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länger die scholastische Lehre von der höheren Gewissheit des apodiktischen Urtheils aufrecht erhalten.

In einer beachtenswerthen (obschon in dem Neuen oft irrenden und manches Richtige irrigerweise für neu haltenden) Monographie von Gust. Knauer (Conträr und Contradictorisch, nebst convergirenden Lehrstücken, festgestellt und Kant's Kategorientafel berichtigt, Halle 1868) wird die Affirmation und Negation auf die Modalität bezogen, mit der sie in der That unter den nämlichen Gesichtspunkt fällt, indem es sich dabei nicht, wie bei der Relation, um verschiedene sich im Urtheil wiederspiegelnde objective Verhältnisse, sondern um verschiedene Verhältnisse des Subjectiven zum Objectiven handelt. Hiernach nennt Knauer die Verneinung im negativen Urtheil »modale Negation< und unterscheidet von ihr die qualitative Negative, welche auf dem Gegensatze nicht der Realität und Negation, sondern des Positiven und des demselben conträr entgegengesetzten Negativen beruhe (wie lasterhaft zu tugendhaft, schwarz zu weiss den conträren Gegensatz oder die qualitative Negative ausmacht). Diese Unterscheidung kommt mit der Trendelenburg'schen zwischen logischer Negatione und realer Opposition überein. In entsprechender Weise will Knauer unter dem limitirten Urtheil ein solches verstehen, in welchem das Prädicat mit einer einschränkenden Bestimmung behaftet sei, die entweder durch einen anschaulichen Beisatz (wie in: hellroth, dunkelroth, halbrichtig) oder auch durch ein blosses nicht, welches aber als qualitativer Zusatz zum Prädicat von dem der Copula beigefügten modalischen nicht wohl zu unterscheiden sei, ausgedrückt werden könne. Knauer hat hiebei aber übersehen, dass es sich bei der logischen Eintheilung der Urtheile um Unterschiede handelt, welche die Form des Urtheils als solche betreffen und nicht die Form irgend welcher von den in das Urtheil eingehenden Begriffen (vgl. oben § 53). Ob das Prädicat eines Urtheils Mensch oder Unmensch, Thier oder Unthier, ob es roth oder hellroth etc. lautet, das macht nur für die Form der betreffenden Begriffe und für den Inhalt des Urtheils, aber nicht für die Form des Urtheils einen Unterschied. Demgemäss widerstreitet die von Knauer versuchte Rectification der Kantischen Kategorientafel, die Ersetzung von Realität und Negation durch das Positive und Negative, dem obersten Gesichtspunkte derselben, wonach die Kategorien die verschiedenen Urtheils functionen bedingen sollen. Allerdings können Realität und Negation nicht gleich der Substantialität und den übrigen Kategorien der Relation als Formen der Wirklichkeit gelten, sondern bezeichnen nur ein Verhältniss zwischen unserm Denken und der Wirklichkeit; aber dies rechtfertigt nur den Tadel der Kantischen Kategorienlehre, nicht den Knauer'schen Verbesserungsvorschlag. Richtig ist dagegen der Satz Knauer's (in welchem er den Meister von Stagira als seinen Bundesgenossen anerkennt, der aber auch nicht einmal in dem Sinne eine neue Lehre ist, dass er nach Aristoteles verloren gegangen und erst von Knauer wieder an's Licht gezogen wäre), dass nur zwischen Affirmation und Negation des Nämlichen und nicht zwischen Urtheilen

mit conträr einander entgegengesetzten Prädicaten nothwendig Widerspruch bestehe, s. unten §§ 77-80.

§ 70. Nach der Quantität, d. h. nach der Ausdehnung, in welcher dem Umfange des Subjectsbegriffs das Prädicat zuerkannt oder abgesprochen wird, pflegt man die Urtheile in allgemeine, besondere und Einzel urtheile (universale, particulare und singulare Urtheile) einzutheilen. Doch lassen sich die Urtheile der letzten Classe unter die beiden anderen Classen subsumiren, und zwar unter die erste, wenn das Subject ein bestimmtes und individuell bezeichnetes, unter die zweite, wenn das Subject ein unbestimmtes und nur durch einen allgemeinen Begriff bezeichnetes ist, weil nämlich im ersten Falle das Prädicat der ganzen Sphäre des Subjectsbegriffs (die sich hier auf ein Individuum reducirt), im anderen Falle aber nur einem unbestimmten Theile der Sphäre des Subjectsbegriffs zu- oder abgesprochen wird.

Aristoteles unterscheidet das allgemeine, particulare und unbestimmte Urtheil: πρότασις ἢ καθόλου ἢ ἐν μέρει ἢ ἀδιόριστος (Anal. pri. I, 1. 24 a. 17). Das der Quantität nach unbestimmte Urtheil, welches von Aristoteles dem allgemeinen und particularen beigeordnet wird, ist jedoch nicht eigentlich eine dritte Art, sondern ein unvollendetes oder auch nur sprachlich unvollkommen ausgedrücktes Urtheil. Kant erkennt drei Classen an: singulare, particulare oder plurative, und universale Urtheile, und führt dieselben auf die drei Kategorien der Quantität: Einheit, Vielheit und Allheit zurück. (Doch betreffen diese Kategorien nur die Existenz der Dinge in Classen, welche auf wesentlicher Gleichartigkeit der zu ihnen gehörenden Individuen beruhen, also ein Verhältniss, das bereits bei der Begriffsbildung in Betracht kommt und nicht erst als Grundlage der Urtheilsbildung hervortritt. Quantitätsunterschiede bestehen nur bei der Zusammfassung mehrerer Urtheile zu einem, welche durch die Subsumtion ihrer Subjecte unter den nämlichen Begriff möglich wird.) Kant lehrt, die singularen Urtheile seien der logischen Form nach im Gebrauche den allgemeinen gleich zu schätzen (Kritik der r. Vern. § 9-11; Prolegomena, § 20; Logik, § 21). Herbart sagt genauer, nur bei einem bestimmten Subjecte seien die Einzelurtheile den allgemeinen gleich zu achten; wenn aber vermittelst des unbestimmten Artikels die Bedeutung eines allgemeinen Ausdrucks auf irgend ein nicht näher bezeichnetes Individuum beschränkt werde, so seien derartige Urtheile vielmehr zu den particularen zu rechnen (Lehrbuch zur Einl. in die Phil. § 62). Diese Weise der Reduction bewährt sich auch als die richtige theils an sich selbst, weil es für die Urtheils form als solche nicht auf die Einzahl und Mehrzahl und überhaupt nicht auf die absolute Zahl der Individuen ankommt, sondern auf das Verhältniss dieser Zahl

zu der Zahl der unter den Subjectsbegriff fallenden Individuen überhaupt, theils in der Anwendung auf die Formen des Schlusses (vgl. u. § 107). Das Subject des particularen Urtheils ist irgend ein Theil der Sphäre des Subjectsbegriffs, also mindestens irgend ein einzelnes der unter diesen Begriff fallenden Individuen; die Grenze nach oben hin kann sich bis zur Congruenz mit der Gesammtheit erweitern, so dass das particulare Urtheil die Möglichkeit des universalen nicht ausschliesst, sondern mitumfasst.

Die Regel, dass das in Hinsicht der Quantität unbezeichnete Urtheil, wenn es bejahe, allgemein sei, wenn es verneine, particular, ist mehr grammatisch, als logisch, und gilt nicht unbedingt.

Sigwart Logik Bd. 1. Th. 1. Abschn. 5. § 26. S. 167 vereinigt als plurale Urtheile alle solche, welche in einem Satze von einer Mehrzahl von Subjecten ein Prädicat aussagen und unterscheidet dann unter diesen copulative Urtheile (wenn einfache Urtheile dasselbe Prädicat an einer Reihe von Subjecten wiederholen, und der Urtheilende dem Bewusstsein dieser Uebereinstimmung dadurch Ausdruck giebt, dass er sprachlich die Prädicirung in einem Act in Beziehung auf eine Mehrheit vollzieht, entstehen zunächst die Urtheile von der Form A und B und C sind S«) von dem pluralen Urtheil im engeren Sinne, das dann entsteht, wenn A und B und C unter dieselbe Benennung N fallen, welche sie als mehrere N zu zählen erlaubt oder auffordert. Und nach § 28. S. 177 soll das sogen. particuläre Urtheil, als dessen allgem. Formel Einige A sind B angegeben wird, als empirisches Urtheil über einzelne Dinge nur dann von dem rein pluralen verschieden sein, wenn es dazu bestimmt ist, entweder dem allgemeinen gegenüber eine Ausnahme zu constatiren oder ein allgemeines Urtheil vorzubereiten.< Unter den pluralen Urtheilen werden weiter positive und verneinende unterschieden und wird dabei die gegen plurale Urtheile gerichtete Verneinung zur Sprache gebracht. Auch Wundt's Logik Abschn. 3. Cap. 2. 1. c. S. 157 unterscheidet als zwei Fälle des Mehrheitsurtheils das Urtheil mit mehreren Subjecten und das Urtheil mit einem Mehrheitssubject. Die Mehrheitsurtheile unterscheiden sich von den Einzelurtheilen dadurch, dass sie zum Subject entweder eine Mehrheit einzelner Begriffe oder den Begriff einer Mehrheit einzelner Gegenstände des Denkens haben.

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§ 71. Durch Combination der Eintheilungen der Urtheile nach der Qualität und Quantität werden vier Arten von Urtheilen gefunden:

1. allgemein bejahende von der Form: alle S sind P; 2. allgemein verneinende von der Form: kein S ist P; 3. particular bejahende von der Form: ein oder einige S sind P;

4. particular verneinende von der Form: ein oder einige S sind nicht P;

Die Logiker pflegen dieselben der Reihe nach durch die Buchstaben a, e, i, o zu bezeichnen (wobei a und i aus affirmo, e und o aus nego entnommen sind). Von den einzelnen Terminis ist, wie sich aus der Sphärenvergleichung ergiebt, das Subject in jedem universalen Urtheil allgemein, in jedem particularen particular gesetzt, das Prädicat aber in jedem bejahenden Urtheil particular oder doch nur zufälligerweise allgemein, da nach der Form des Urtheils sowohl bei a als bei i seine Sphäre auch theilweise ausserhalb der des Subjectes liegen kann, in jedem verneinenden dagegen universal, weil sowohl bei e die Gesammtheit der S, als auch bei o der betreffende Theil der S immer von allen P, also von der ganzen Sphäre des Prädicates getrennt gedacht werden muss.

Die Urtheile von der Form a (S a P: alle S sind P) lassen sich schematisch durch Combination folgender zwei Figuren darstellen:

[blocks in formation]

Für Urtheile von der Form e (S e P: kein S ist P) ist das Schema folgendes:

[blocks in formation]

Die Urtheile von der Form i (Si P: mindestens ein Theil von S ist P) fordern die Combination folgender vier Figuren (wovon 1 und 2 der Form i eigenthümlich sind, 3 und 4 aber das Schema der Form a wiederholen):

[blocks in formation]

Für Urtheile von der Form 0 (S o P: mindestens ein Theil von S ist nicht P) liegt das Schema in der Combination folgender drei Figuren (wovon 1 u. 2 in dieser Bedeutung der Form o eigenthümlich sind, 3 aber das Schema der Form e wiederholt):

[blocks in formation]

Wird das Bestimmte durch ausgezogene, das Unbestimmte durch punktirte Linien bezeichnet, so lässt sich das Symbol für Urtheile von der Form a auf die Eine Figur bringen:

[blocks in formation]

Das Symbol für Urtheile von der Form i ist unter derselben Voraussetzung:

und für Urtheile von der Form 0:

S

Р

Der Gebrauch dieser Schemata ist keineswegs an diejenige Auffassung des Urtheils gebunden, welche in demselben nur die Subsumtion eines niederen Subjectsbegriffs oder einer Subjectsvorstellung unter einen höheren Prädicatsbegriff findet, und welche daher eine Substantivirung des Prädicatsbegriffs auch in den Fällen fordert, wo eine solche sachlich unangemessen ist. Wenn der Prädicatsbegriff der eigentliche Gattungsbegriff des Subjectes ist, so ist es naturgemäss, ihn

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