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Seelenvermögen sagt: sie sind überdies nur Namenerklärungen. welche die Realität ihrer Objecte durchaus nicht verbürgen«); eine Discrepanz der Terminologie in der Logik und in den anderen Wissenschaften wäre aber doch immer ein Uebelstand, der um so weniger zugelassen werden darf, da er nicht erst durch Neuerungen gehoben zu werden braucht, sondern durch einfachen Anschluss an die nach Aristoteles und Leibniz von Wolff gegebenen Bestimmungen leicht vermieden werden kann. Es sind also hiernach z. B. diejenigen mathematischen Definitionen, welche bei Euklid dem Nachweis der Entstehung der betreffenden Figuren vorangehen, mögen sie die constitutiv wesentlichen Merkmale oder secundäre enthalten, Nominaldefinitionen zu nennen, solche Definitionen aber, welche nur secundäre Bestimmungen enthalten, wie z. B. die der geraden Linie als des kürzesten Weges zwischen zwei Punkten (da das Wesen des Geraden vielmehr die in sich constante Richtung ist), mag auch die objective Gültigkeit derselben unzweifelhaft sein, Attributiv- oder Accidentaldefinitionen oder distinguirende Erklärungen. Wenn das Strafgesetzbuch Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen nach der Höhe der Strafe unterscheidet, also z. B. definirt: Eine mit Haft oder mit Geldstrafe bis zu fünfzig Thalern bedrohte Handlung ist eine Uebertretung, so ist dies eine Attributiv-Erklärung (distinguirende Erklärung); wird der Versuch< definirt als Bethätigung des Entschlusses, ein Verbrechen oder Vergehen zu verüben, durch Handlungen, welche einen Anfang der Ausführung dieses Verbrechens oder Vergehens enthalten, so ist dies eine Essentialerklärung; beide Erklärungen aber stehen einander in Bezug auf den Unterschied zwischen Nominal- und Realdefinition völlig gleich. Die übliche Unterscheidung von Nominal- und Realdefinitionen glaubte St. Mill unbedingt verwerfen zu müssen. Er that dies zuerst in einer Recension von Whately's Logik in der Westminster Review für Januar 1828. » Die Unterscheidung zwischen Nominal- und Realdefinitionen, zwischen Definitionen von Wörtern und sogen. Definitionen von Dingen, schrieb er das., wenn sie auch mit den Vorstellungen der meisten Aristotel. Logiker übereinstimmen, können, wie uns scheint, doch nicht aufrecht erhalten werden. Wir glauben, dass eine Definition niemals den Zweck hat, die Natur des Dinges zu enthüllen«. Unsere Meinung wird dadurch bestätigt, dass es keinem von den Schriftstellern, welche glaubten, es gebe Definitionen von Dingen, jemals gelang, ein Kriterion zu entdecken, durch welches die Definition eines Dinges von einem andern, auf das Ding sich beziehenden Urtheil unterschieden werden kann. Die Definition, sagen dieselben, enthält die Natur des Dinges, aber keine Definition kann seine ganze Natur enthüllen; und ein jedes Urtheil, in welchem irgend eine Eigenschaft des Dinges ausgesagt wird, enthüllt einen Theil seiner Natur. Der wahre Sachverhalt ist nach unserer Meinung der folgende. Alle Definitionen sind Definitionen von Namen und nur von Namen; aber bei manchen Definitionen ist es einleuchtend, dass sie nur die Bedeutung des Wortes erklären sollen, während andere ausser der Worterklärung

noch einschliessen sollen, dass ein dem Wort entsprechendes Ding existirt. Diese Ansicht hat Mill in seinem System der Logik, 4. deutsche Aufl., Th. 1, Buch 1, Cap. 8 Von den Definitionen eingehend zu begründen gesucht. Er sagt hier S. 164: Der einfachste und richtigste Begriff von einer Definition ist: ein Urtheil, das die Bedeutung des Wortes erklärt, sei es die Bedeutung bei der gewöhnlichen Anwendung desselben, sei es die, welche der Schreibende oder Sprechende ihm für seine besonderen Zwecke beilegt.<

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Vergleichbar behauptet Sigwart in s. Logik, Bd. 1, Th. 2, § 44 S. 323: Eine Definition ist ein Urtheil, in welchem die Bedeutung eines einen Begriff bezeichnenden Wortes angegeben wird, sei es durch einen Ausdruck, der diesen Begriff in seinem Merkmale zerlegt zeigt, wodurch also der Inhalt des Begriffs vollständig dargelegt wird, sei es durch Angabe der nächsthöheren Gattung und des artbildenden Unterschieds, wodurch seine Stellung im geordneten Systeme der Begriffe angegeben wird. Jede logische Definition ist eine Nominaldefinition; die Forderung einer Realdefinition beruht auf der Vermischung der metaphysischen und der logischen Aufgaben< u. S. 324: Definition

in diesem Sinne kann also niemals etwas anderes als eine Nominaldefinition sein, welche die Bedeutung eines Wortes angiebt, und die immer in dem Sinne eine Realdefinition sein muss, dass sie den Inhalt des dabei Gedachten analysirt und vom Inhalt anderer Begriffe scheidet.< Die sogen. Realdefinition habe für uns in der Logik keinen Sinn mehr.

Lotze hat der Unterscheidung beider Definitionsarten doch einen bedingten Nutzen zusprechen zu können geglaubt (Syst. d. Philos. Th. 1. Die Logik. Buch 2, Cap. 1. Die Formen der Definition). Er sagt das. S. 201 u. ff.: Namen lassen sich aussprechen oder übersetzen, definiren aber können wir immer nur ihren Inhalt: unsere Vorstellung nämlich von dem, was sie bezeichnen sollen; die Sache anderseits ist ebenso wenig selbst in unserm Denken vorhanden, sondern nur das Vorstellungsbild, das wir von ihr entworfen haben. Beide Arten der Definition scheinen daher dasselbe bezeichnen zu müssen, und in der That trifft dies für Alles zu, was ausserhalb unserer Gedanken keine Wirklichkeit hat und dessen ganzer Inhalt deshalb durch das erschöpft wird, was wir von ihm vorstellen. Von einer geometrischen Figur giebt es keine reale Definition, die von der nominalen noch unterschieden wäre; jede richtige, die wir geben, drückt zugleich die ganze Natur dessen, was hier die Sache ist, und zugleich die ganze Bedeutung des Namens aus. In anderen Fällen bedeutet jedoch der Unterschied beider Definitionsweisen etwas, was der Mühe werth ist. Nennen wir die Seele das Subject des Bewusstseins, des Vorstellens, Fühlens und Wollens, so kann dies schicklich eine nominale Definition heissen: wir machen damit die Bedingung namhaft, welche irgend ein Reales erfüllen muss, um Anspruch auf den Namen einer Seele zu haben. Was aber oder was nun Dasjenige ist, was durch seine eigenthümliche Natur diese Bedingung zu erfüllen im Stande wäre, bleibt völlig dahingestellt; erst eine Ansicht, welche bewiese, dass entweder nur ein übersinnliches

und untheilbares Wesen oder nur ein verbundenes System materieller Elemente den Träger des Bewusstseins und seiner mannigfachen Erscheinungen bilden könne, würde die reale Definition der Seele festgestellt haben. Allgemein also: wenn entweder die Erfahrung uns eine Merkmalgruppe p q r häufig vorkommend und beständig beisammen bleibend vorführt, oder wenn irgend ein Zusammenhang unserer Untersuchungen uns veranlasst, sie zusammen zu setzen und in ihr einen Gegenstand weiterer Fragen zu sehen, so bilden wir zuerst für sie einen Begriff M, dessen nominale Definition immer möglich sein wird, weil sie nur jene Prädicate, die uns zur Schaffung seines Namens bewogen, oder die Leistung zu bezeichen hat, die wir von dem so benannten Gegenstande erwarten. Aber die reale Definition wird nicht immer möglich sein; denn nichts verbürgt, dass wir nicht in M Merkmale vereinigt haben, deren Verknüpfung wir zwar aus irgend einem Grunde glaubten voraussetzen oder wünschen zu dürfen, ohne dass sich doch etwas auffinden liesse, worin sie wirklich verbunden vorkämen oder verbindbar wären. Da es ein häufiger Irrthum ist, durch blosse Bezeichnung einer Aufgabe, die wir gelöst sehen möchten, für die Lösung selbst anzusehen, so ist die Unterscheidung beider Definitionsarten eine nützliche Warnung.<

§ 62. Unter den Fehlern der Definitionen sind die bemerkenswerthesten folgende: die zu grosse Weite oder Enge (definitio latior, angustior suo definito), wo das Definiens von grösserem oder kleinerem Umfange ist als das Definitum und daher gegen die Forderung verstossen wird, dass die Definition adäquat (definitio adaequata) oder das Definitum und das Definiens Wechselbegriffe seien; die Abundanz (definitio abundans), wo mit den grundwesentlichen Bestimmungen zugleich auch abgeleitete, die nur in die Entwickelung des Begriffs gehören würden, angegeben werden; die Tautologie (idem per idem), wo der zu definirende Begriff entweder ausdrücklich oder verhüllter Weise in der Definition wiederkehrt; der Cirkel oder die Diallele (circulus sive orbis in definiendo), wo A durch B und B wieder durch A, oder auch A durch B, B durch C, C durch D etc. und D oder überhaupt irgend ein folgendes Glied wieder durch A definirt wird, und zwar gewöhnlich in Folge eines ὕστερον πρότερον, d. h. des Versuches, einen Begriff, dessen wissenschaftliche Voraussetzungen noch nicht erkannt sind, zu definiren, was dann nur mittelst solcher Begriffe, die ihn selbst schon voraussetzen, geschehen kann; die Definition durch bildliche Ausdrücke, durch blosse Negationen, durch die neben

geordneten und untergeordneten Begriffe. Doch ist bei negativen Begriffen die negative Definition und bei einfachen Begriffen die blosse Sonderung aus ihrem Verflochtensein mit anderen Begriffen und Verdeutlichung vermittelst der Angabe ihres Umfangs wissenschaftlich berechtigt.

. . ., Es musste

Ein Beispiel der zu grossen Weite giebt folgende Definition des unendlich Kleinen (die sich in einem neueren Lehrbuche der Differentialrechnung findet): eine Grösse, welche wir als Bruch mit gleichbleibendem Zähler, aber beständig wachsendem Nenner denken, nennen wir unendlich klein. Das definiens hat hier einen weiteren Umfang, als das definiendum, denn der Nenner wächst auch dann beständig, wenn er in folgender Weise fortschreitet: 10, 15, 17, 183⁄4 und doch ist der Bruch in diesem Falle nicht unendlich klein. die Bestimmung hinzugefügt werden, die Reihe der Brüche solle zugleich von der Art sein, dass, welche feste Grösse auch gegeben sein möge, immer ein Glied der Reihe gefunden werden könne, das seinem absoluten Werthe nach kleiner sei oder der Null näher stehe; mit anderen Worten, die Reihe solle Null zum Grenzwerth haben. Zu eng ist Cato's Definition: »orator est vir bonus dicendi peritus«; denn es sind Individuen denkbar, die dem Umfange des definiendum und doch nicht dem Umfange des definiens angehören. Zu eng ist auch K. F. Becker's Definition: »der Gedanke ist derjenige Act der Intelligenz, durch welchen ein Thätigkeitsbegriff und der Begriff des Seins als Eins (congruent) angeschaut werden; denn sie geht nur auf eine Art der Gedanken. Die zu enge Definition ist auch als Satz oder als (allgemeine) Behauptung falsch, die zu weite als Satz wahr, aber die Umkehrung (wobei das Subject zum Prädicate und das Prädicat zum Subjecte gemacht wird, s. unten in der Lehre von der Conversion § 85 das Nähere) falsch, wogegen bei der adäquaten Definition, weil das Definitum und das Definiens Wechselbegriffe sein müssen, auch die Umkehrung wahr ist. Die Umkehrung kann daher als ein Prüfungsmittel der Definitionen dienen. Eine Abundanz würde in der Erklärung liegen: Parallellinien sind solche Linien, die gleiche Richtung und überall gleichen Abstand von einander haben. Aber es ist nur eine scheinbare Abundanz, dass in die Definition der Aehnlichkeit geradliniger ebener Dreiecke sowohl die Gleichheit der Winkel, als auch die Proportionalität der Seiten aufgenommen wird; denn wenn gleich beim Dreieck die eine dieser beiden Bestimmungen aus der anderen gefolgert werden kann, so bezeichnen doch erst beide in ihrer Vereinigung das volle Wesen der Aehnlichkeit, wie denn auch nur auf die Vereinigung beider Merkmale die allgemeine Definition der Aehnlichkeit geradliniger ebener Figuren gegründet werden kann. Tautologien sind es, wenn das Gedächtniss als das Vermögen, des früher bewusst Gewesenen wieder zu gedenken, oder die Lebenskraft als der innere Grund des Lebens erklärt wird. Aber darin liegt keine Tau

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tologie, wenn bei der Definition eines Artbegriffs, der keinen eigenthümlichen Namen trägt, sondern durch Zufügung eines Adjectivs zum Gattungsnamen bezeichnet wird, der Gattungsname in dem definiens wiederholt wird; auch ist dieses Verfahren keineswegs (wie wohl mitunter behauptet worden ist) bloss bei Nominal definitionen zulässig; denn da die Species definirt werden soll, so muss in jedem Falle das Genus zu den bereits früher definirten und daher als bekannt vorauszusetzenden Begriffen gehören. So ist z. B. die Definition auch als Real- und Essentialdefinition tadellos: die gerade Linie ist die Linie von einer in sich constanten Richtung; denn die Definition der Linie (als des durch die Bewegung eines Punktes erzeugten Gebildes) muss schon vorausgesetzt werden, wenn der Begriff der Species gerade Linie definirt werden soll. Ein Hysteronproteron liegt in der Erklärung der Grösse als des der Vermehrung und Verminderung Fähigen, was zur Cirkelerklärung führt, sofern doch Vermehrung nichts anderes ist, als Zunahme der Grösse und Verminderung Abnahme der Grösse. Auf einen Cirkel läuft auch die Definition hinaus, die J. G. E. Maass in seinem Versuch über die Gefühle vom Angenehmen giebt. Er sagt: ein Gefühl ist angenehm, sofern es um seiner selbst willen begehrt wird« (Bd. I, S. 39); wir begehren nur das, was wir uns auf irgend eine Art als gut vorstellen« (S. 243); »der Sinnlichkeit aber erscheint als gut, was Vergnügen gewährt oder verspricht, uns also angenehm afficirt; die Begierden beruhen auf angenehmen Gefühlen« (S. 244). Hier wird also das angenehme Gefühl durch die Begierde und doch auch wieder die Begierde durch das angenehme Gefühl erklärt. (Sollte dieser Cirkel vermieden werden, so musste schon bei der Definition des Gefühls auf den Begriff der Lebensförderung, der dessen wissenschaftliche Voraussetzung bildet, zurückgegangen werden. Das Gefühl des Angenehmen ist das unmittelbare Bewusstsein der Lebensförderung.) Wenn Plato die Idee des Guten die Sonne im Reiche der Ideen nennt, so gilt ihm diese bildliche Bezeichnung nicht als Definition, da er vielmehr das Gute als einfachen und obersten Begriff für undefinirbar hält; bei den Pythagoreern aber können wir wohl nicht das gleiche logische Bewusstsein voraussetzen, wenn sie die Dinge als Zahlen, z. B. die Gerechtigkeit als Quadratzahl, aqiqμòs toázis toos, definiren, noch auch bei Jakob Böhme, wenn dieser sagt: die Wiedergeburt ist die Entbindung des himmlischen Wesens im Centrum der animalischen Seele; die Natur (Himmel und Erde und Alles, was darinnen ist) ist der Leib Gottes etc. Auch Erklärungen wie folgende: das Recht ist die Verkörperung der sittlichen Idee; der Staat ist der Mensch im Grossen; die Kirche ist der Leib Christi; das Gewissen ist der innere Gerichtshof, der in jedem Menschen seinen Sitz aufgeschlagen hat, und ähnliche, die im Bilde den wahren Gedanken enthalten, bedürfen doch der Deutung des Gleichnisses auf den eigentlichen Sinn, um in wissenschaftliche Definitionen überzugehen. Versteckter, aber darum für die Wissenschaft nur um so nachtheiliger ist die Bildlichkeit in der Zenonischen Defini

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