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welche Objecte ihrer Natur nach zusammengehören und den Umfang eines und des nämlichen Begriffes ausmachen, so können wir uns hiernach freilich auch in der Aufsuchung der wesentlichen Eigenschaften orientiren; aber wie können wir jene Zusammengehörigkeit wissenschaftlich erkennen und die Grenzen des Umfangs richtig bestimmen, so lange wir noch nicht die wesentlichen Merkmale von den unwesentlichen zu unterscheiden vermögen? Gehören die Wale zum Umfange des Begriffs der Fische? Gehört die Atomistik zum Umfange des Begriffs der Sophistik? Gehört die in den pseudo- clementinischen Homilien vertretene Richtung zu denen, die in den Umfang des Begriffs der Gnosis fallen? Gehört Johannes Scotus (Erigena) zu den Scholastikern? Tiedemann sagt (Geist der spec. Philos. IV, S. 338): »Scholastische Philosophie ist diejenige Behandlung der Gegenstände a priori, wo nach Aufstellung der meisten für und wider aufzutreibenden Gründe in syllogistischer Form die Entscheidung aus Aristoteles, den Kirchenvätern und dem herrschenden Glaubensgebäude genommen wird, und folgert aus dieser Begriffsbestimmung, dass die eigentliche Scholastik erst nach dem Bekanntwerden der Metaphysik des Aristoteles, das gegen des zwölften Jahrhunderts Ausgang erfolgt sei (nachdem vorher nur die » Vernunftlehre bekannt war), im Anfang des dreizehnten Jahrhunderts begonnen habe. Ob seine Begriffsbestimmung zu billigen sei, muss sich aus einer von vorheriger Feststellung des Umfangs unabhängigen Erwägung der Wesentlichkeit der Merkmale ergeben. Jede Frage dieser Art kann auf wissenschaftliche Weise nur entschieden werden, wenn zuvor und also unabhängig von der Begrenzung des Umfangs über die Wesentlichkeit oder den Grad der Wesentlichkeit der Merkmale entschieden worden ist. Worin liegen nun die Kriterien? Die subjectivistisch-formale Logik, sofern sie die Denkformen nicht aus der Beziehung zu den Existenzformen verstehen und als Erkenntnissformen betrachten will, erweist sich als unzulänglich, diejenige Begriffsbildung zu normiren, welche die positiven Wissenschaften erstreben. Nicht viel zureichender ist die nicht seltene Erklärung der wesentlichen Merkmale als der bleibenden, beharrlichen Eigenschaften (z. B. in Ritter's Logik, 2. Aufl.

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sofern unumwunden zu, als er erklärt, seine Unterscheidung sei da vollkommen gerechtfertigt und durch keine andere ersetzbar, wo es sich nur um die analytische Definition eines durch seine allgemein gebräuchliche Benennung gegebenen Begriffes handle, wo wir nur den dem gegebenen Namen entsprechenden Begriff suchen. Aber meine Behauptung richtet sich eben darauf, dass die subjectivistisch-formale Logik ohne Ueberschreitung ihres Princips nur die Normen für die Lösung jener bloss elementaren und propädeutischen Aufgabe aufstellen könne, also nur einen geringen Theil der Normen des Denkens und nicht, wie es in Drobisch' Logik, § 2 (2. Aufl. S. 2; 3. u. 4. A. S. 3) verheissen wird, schlechthin die Normalgesetze des Denkens. Die Betrachtung der synthetischen Formen des Denkens kann nur dann wissenschaftlich befriedigen, wenn sie auf die Beziehung derselben zu den Existenzformen (z. B. des Erkenntnissgrundes zu dem realen Causalverhältniss, des Begriffs zu dem realen Wesen) basirt wird.

-S. 67). Denn in Hinsicht auf das Zeitmaass der Beharrung würde jene Bestimmung gar nicht zutreffen, da oft die höchste und wesentlichste Form gerade die vorzüglichste, der rasch vorübergehende Culminationspunkt des Lebens ist; soll aber damit nur die Unzertrennlichkeit von dem Objecte bezeichnet werden, so lange dasselbe bleibt, was es ist, oder so lange dasselbe noch unter den nämlichen Begriff fällt und mit dem nämlichen Namen benannt werden darf, so wiederholt sich der obige Cirkel. Das Princip der Gruppirung der Objecte nach den wichtigsten Eigenschaften als denen, welche die grösste Aehnlichkeit oder natürliche Verwandtschaft begründen (auf welches z. B. Mill, Induct. Logik, übers. v. Schiel, 1. Aufl. S. 526 ff., System d. Log. Bd. 1, Buch 1, Cap. 8 u. Bd. 2, Buch 4, Cap. 4 die Begriffsbildung basirt wissen will), lässt die Frage offen, in welchen Beziehungen die betreffenden Objecte verwandt sein müssen. Eine Aehnlichkeit in vielen und selbst in den meisten Beziehungen würde die Zusammenfassung und Subsumirung unter den nämlichen Begriff noch keineswegs rechtfertigen, wofern etwa die vielen gerade die minder bedeutenden wären. Also in den bedeutenden, wichtigen, wesentlichen Bestimmungen. Dann aber kommen wir eben auf die Frage zurück, welche als die wesentlichen zu erachten seien. Aehnlich ist über H. Taine's Definition des wesentlichen Charakters zu urtheilen (Philos. der Kunst, in's Deutsche übersetzt, Paris u. Leipzig 1866, S. 43): der wesentliche Charakter ist eine Eigenschaft, aus der alle übrigen oder wenigstens viele andere Eigenschaften nach feststehender Zusammengehörigkeit hervorgehen; die genetische Abfolge ohne Berücksichtigung von Werthverhältnissen ist zur Bestimmung des Wesentlichen schwerlich zureichend; zudem pflegt nicht ein Moment eines Objects aus anderen, sondern die Gesammtheit der Merkmale aus früheren, keimartigen Zuständen hervorzugehen; die Zusammengehörigkeit und Ableitbarkeit aber pflegt gerade da, wo sie in der strengsten Form vorhanden ist, eine wechselseitige zu sein, so dass in derselben wiederum kein Kriterium liegt, welche unter den zusammengehörigen Merkmalen die wesentlichen seien. Die Schelling 'sche Naturphilosophie, indem sie die (im Aristotelischen Sinne modificirte) Platonische Ideenlehre mit der Substanzlehre des Spinoza zu verschmelzen sucht, findet das reale Gegenbild der Begriffe in den Ideen als den schöpferischen Typen oder Gattungscharakteren, den Vermittlern zwischen der Einheit der Substanz und der unendlichen Vielheit der Einzelwesen. Hegel sucht nicht ein reales Gegenbild des Begriffs, sondern hält den Begriff ebensosehr für die Grundform der objectiven Realität, wie des subjectiven Gedankens. Er definirt den Begriff als die höhere Einheit und die Wahrheit des Seins und des Wesens, als die für sich seiende substantielle Macht, daher als das Freie und die Wahrheit der Substanz (Logik II, S. 5 ff. in der Ausg. von 1834; Encyclop. § 158 ff.). Aber der Begriff als eine Form des menschlichen Denkens und Erkennens ist hierdurch nicht zureichend charakterisirt. Nach Ulrici (Log. S. 452) ist der logische Begriff die Allgemeinheit als Kategorie

des unterscheidenden Denkens. Aber durch die blosse Kategorie der Allgemeinheit wird der Begriff noch nicht genügend von der allgemeinen Vorstellung unterschieden. In einer Monographie über den Begriff erklärt Hippolyt Tauschinski (Wien 1865) denselben als das geistige Zeichen für das Verhältniss einer Vorstellungseinheit zu der Gesammtheit aller übrigen Vorstellungen (nämlich theils der verwandten, die das genus proximum ausmachen und von denen sie sich durch die differentia specifica unterscheidet, theils der heterogenen Vorstellungen). In der That handelt es sich bei dem Begriff vielmehr um die Vorstellung in ihrem Verhältniss zu anderen oder mit Rücksicht auf ihr Verhältniss zu anderen, als um dieses Verhältniss selbst oder um ein geistiges Zeichen desselben; die Natur dieses Zeichens ist dabei ganz unbestimmt geblieben; die Kenntniss des Verhältnisses ist mehr für die Erklärung und Entwickelung des Begriffs, als für den Besitz des Begriffs selbst nothwendig; endlich gilt alles, was Tauschinski aufstellt, sofern es überhaupt zutreffend ist, bereits von der unvollständig reproducirten Vorstellung und berührt nicht das Eigenthümliche des Begriffs, welches in der Beziehung auf die Wesentlichkeit der Merkmale liegt. -Beneke rechnet (Syst. der Log. I, 255 ff., II, 199 ff.) den Begriff, den er mit der allgemeinen Vorstellung identificirt, den Formen des analytischen Denkens zu, und hält mit Unrecht die Correspondenz zwischen dem Begriff und Wesen für eine solche, die bloss in zufälligen Umständen begründet sei. Doch giebt er zu, dass der Begriff dadurch, dass er die Natur und das Wesen der Dinge, ihre charakteristischen Eigenthümlichkeiten, ihre innere Organisation oder (nach Dressler's Ausdruck, prakt. Denklehre S. 77) die Bedeutung, die den betreffenden Objecten in der Stufenreihe der Dinge zukomme, darstelle, seine vollste wissenschaftliche Bedeutung gewinne. Schleiermacher unterscheidet die sinnliche und intellectuelle Seite des Begriffs. Die erstere ist das Schema (Dial. § 110 ff.; § 260 ff.) oder das Gemeinbild, d. h. das sinnliche Bild des Einzelobjectes, verschiebbar vorgestellt und dadurch zum allgemeinen Bilde geworden, aus welchem mehrere einander nebengeordnete besondere Bilder gleich gut entstehen können. Hinsichtlich der intellectuellen Seite erkennt Schleiermacher (Dial. § 185 ff.) in dem System der Begriffe dasjenige Gebilde der denkenden Vernunft oder der intellectuellen Functions, welchem im realen Sein das System der substantiellen Formen oder der Kräfte und Erscheinungen entspreche, im Gegensatz zu dem System der Urtheile als dem Correlate des Systems der Actionen. Diese Schleiermacher'sche Bestimmung hält, sofern sie den Begriff als Erkenntnissform zu einer entsprechenden Existenzform in Beziehung setzt, im Allgemeinen die richtige Mitte zwischen den einander entgegengesetzten Einseitigkeiten der subjectivistisch - formalen und der metaphysischen Logik; ein Mangel derselben möchte jedoch darin liegen, dass sie nicht scharf genug zwischen der Substanz in der Bedeutung: Seiendes, Ding, ens, und Substanz in der Bedeutung: Wesen, Wesenheit, essentia, unterscheidet, was, wie es scheint, eine Nachwirkung der Aristotelischen Unbestimmtheit im Gebrauche des

Wortes ovoía ist. Nicht jede Vorstellung eines Dinges ist Begriff, und nicht jeder Begriff geht auf ein Ding; die Vorstellung ist Begriff, falls in ihr das Wesentliche vorgestellt wird, sei es von einem Dinge, oder von einer Handlung, Eigenschaft, Beziehung (was zum Theil auch Schleiermacher selbst anerkennt Dial. S. 197; 340; 545). Den Gegensatz des höheren und niederen Begriffs parallelisirt Schleiermacher (Dial. § 180 ff.) mit dem Gegensatze von Kraft und Erscheinung oder allgemeinem Ding (Gattung, Art) und Einzelding, so dass z. B. die Sehkraft des Auges zu dem einzelnen Auge als einer Erscheinung dieser Kraft in analogem Verhältnisse zu denken ist, wie der allgemeine Begriff des Auges zu dem individuellen Begriff des einzelnen Auges. Diese Lehre wurzelt in der Aristotelischen von der thätigen Kraft (¿vrɛkézɛα) als dem Wesen: ὄψις ουσία ὀφθαλμοῦ ἡ κατὰ τὸν λόγον (Arist. de anima II, 1). Mit der Schleiermacher'schen Definition des Begriffs kommt die Ritter'sche überein (Log. 2. A. S. 50): »die Form des Denkens, welche den bleibenden Grund der Erscheinung darstellt«; (S. 56): »das Sein, welches im Begriffe dargestellt wird, ist ein Bleibendes, welches aber in veränderlichen Thätigkeiten sich bald so, bald anders zeigen kann; ein solches Sein nennen wir ein lebendiges Ding oder eine Substanz«; (Syst. der Logik und Metaph. II, S. 13): >wenn der Verstand das einzelne Ding als den bleibenden Grund vieler Erscheinungen (oder nach S. 5 als Substanz) zu denken strebt, so wird sein Gedanke eine Form annehmen müssen, in welcher die Bedeutung vieler Erscheinungen zusammengefasst oder begriffen wird; einen jeden solchen Gedanken nennen wir einen Begriff, und wenn er diese Bedeutung in den Gedanken eines individuellen Dinges zusammenfasst, einen individuellen Begriff; (S. 297): der allgemeine Begriff stellt die Gesammtheit der besonderen Wesen in ihren Thätigkeiten dare. Trendelenburg versteht (Log. Unters. II, Sect. XIV u. XV) unter dem Begriff die Form des Denkens, die der realen Substanz als geistiges Abbild entspreche. In ähnlicher Weise nennt Lotze (Log. S. 77 ff.) Begriff jeden Inhalt, der nicht bloss wie die Vorstellung als das zusammengehörige Ganze seiner Theile gedacht, sondern dessen Mannigfaltigkeit auf eine logische Substanz bezogen werde, die ihm die Weise der Verbindung seiner Merkmale zubringe. In der That aber kommt die Beziehung auf eine Substanz auch schon der substantivischen Vorstellung zu und ist nicht der unterscheidende Charakter des auf das Essentielle gehenden Begriffs. Dass das Essentielle die Logik nichts angehe (wie Lotze meint, Log. S. 82), kann wenigstens vom Standpunkte der Logik als Erkenntnisslehre aus nicht zugegeben werden; vergl. Syst. d. Philos. Bd. 1, Cap. 1, S. 25 u. ff.

§ 57. Wir erkennen und unterscheiden das Wesentliche a. bei uns selbst theils unmittelbar durch das Gefühl, theils mittelhar durch die Ideen. Das Gefühl ist das unmittelbare Bewusstsein von dem Verhältniss unserer Thätigkeiten und Zustände zu dem Bestehen und der Entwickelung

unseres Gesammtlebens oder auch der einzelnen Seiten und Organe desselben, oder des Lebens anderer beseelter Wesen, zu denen wir in Beziehung stehen. Die Förderungen werden mit Lust, die Hemmungen und Zerstörungen mit Unlust und Schmerz empfunden. Insbesondere bekundet sich in den Achtungs- und Scham-Gefühlen die Abstufung des Werthes der verschiedenen Förderungen, je nachdem dieselben sinnlicher oder geistiger Art, von vorwiegender Passivität oder Activität, vereinzelt oder zusammenhängend, auf den Einzelnen beschränkt oder auf eine weitere Gemeinschaft ausgedehnt sind, oder jenes Werthverhältniss, auf welchem die ethische Norm des menschlichen Wollens und Handelns beruht. Aus den einzelnen ethischen Gefühlen erwachsen (abstractiv) die ethischen Ideen. Die Erkenntniss des eigenen Wesens beruht theils auf dem Bewusstsein der sittlichen Ideen, theils auf der Messung unseres wirklichen Seins an denselben. b. Vermöge der Erkenntniss des Wesentlichen in uns erkennen wir das Wesen der Personen ausser uns mehr oder minder adäquat je nach dem Maasse ihrer Verwandtschaft mit unserem eigenen Sein. Doch ist das Verhältniss zwischen der Erkenntniss unser selbst und Anderer ein wechselseitiges; denn es ist auch wiederum die Klarheit und Tiefe der Erkenntniss unseres eigenen Wesens durch den Verkehr mit Anderen und durch den lebendigen Zusammenhang mit der geschichtlichen Gesammtentwickelung des Menschengeschlechtes bedingt (gleich wie man in theologischem Betracht sagen kann, das Verständniss der inneren Offenbarung Gottes an uns sei ebensosehr durch das Verständniss der geschichtlichen Offenbarung, wie dieses durch jenes bedingt). c. Das Wesen oder der innere Naturzweck des Thieres und der Pflanze ist das Analogon der sittlichen Aufgabe des Menschen und nach dem Maasse dieser Analogie erkennbar. Diese Analogie wird zwar beschränkt, aber nicht aufgehoben durch den dreifachen Gegensatz: dass die Kräfte der unpersönlichen Wesen von einer sehr verschiedenen und niederen Art sind; dass sie nicht durch ein Handeln mit Bewusstsein und Freiheit ihre Bestimmung zu erreichen streben, sondern mit unbewusster Nothwendigkeit den ihnen innewohnenden Trieb bethätigen,

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