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gestalte, folgendermaassen bezeichnet wird: »Der Schwerpunkt der naturgeschichtlichen Betrachtung liegt nicht mehr in der Species, sondern darin, dass jede systematische Kategorie als eine natürliche Einheit gefasst wird, welche den Durchgangspunkt einer grossen entwickelungsgeschichtlichen Bewegung darstellt. Die Gattung und die höheren Begriffe sind (ebenso, wie die Species) keine Abstractionen, sondern concrete Dinge, Complexe von zusammengehörigen Formen, die einen gemeinsamen Ursprung haben.« Doch vgl. andererseits Herm. Hoffmann, Untersuch. zur Best. des Werthes von Species und Varietät, Giessen 1869. Vergl. auch Karl Moebius, die Bildung u. Bedeutung der Artbegriffe in d. Naturgesch. in Bd. 1 der Schriften des naturw. Vereins f. Schleswig-Holstein«, Kiel 1873, u. bes. Alb. Wigand, der Darwinismus u. d. Naturforsch. Newtons u. Cuviers. Beiträge z. Methodik der Naturforsch. u. z. Speciesfrage. Bd. 1. Braunschweig 1874 u. J. B. Meyer, Philos. Zeitfragen. 2. Aufl. Bonn 1874. Kap. 3: Die Entstehung der Arten, bes. S. 100 u. 101. Ebenso wie auf dem naturhistorischen Gebiete, ist auf dem ethischen das Wesentliche aufzusuchen und der Gruppirung der betreffenden Verhältnisse, mithin auch der Begriffsbildung zum Grunde zu legen, welche auch hier nicht der subjectiven Willkür anheimgegeben, sondern an objective Normen gebunden ist. Auch hier beruht der Unterschied weiterer und engerer Sphären auf den Abstufungen der Wesentlichkeit.

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§ 59. In denjenigen Fällen, wo Individuen, die der nämlichen Species angehören, sich von einander durch wesentliche Eigenthümlichkeiten unterscheiden, lassen sich von denselben Individualbegriffe bilden. Der Individualbegriff ist diejenige Einzelvorstellung, deren Inhalt die Gesammtheit der wesentlichen allgemeinen und der wesentlichen eigenthümlichen Eigenschaften oder Merkmale eines Individuums in sich fasst. Auch dem Individualbegriff kommt jedoch insofern immer noch eine gewisse Allgemeinheit zu, als derselbe die verschiedenen Entwickelungsstufen des Individuums unter sich begreift. Die Vorstellung von einem in der Zeit lebenden Individuum ist nur dann rein individuell, wenn dasselbe in einem einzelnen Momente seines Daseins vorgestellt wird.

Die scholastische, durch den Gegensatz des Aristotelismus zum Platonismus (vgl. Arist. Metaph. I, 6) bedingte Frage nach dem »principium individuationis ruht auf der Voraussetzung, dass das Allgemeine nicht nur ein begriffliches, sondern auch ein reales Prius des Individuellen sei; sie verliert ihre Bedeutung, sobald erkannt wird, dass das Herabsteigen vom Allgemeinen zum Besonderen nur von dem denkenden Subjecte vollzogen werden kann und dass in der objectiven Realität das Wesen nicht in irgend einem Sinne vor dem Individuellen

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existiren kann, so dass dieses erst aus jenem sich hervorbilden müsste. Dies haben die Nominalisten (die freilich andererseits zu weit gingen) richtig erkannt, indem sie das Seiende als solches für individuell erklärten, und im Anschluss an sie auch Leibniz und Wolff, welche das allseitig Bestimmte als solches (res omnimodo determinata oder ita determinata, ut ab aliis omnibus distingui possit) für das Individuelle erklären, das Allgemeine also als solches nur in der Abstraction existiren lassen. Nicht irgend eine Bestimmung (wie Materie, Raum, Zeit), sondern die Gesammtheit aller constituirt die Individuität. Dies schliesst nicht aus, dass der Unterschied des Wesentlichen und Unwesentlichen und der Grade der Wesentlichkeit der objectiven Realität selbst angehöre. Sofern solches, was diesem oder jenem Individuum eigenthümlich ist, wesentliche Bedeutung hat, giebt es Individualbegriffe. Aus § 46 folgt, dass Individualbegriffe vorzugsweise von den höchsten unter den persönlichen Wesen zu bilden sind.

§ 60. Die Definition oder Begriffs bestimmung (definitio, quós) ist die vollständige und geordnete Angabe des Inhaltes (§ 50) eines Begriffs. In der Definition müssen alle wesentlichen Inhaltselemente des Begriffs oder alle wesentlichen Merkmale der Objecte des Begriffs (§ 49) angegeben werden; sie ist der Ausdruck des Wesens (der essentia«) der Objecte des Begriffs. Die wesentlichen Inhaltselemente sind theils solche, die der zu definirende Begriff mit den ihm nebengeordneten Begriffen theilt und die demgemäss auch den Inhalt des übergeordneten Begriffs ausmachen, theils solche, wodurch er sich von den nebengeordneten und von dem übergeordneten unterscheidet. Indem nun (nach § 58) der Gegensatz von Gattung (genus) und Art (species) auch zur allgemeinen Bezeichnung des Gegensatzes irgend einer höheren Classe zu einer niederen dient, sofern diese jener unmittelbar untergeordnet wird, so können hiernach die wesentlichen Inhaltselemente des zu definirenden Begriffs in generische und specifische eingetheilt werden. Hierauf beruht die Forderung, dass die Definition den übergeordneten oder Gattungsbegriff und die specifische Differenz oder den Artunterschied enthalte. Die Angabe des Gattungsbegriffs hat zugleich die Bestimmung, die Form oder Kategorie des zu definirenden Begriffs (ob derselbe ein substantivischer oder adjectivischer etc. sei) mitzubezeichnen. Einfache Begriffe, bei denen die Gesammtheit der Merkmale

(vgl. oben § 56) sich auf nur Ein Merkmal reducirt, lassen keine eigentliche Definition zu (vgl. unten § 62).

Plato findet in der Definition (óvíɛσ9) und in der Eintheilung (διαίρεσις, κατ' εἴδη διατέμνειν) die beiden hauptsächlichen Momente der Dialektik (Phaedr. p. 265 sqq.), ohne jedoch die Theorie derselben eingehender zu entwickeln. Er stellt noch nicht ausdrücklich den Satz auf, dass die Definition den Gattungsbegriff und die specifische Differenz enthalten müsse; doch verfährt er thatsächlich diesem Grundsatz gemäss, z. B. im Gorgias p. 462 ff. in der Definition der Rethorik, in der Republ. in der Definition der Cardinaltugenden (Weisheit, Tapferkeit, Besonnenheit, Gerechtigkeit), indem er zu der Angabe des allgemeinen Wesens die specifischen Eigenthümlichkeiten hinzufügt. Im Dialog Euthyphron wird das ὅσιον als ein μέρος des δίκαιον bestimmt und dann gefragt: noiov uέoos; worauf Euthyphron die Antwort ertheilt: τὸ περὶ τὴν τῶν θεῶν θεραπείαν. Auch verfährt thatsächlich so bereits Sokrates z. B. in der Definition des óvos (Xenoph. Mem. III, 9, 8) als die λύπη ἐπὶ ταῖς τῶν φίλων εὐπραξίαις. In dem Platonischen Dialog Theaetet wird p. 208-209 von dem zovóv die diaqogά oder διαφορότης unterschieden oder das σημεῖον ᾧ τῶν ἁπάντων διαφέρει τὸ łowiŋdév, wie wenn z. B. von dem os gesagt werde, derselbe sei tò λαμπρότατον τῶν κατ' οὐρανὸν ἰόντων περὶ γῆν. Plato bekämpft die Annahme, dass in dem Bewusstsein um die diapooά das zureichende Unterscheidungsmerkmal des Wissens von der blossen (obschon richtigen) Meinung liege. Im Philebus wird (p. 12 u. 13) die generische Identität und die diapogóτns der uέon (species) unterschieden, die sich bis zum vollsten Gegensatze steigern könne. Die Bemerkung, dass einfache Begriffe keine Definition zulassen, wird schon im Platonischen Theaetet angeführt und einer Kritik unterworfen. Theaet. p. 202: ἀδύνατον εἶναι ὁτιοῦν τῶν πρώτων δηθήναι λόγῳ, οὐ γὰρ εἶναι αὐτῷ, ἀλλ' ἡ ὀνο μάζεσθαι μόνον, ὄνομα γὰρ μόνον ἔχειν· τὰ δὲ ἐκ τούτων ἤδη ξυγκείμενα ὥςπερ αὐτὰ πέπλεκται, οὕτω καὶ τὰ ὀνόματα αὐτῶν ξυμπλακέντα λόγον yɛyovéval. In dem (Platonischen?) Dialog Politicus (p. 285) sind die Siapooaí vielmehr die Arten selbst, die in der Gattung enthalten sind und worin dieselbe einzutheilen ist, als die specifischen Inhaltselemente, welche in der Definition des Artbegriffs zu den generischen hinzutreten müssen. Die Definition wird auf die Eintheilung basirt in dem Dialog Soph. (p. 219 sqq.). (Vergl. Drobisch, Logik 4. Aufl. § 125. 3. S. 146.) In den Platonischen Leges wird (p. 895) unterschieden: ἡ οὐσία, τῆς οὐσίας ὁ λόγος, τὸ ὄνομα. Unter dem λόγος versteht hier Plato mit dem Begriff zugleich die Begriffsbestimmung, wie z. B. der loyos dessen, was den Namen des Geraden ("prov) trage, sei: ἀριθμὸς διαιρούμενος εἰς ἴσα δύο μέρη. Aristoteles lehrt Analyt. post. II, 3. 90 b. 30: ὁρισμὸς μὲν γὰρ τοῦ τί ἐστι καὶ οὐσίας. Τopic. VII, 5. 150 a. 31: ορισμός ἐστι λόγος ὁ τὸ τί ὴν εἶναι σημαίνων. Metaph. VI, 4. 1029 b. 19: ἐν ᾧ ἄρα μὴ ἐνέσται λόγῳ αὐτό, λέγοντι αὐτό, οὗτος ὁ λόγος τοῦ τί ἦν εἶναι ἑκάστῳ, d. h. in welcher Aussage also das Ob

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ject (seinem Namen nach) nicht enthalten ist, während doch dieselbe Aussage es (der Sache nach) bezeichnet, dieses ist die Aussage des Wesens (oder die Definition) für ein Jegliches. Top. I, 8. 103 b. 15: ὁ ὁρισμὸς ἐκ γένους καὶ διαφορῶν ἐστιν, definitio ex genere et differentiis constat. Der Ausdruck specifische Differenz (differentia specifica) ist die (zuerst bei Boëthius nachweisbare) Uebersetzung des Aristotelischen Ausdrucks diapоgà εldoлоiós (Top. VI, 6. 143 b. 8: πᾶσα γὰρ εἰδοποιός διαφορὰ μετὰ τοῦ γένους εἶδος ποιεῖ). Spätere Logiker fordern (im Anschluss an Arist. Top. VI, 5. 143 a. 15, wo gefordert wird: μὴ ὑπερβαίνειν τὰ γένη): definitio fiat per genus proximum et differentiam specificam«. Dieser Forderung muss auch in der Regel genügt werden, damit nicht mit mehreren Worten das Nämliche gesagt werde, was mit wenigern gesagt werden kann. Aber sie ist keineswegs von strenger Allgemeingültigkeit. So würde z. B. die Definition, welche den Kreis unter den nächsthöheren Gattungsbegriff Kegelschnitt subsumirt, in der Mehrzahl der Fälle minder bequem und angemessen sein, als die, welche ihn unter den allgemeineren Begriff ebene Figur subsumirt, und in der Elementargeometrie ist die erstere sogar unzulässig. Im Allgemeinen lassen sich die Fälle dieser Art auf folgende Formel bringen. Der zu definirende Begriff A falle unter den nächsthöheren Gattungsbegriff B und mit diesem zugleich unter den wiederum höheren Begriff C; es unterscheide sich A von B durch die specifische Differenz a, B von C durch die specifische Differenz b. Nun kann es geschehen, dass die beiden Differenzen (a und b) sich einzeln nur mit Schwierigkeit bestimmen, aber leicht zu der einen Gesammtdifferenz a, in der sie beide implicite enthalten sind, zusammenfassen lassen. Wenn dieser Fall eintritt, so ist die Definition mittelst eines entfernteren Gattungsbegriffes leichter und einfacher, als die Difinition, welche den nächsthöheren Gattungsbegriff enthält, und daher vorzuziehen, sofern nicht in einzelnen Fällen der Zweck der Darstellung dennoch die schwierigere Definition erheischt. Sehr grosses Gewicht legt auf die Definition der neuere Dogmatismus seit Cartesius, und auch Kant, obschon er die Erkenntniss des Wesens der Dinge nicht für erreichbar hält, giebt viel auf die Strenge der definitorischen Form. Ueber das Element der Definition in Leibnizens Philosophie handelt Trendelenburg in den Monatsber. der Berl. Akad. d. Wiss. Juli 1860, wiederabg. in Tr.'s hist. Beitr. zur Philos. Bd. III, Berlin 1867, S. 48-62; vgl. Log. Unters. 2. Aufl., Bd. II., S. 232, 3. Aufl. S. 247 ff. Leibniz lehrt, dass das Geschlecht und der artbildende Unterschied sich nicht selten vertauschen lassen, indem der Unterschied Geschlecht und das Geschlecht Unterschied werden könne; diese Ansicht muss jedoch, wenn sich in dem gegenseitigen Verhältniss der Inhaltselemente nach der Consequenz der Aristotelischen Ansicht ein reales Verhältniss abbilden soll, auf den Fall eingeschränkt werden, wo mehrere Bestimmungen gleich wesentlich sind, wie z. B. das adulari ebensowohl als mentiri laudando, wie auch als laudare mentiendo, ut placeas laudato, definirt werden kann. Die Hegel'sche Philosophie

hebt die Begriffsbestimmung auf in der dialektischen Genesis des Begriffs. Nach der Ansicht Lotze's (Syst. d. Philos. Bd. 1. Logik Buch 1. Kap. 1. C. Die Bildung des Begriffs S. 45 scheint in der Logik der Name des Begriffs nicht jene vornehme Bedeutung haben zu dürfen, die ihm die Schule Hegel's gegeben hat, und in welcher er darauf Anspruch macht, die Erkenntniss der wesentlichen Natur seines Gegenstandes auszudrücken. Der Unterschied zwischen logischen Formen und metaphys. Gedanken ist auch hier zu beachten. Es mag einen bevorzugten Begriff geben, welcher die Sache selbst in ihrem Sein und ihrer Entwickelung verfolgt, oder zum Standpunkt der Auffassung den in ihr selbst liegenden Mittelpunkt wählt, von welchem aus sie ihr eigenes Verhalten bestimmt und ihre eigene Wirksamkeit gliedert; aber es ist nicht Aufgabe der Logik, ihrer Begriffsform stets nur diese auserlesene Füllung zu geben. Der logische Begriff gilt uns als eine Denkform, welche ihren Inhalt, von irgend welchem Standpunkte aus, so auffasst, dass aus dieser Auffassung Folgerungen zu ziehen sind, welche an bestimmten Punkten richtig wieder mit dem zusammentreffen, was aus diesem Inhalte selbst, aus der Sache selbst fliesst; nach der Wahl jener Standpunkte, für deren jeden sich die Sache anders projicirt, kann es daher verschiedene gleich richtige und gleich fruchtbare logische Begriffe desselben Gegenstandes geben. Mag darum Begriff immerhin jede Auffassung heissen, die, wenn auch nur mit Hülfe eines selbst nicht weiter zergliederten Allgemeinbildes, dies leistet, den gegebenen Gegenstand einer Regel seines Verhaltens zu unterwerfen, deren Anwendung mit diesem wirklichen Verhalten in Uebereinstimmung bleibt.

Sigwart in s. Logik Bd. 1. Th. 1. Abschn. 1 Die Vorstellungen als Elemente des Urtheils und ihr Verhältniss zu den Wörtern, und Th. 2. Absch. 1 Der Begriff hat sich bemüht, die psychologische Betrachtung der verschiedenen Gattungen von Vorstellungen, die überall die Voraussetzung des wirklichen Denkens und Redens bilden, von der Aufstellung der idealen Normen der vollkommenen Constanz und Bestimmtheit der Vorstellung, sowie der Eindeutigkeit und Allgemeingültigkeit ihrer Wortbezeichnung, welche den logisch vollkommenen Begriff constituiren, auch äusserlich zu trennen, hat übrigens wiederholt dabei hervorgehoben, dass die kunstmässige Begriffsbildung nur den Process vollende, der überall schon begonnen hat. Er will nur den Terminus >Begriff für den logisch vollkommenen Begriff reserviren und die früheren Entwickelungsstadien mit dem allgemeineren Wort Vorstellung bezeichnen, also psychologische und logische Betrachtungsweise trennen. In diesem Sinne hat er Bestimmtheit und Allgemeingültigkeit als Merkmale des vollendeten Begriffs, den er logischen Begriffe nennt, hingestellt, aber diese Merkmale eben der natürlichen Vorstellung, weil sie schwankend und individuell different ist, abgesprochen. Dass Wundt in s. Logik Bd. 1. S. 89 dies missverstanden hat, wenn er in der Vertheidigung seiner Neigung den

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