss. de methodo philosophica logicae legibus adstringenda, finibus non terminanda, Lips. 1835; Drobisch, Logik, 2. A. § 57, 3. A. § 60.

Lotze in s. Syst. d. Philos. Bd. 1. Logik. Buch 1. Cap. 2. C. S. 98 hat darzuthun gesucht, dass der genaue Ausdruck des Satzes vom ausgeschlossenen Dritten sein würde: von jedem genau bestimmten Subject S gilt entweder die Bejahung oder die Verneinung eines ebenso bestimmten Prädicats Q, und es gibt keine dritte Möglichkeit; überall, wo eine solche stattzufinden scheint, ist S oder Q oder beide entweder von Anfang an mehrdeutig und unbestimmt gefasst oder ihre Bedeutung im Lauf der Ueberlegung unbewusst oder unwillkürlich verändert worden.

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Sigwart in s. Logik Bd. 1. Th. 1. Abschn. 4. Die Verneinung stellt § 24 den Satz der doppelten Verneinung dem Satz des ausgeschlossenen Dritten § 25 S. 157 ff. voran. Das Wesen der Verneinung soll nur dann vollständig erschöpft sein, wenn zu dem Satze des Widerspruchs der Satz hinzutritt, dass die Verneinung der Verneinung bejahe. Aus dem Satze des Widerspruchs und dem Satze der doppelten Verneinung lautet dann § 25 folgt von selbst, dass von zwei contradictorisch entgegengesetzten Urtheilen das eine nothwendig wahr ist, dass es also neben Bejahung und Verneinung keine dritte Aussage gibt, neben der jene beiden falsch wären. Dies ist der Satz vom ausgeschlossenen Dritten, der demnach, wie die beiden voran"gehenden, nur das Wesen und die Bedeutung der Verneinung weiter zu entwickeln bestimmt ist. Die gewöhnliche Fassung des Principium exclusi tertii durch die Formel Quid A est aut B aut non B, wonach jedem Subjecte von zwei contradictorisch entgegen gesetzten Prädicaten eines zukommt, ist ebenso von dem ursprünglichen und echten Satze des ausgeschlossenen Dritten verschieden, wie das gewöhnliche Principium contradictionis von dem Satze des Widerspruchs.< Auch Bergmann Allgem. Logik, Th. 1. Abschn. 2. § 23 hat eine neue, von Sigwart abweichende Formulirung des Satzes versucht.

Im Gegensatz dazu will Wundt, Logik, Bd. 1. Abschn. 6. Cap. 1. 1. c. S. 508, an dem Aristoteles wesentlich festhaltend, dem Satz des ausgeschlossenen Dritten eine selbständige Bedeutung zuerkennen.

>Später bemerkt Wundt hat man ihn zuweilen für entbehrlich angesehen, indem man meinte, er ergebe sich von selbst, wenn man das Identitätsgesetz mit dem Satz des Widerspruchs verbinde. Wäre dies richtig, so müsste in der Aristotelischen Formel A B und A = non-B widersprechen sich«, da dieselbe das positive und negative Urtheil, die einander entgegengesetzt sind, enthält, auch unmittelbar der Satz des ausgeschlossenen Dritten enthalten sein: A ist entweder B oder non-B. Dies ist aber nicht der Fall; die Erklärung, dass B und non-B sich widersprechen, schliesst nicht aus, dass es neben beiden noch ein Drittes gebe. Ebenso wenig folgt dies aus der Aufhebung der doppelten Verneinung (Sig wart). Denn diese zeigt nur an, dass man durch die Häufung der Verneinungen keine neue logische Function neben Bejahung und Verneinung erzeugen kann; es bleibt aber dahingestellt, ob nicht neben der Verneinung noch eine andere Form der Aufhebung eines positiven Begriffs existirt. Dass dies nicht der Fall ist, sagt eben der Satz des ausgeschlossenen Dritten. Dagegen setzt dieser die Gesetze der Identität und des Widerspruchs voraus, und wenn es daher durchaus darauf ankäme, die drei logischen Axiome auf eines zurückzuführen, so wäre dazu, wie Schopenhauer (Die Welt als Wille u. Vorst. Bd. II. Cap. 9) richtig erkannt hat, kein anderes als der Satz des ausgeschlossenen Dritten geeignet. Gleichwohl würde sich diese Reduction kaum empfehlen. Denn auch hier findet in dem neuen Gesetz zunächst die neue logische Function, welche durch dasselbe bestimmt wird, ihren Ausdruck, und es entsteht daher durch eine derartige Ableitung das Missverhältniss, dass man mit einem secundären Gesetz des Denkens zuerst bekannt wird. Die Eigenschaft der drei logischen Axiome, dass jedes die ihm vorangegangenen fordert und daneben doch noch eine besondere Thatsache des Denkens zur Geltung bringt, darf nicht mit dem Grade der Allgemeinheit der Denkgesetze verwechselt werden. Nicht dasjenige Axiom ist das allgemeinste, welches die meisten, sondern dasjenige, welches die wenigsten Voraussetzungen in sich schliesst. Von diesem Gesichtspunkte aus ist aber die Behandlung der Axiome in der oben eingehaltenen Reihenfolge (Satz der Identität, des Widerspruchs, vom ausgeschlossenen Dritten) geboten.<

§ 79. Der Grundsatz des Widerspruchs und der Grundsatz des ausgeschlossenen Dritten lassen sich in der Formel zusammenfassen: A ist entweder B oder ist nicht B; jedem Subjecte kommt jedes fragliche Prädicat entweder zu oder nicht; oder: von contradictorisch einander entgegengesetzten Urtheilen ist jedesmal das eine wahr, das andere falsch; oder: auf jede völlig bestimmte und allemal in dem gleichen Sinne verstandene Frage, die auf die Zugehörigkeit eines bestimmten Prädicates zu einem bestimmten Subjecte geht, muss entweder ja oder nein geantwortet werden. Diese Formeln

enthalten den Satz des Widerspruchs, indem sie zwei einander ausschliessende Glieder statuiren, also aussagen, dass Bejahung und Verneinung des Nämlichen nicht zusammen wahr sei; A ist entweder B oder ist nicht B. Sie enthalten aber auch den Satz des ausgeschlossenen Dritten, indem sie nur zwei einander ausschliessende Glieder statuiren, also aussagen, dass jedes Dritte neben Bejahung und Verneinung des Nämlichen unzulässig, also nicht beides falsch, sondern irgend eins der beiden Glieder wahr sei: A ist entweder B oder ist nicht B; es giebt kein Drittes. Die Zusammenfassung der Grundsätze des Widerspruchs und des ausgeschlossenen Dritten in den vorstehenden Formeln mag das Princip der contradictorischen Disjunction (principium disiunctionis contradictoriae) genannt werden.

Die vernunftgemässe Fragestellung ist auch bei der Anwendung dieses Princips wiederum die natürliche Voraussetzung.

Das Hinüberziehen der Verneinung zum Prädicate: A ist entweder B oder non-B, ist nicht falsch, wofern unter non-B nur der contradictorische Gegensatz verstanden wird, ist aber eine unnütze Künstelei, die leicht die falsche Deutung auf den conträren Gegensatz veranlasst.

Die einfachste metaphysische Formel des Princips der contradictorischen Disjunction findet sich schon bei Parmenides (fragm. vs. 72. ed. Mullach; ap. Simplic. ad Arist. Phys. fol. 31 B): čuv ovx čour, jedoch hier nur im Sinne des Satzes vom Widerspruch, so dass die gemeinsame Wahrheit der Behauptung des Seins und des Nichtseins dadurch abgewiesen wird: Sein und Nichtsein können nicht zusammenbestehen, das Eine schliesst das Andere aus. Aristoteles hingegen gebraucht die zusammenfassende Formel vorwiegend im Sinne des Satzes vom ausgeschlossenen Dritten. Metaph. III, 7. 1011 b. 23: àààà μhy οὐδὲ μεταξὺ ἀντιφάσεως ἐνδέχεται εἶναι οὐθέν, ἀλλ' ἀνάγκη ἢ φάναι ἡ ἀποφάναι ἓν καθ' ἑνὸς ὁτιοῦν. Ib. 8. 1012 b. 11: πᾶν ἢ φάναι ἢ ἀποφάναι ἀναγκαῖον. Categ. c. 10. 13 b. 27: ἐπὶ τῆς καταφάσεως καὶ τῆς ἀποφάσεως ἀεὶ τὸ ἕτερον ἔσται ψεῦδος καὶ τὸ ἕτερον ἀληθές. Cf. Anal. post. I, 11. 77 a. 22: τὸ δ' ἅπαν φάναι ἢ ἀποφάναι ἡ εἰς τὸ ἀδύνατον ἀπόδειξις λαμβάνει. Aristoteles sucht den Satz auf Grund der Voraussetzung, dass nicht das Nämliche sein und auch nicht sein könne, aus den Definitionen der Wahrheit und Unwahrheit herzuleiten. Jedes Urtheil muss (da es eine subjective Behauptung über das objective Sein ist) unter eine der vier Combinationsformen fallen: das Seiende verneinen, das Nichtseiende bejahen; das Seiende bejahen, das Nichtseiende verneinen. Hiervon sind die beiden ersten falsch, die beiden letzten wahr (weil in jenen der Gedanke von der Wirklichkeit abweicht, in

diesen ihr entspricht). Es ist also unter Voraussetzung des Seins die eine Aussage wahr, die andere falsch, und unter Voraussetzung des Nichtseins ebenso. (Also ist jedenfalls entweder die Bejahung oder die Verneinung wahr, und daher, da doch Wahrheit unser Ziel ist, ĥ qávai ἢ ἀποφάναι ἀναγκαῖον, aber nicht beides falsch und ein Drittes, Mittleres wahr; für ein Mittleres ist kein Raum mehr geblieben; es müsste, wenn es wahr oder auch nur überhaupt denkbar sein und eine Beziehung auf Wahrheit und Unwahrheit, wie sie jedem Urtheil wesentlich ist, haben sollte, selbst eins jener Combinationsglieder sein, was es doch seinem Begriffe nach nicht ist; denn) es wird (in dem Mittleren) weder das Seiende verneint oder bejaht, noch das Nichtseiende. In dieser Weise scheint die unvollständig ausgedrückte Argumentation des Aristoteles gegen das Mittlere, Metaph. III, 7. 1011 b. 25 u. 1012 a. 2 aufgefasst und ergänzt werden zu müssen. Leibniz (Nouv. ess. IV, 2, § 1) stellt der affirmativen Form der primitiven identischen Vernunftwahrheit: jedes Ding ist, was es ist, die negative Form zur Seite: une proposition est ou vraie ou fausse. Er nennt diesen Satz das Princip des Widerspruchs und zerlegt ihn in die beiden Sätze, die er in sich schliesse: qu'une proposition ne saurait être vraie et fausse à la fois, und: »qu'il n'y a point de milieu entre le vrai et le faux, ou bien: il ne se peut pas qu'une proposition ne soit ni vraie ni fausse«. Ebenso nennt Leibniz (Théod. I, § 44) »principe de la contradiction dasjenige, qui porte que de deux propositions contradictoires l'une est vraie, l'autre fausse. Mithin versteht Leibniz hier unter dem Princip des Widerspruchs denjenigen Satz, welcher den sonst allgemein sogenannten Satz des Widerspruchs und den Satz des ausgeschlossenen Dritten gemeinsam in sich begreift. An anderen Stellen jedoch (z. B. im zweiten Schreiben an Clarke) folgt Leibniz der gewöhnlichen Terminologie. Wolff (Ontol. § 52; Log. § 532) stellt die Formeln auf: >quodlibet vel est, vel non est; propositionum contradictoriarum altera necessario vera, altera necessario falsa, und sagt: patet per se, eidem subiecto A idem praedicatum B vel convenire, vel non convenire. Sowohl von den früheren, als von den späteren Logikern haben manche mit Unrecht die Formel: A ist entweder B oder nicht B, welche das Princip des Widerspruchs und des ausgeschlossenen Dritten in sich vereinigt, für den reinen Ausdruck des Satzes vom ausgeschlossenen Dritten gehalten. - Vgl. zu dem Ganzen auch Katzenberger, Grundfragen der Logik, Leipzig 1858.

§ 80. Die vorstehenden Grundsätze finden nicht auf solche Urtheile Anwendung, deren Prädicate zu einander im Verhältniss des conträren Gegensatzes (wie positive und negative Grössen) stehen. Es können vielmehr bei diesem Verhältniss unter gewissen Voraussetzungen a. beide Urtheile falsch, aber auch b. beide Urtheile wahr sein. Beide können falsch sein 1. wenn dem Subjecte derjenige Begriff, der den

beiden einander conträr entgegengesetzten Prädicaten als der gemeinsame Gattungsbegriff übergeordnet ist, nicht als Prädicat zukommt (welches Verhältniss von Kant dialektische Opposition genannt wird); 2. wenn jener Gattungsbegriff dem Subjecte zwar zukommt, aber ausser den beiden einander conträr entgegengesetzten Prädicaten noch andere Artbegriffe unter sich fasst, in welchem letzteren Falle der Satz des zwischen conträren Gegensätzen in der Mitte liegenden Dritten (principium tertii intervenientis inter duo contraria) zur Anwendung kommt. Beide Urtheile können aber auch wahr sein, und zwar dann, wenn das Subject einen Gegenstand bezeichnet, der weder schlechthin einfach, noch auch ein blosses Aggregat, sondern eine synthetische Einheit mannigfacher Bestimmungen ist; sofern nämlich unter diesen einzelne zu einander im Verhältniss des conträren Gegensatzes stehen, so findet auf dieselben der Satz der Vermittelung (principium coincidentiae oppositorum) Anwendung, nach welchem alle Entwickelung auf dem Kampf und der Vermittelung der Gegensätze beruht.

Urtheile, deren Prädicate zu einander in conträrem Gegensatz (s. oben § 53) stehen, z. B. Cajus ist froh, Cajus ist traurig sind von Urtheilen, die als Urtheile zu einander in conträrem Gegensatz (s. oben § 72) stehen, z. B. alle Menschen sind gelehrt, kein Mensch ist gelehrt wohl zu unterscheiden. Jene können nicht nur beide falsch, sondern in gewissem Sinne auch beide wahr sein, wie z. B. in dem Gefühle der Wehmuth Freude und Trauer beide enthalten sind; diese dagegen können zwar beide falsch, aber nicht beide wahr sein (s. unten § 97). Von diesen beiden Verhältnissen ist das des contradictorischen Gegensatzes (z. B. Cajus ist froh, Cajus ist nicht froh; alle Menschen sind gelehrt, es sind nicht alle Menschen gelehrt) verschieden, dessen Glieder (nach § 79) weder beide wahr, noch beide falsch sein können:

Plato lehrt, ein und dasselbe Ding könne verschiedene und auch einander entgegengesetzte Qualitäten in sich vereinigen, wiewohl die Qualität selbst niemals mit der entgegengesetzten identisch sei (Phaedon p. 103 B; vgl. Soph. p. 257 B, wo das ravitov von dem Erɛgor unterschieden wird). In ähnlicher Weise erklärt Aristoteles, dass zwar der Gegenstand wechsele, indem er nacheinander die entgegengesetzten Eigenschaften annehme, dass aber die Eigenschaft ihrem Begriffe nach sich selbst stets gleich bleibe (Metaph. III, 5. 1010 b. 21). Indem Aristoteles mit Bestimmtheit ausspricht, dass nur der contradictorische Gegensatz jede Mitte ausschliesse, giebt er deren Möglich

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