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die Wahrnehmung die äussere Ordnung der Dinge oder ihre Räumlichkeit und Zeitlichkeit, wobei sie auf ideale. Weise die reale Bewegung nachbildet, und

das Denken die innere Ordnung,

welche der äusseren zum Grunde liegt. Die Formen des Denkens gliedern sich gemäss den Existenzformen, in welchen die innere Ordnung besteht, und entsprechen denselben in folgender Weise:

die Anschauung oder Einzelvorstellung der objectiven Einzelexistenz,

der Begriff nach Inhalt und Umfang dem Wesen und der Gattung oder Art,

das Urtheil den objectiven Grundverhältnissen oder Relationen,

der Schluss der objectiven Gesetzmässigkeit,

das System der objectiven Totalität.

Die Eintheilung der angewandten oder besonderen Logik wird durch die Wissenschaften bestimmt, auf welche die logischen Lehren Anwendung finden. Namentlich betrachtet dieselbe die Methoden der Mathematik oder der Wissenschaft von den Verhältnissen der Quantität und Form, der erklärenden und der beschreibenden Wissenschaften der Natur, der erklärenden und der beschreibenden Wissenschaften des Geistes, und der Philosophie oder der Wissenschaft der Principien.

Die Rechtfertigung dieser Eintheilung im Einzelnen fällt, sofern sie auf logischen Principien beruht, dem Contexte der systematischen Darstellung zu; sofern sie aber von metaphysischen Principien abhängt, findet die erste Anmerkung zu § 2 (s. oben S. 3) Anwendung. Zur Vergleichung dieser Eintheilung mit der früher (seit Kant) gewöhnlichsten (A. Allgemeine Logik: I. Reine allgemeine Logik: a. Elementarlehre, b. Methodenlehre; II. Angewandte allgemeine Logik. B. Besondere Logik) bemerken wir: Sofern man unter der angewandten Logik die Lehre von der Wahrnehmung und dem Verhältniss des Denkens zur Wahrnehmung versteht, fällt sie in das Gebiet unserer >reinen Logik, sofern aber (mit Ka nt, Kritik der r. V., 2. Aufl. S. 77—79, und Logik, herausg. von Jäsche 1800, S. 14) die praktischen Winke für das angemessenste Verhalten unter den mancherlei subjectiven Hindernissen des Denkens, können wir ihr nicht das Recht zugestehen, einen Abschnitt der logischen Wissenschaft zu bilden, weil sie vielmehr einen pädagogischen Charakter tragen [vergl. Hamilton, lect. on logic. I, 60], und so bleibt nur übrig, den Begriff der angewandten Logik in

demselben Sinne zu verstehen, wie man auch den der angewandten Mathematik etc. versteht, nämlich von der Anwendung der allgemeinen Regeln auf die einzelnen Gebiete, für welche sie gelten, und der Betrachtung der Modificationen, unter welchen sie auf ein jedes derselben Anwendung finden. In diesem Sinne aber fällt der Begriff der angewandten Logik mit dem der besondern Logik zusammen, und demgemäss ist auch auf der andern Seite die reine Logik mit der allgemeinen Logik zu identificiren. - Die Eintheilung der reinen Logik in Elementarlehre und Methodenlehre [vergl. Hamilton das. I, 64] vermischt das wissenschaftliche Interesse mit dem didaktischen. Im wissenschaftlichen Sinne sind nicht bloss Begriff, Urtheil und Schluss Elemente der Methode, sondern ist auch schon der Begriff ein Element des Urtheils und dieses ein Element des Schlusses, der Begriff der Elementarlehre also zu relativ, als dass er den Gegensatz gegen das Methodologische bezeichnen könnte.

§ 9. Die Geschichte der Logik hat in zweifacher Beziehung Werth und Bedeutung: a. an sich selbst, indem sie das fortschreitende Streben des menschlichen Geistes zur Anschauung bringt, sich das Verständniss seiner Denk- und Erkenntnissgesetze zu erarbeiten, b. als Mittel zum Verständniss der heutigen Gestalt der Logik, indem sie die Genesis sowohl der wissenschaftlich gesicherten Partien, als auch der in der Gegenwart herrschenden Gegensätze nachweist.

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Unter den Werken, die über die allgemeine Geschichte der Logik handeln, ist das ausführlichste und gründlichste die Geschichte der Logik im Abendlande von C. Prantl, 1. Band (die Entwickelung der Logik im Alterthum enthaltend) Leipzig 1855, 2. Band (auf die erste Hälfte des Mittelalters bezüglich) ebend. 1861, 3. Band (auf die spätere mittelalterliche Zeit bezüglich) ebend. 1867, 4. Band (auf die Zeit von der Mitte des 14. bis ins erste Drittel des 16. Jahrh. bezüglich) ebend. 1870. Eine kürzere Darstellung der Geschichte der Logik haben geboten: Barth. Keckermann, Praecognitorum logicorum tractatus III. Hanov. 1598. 1604. P. Gassendi, De origine et varietate logicae. Opp. omn. Lugd. Bat. 1658. T. I. —Jac. Frd. Reimmann, Kritischer Geschichtskalender v. d. Logica, darin das Steigen und Fallen dieser so vortreffl. Disciplin v. Anfang d. Welt bis auf d. J. nach Christi Geb. 1600 entworf. Frankf. a. M. 1699. Joh. Alb. Fabricius, Specimen elencticum historiae logicae. Hamburgi 1699. Ger. Joh. Vossius, De logices et rhetoricae natura et constitutione libri II. Nap. 1658. G. Wegner, Disquisitiuncula historico-philosophica de origine logices. Oels 1667. — Sam. Christ. Hollmann, In universam philosophiam introductio. Vitembergae 1754 (de ortu, progressu et incrementis logicae). Joh. G. Walch, Historia logicae, in s. Parerga acad. Lips. 1721. J. J. Syrbius, Institutiones philos. ration. eclecticae; u. praefat. hist. logicae

suscincte delineatur. ed. alt. Jena 1723. Col. Rösser, Institutiones logicae (append.: de artis logicae scriptoribus) Wirceb. 1775. — J. G. H. Feder, Logik u. Metaph. 4. Aufl. Hanau u. Leipzig 1775. 6. Aufl. Gött. 1786. (Instit. logicae et metaphys. 3 ed. Gött. 1787), darin Abriss e. Gesch. d. Logik. Andr. Metz, Institutiones logicae (append.: histor. logices) Bamb. et Wirceb. 1796. Fr. Calker, Denklehre od. Logik u. Dialektik nebst e. Abriss der Geschichte u. Literatur ders. Bonn. 1822. S. 13-198. C, Fr. Bachmann, System der Logik. (Th. 3. Zur Geschichte der Logik. S. 569–644.) Leipzig 1828. G. Mussmann, De logicae et dialecticae notione historica. Berlin. 1828. - L. Rabus, Logik u. Metaphysik. Th. I. Erkenntnisslehre, Geschichte der Logik, System der Logik, nebst einer chronolog. Inhalt-Uebers. üb. d. log. Literatur (s. Geschichte d. Logik bes. 2. Abth. S. 123-242. § 18-64 u. Literatur S. 514). Erlangen 1868. Fr. Harms, Die Philosophie in ihrer Geschichte. Th. 2. Geschichte der Logik (nach d. Tode d. Verf. hrsg. v. Lasson). Berlin. 1881. Ad. Franck, Esquisse d'une histoire de la logique, précédée d'une analyse étendue de l'organon d'Aristote. Paris. 1838. Für die historische Darstellung der Logik bei einzelnen Völkern oder in bestimmten Zeiten sind zu nennen: Joach. Geo. Daries, Meditationes in logicas veterum (bis auf Cartesius); in s. Via ad veritatem. 2. ed. Jenae 1764. — G. G. Fülleborn, Kurze Geschichte d. Log. b. d. Griechen; in s Beiträgen z. Gesch. d. Philos. St. 4. S. 160 ff. Züllichau 1794. J. G. Buhle, Comment. de philosophor. Graecor. ante Aristotelem in arte logica invenienda et perficienda conaminibus, in Comment. soc. reg. scientt. Göttingen T. XI. 3. p. 234 ff. 1793. — W. L. H. Freiherr von Eberstein, Vers. einer Geschichte d. Logik u. Metaph. b. d. Deutschen v. Leibnitz bis auf gegenwärtige Zeit. 2 Bde. Halle 1794-99. Andr. Metz, De philosophorum criticorum de logica meritis atque nonnullis, quae inter illos adhuc controversa sunt, capitibus logicis. Wirceb. 1799. Louis Liard, Les logiciens anglais contemporains. Paris 1878. (autoris. Uebers. v. J. Imelmann. Berlin 1880). L. Rabus, Die neuesten Bestrebungen auf d. Gebiete der Logik b. d. Deutschen u. d. log. Frage. Erlangen 1880. Schnitzer, Ueber d. neuesten Systeme d. Logik in Deutschland u. England, mit Rücks. auf Aristot. Gymn.-Progr. Ellwangen 1863.

§ 10. Die Begründung der Logik als Wissenschaft ist ein Werk des griechischen Geistes, welcher, gleich fern von der Rohheit des Nordens und von der Verweichlichung der Orientalen, Kraft und Empfänglichkeit harmonisch in sich vereinigt.

Vgl. zur allgemeinen Charakteristik Plat. de republ. IV, p. 435 E (ed. Steph.) und Arist. Polit. VII, 7. Es fehlt der empfänglichen Phantasie der Orientalen das Maass und die Haltung des strengen Gedankens; es mangelt die geistige Kraft zu echter Wissenschaftlichkeit; in ihrem Philosophiren herrscht nicht die Tendenz zur strengen Beweisführung

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und zur Darstellung in systematischer Form; wo aber die Kunst des streng wissenschaftlichen Denkens fehlt, da kann sich die Theorie noch weniger entwickeln. Doch lassen sich einige wahre und tiefe Grundgedanken nachweisen, die sich wohl geeignet hätten, einem Systeme der Logik zum Fundamente zu dienen, wenn sie consequent durchgeführt worden wären. So sagt der Chinese Meng-tse, ein Schüler des Kon-fu-tse: »Der menschliche Geist hat in sich die Möglichkeit, alle Dinge zu erkennen; er muss daher auf seine eigene Natur und sein Wesen achten, sonst irrt er. Nur der Tugendhafte kann sein eigenes Wesen ergründen; wer seine eigene Natur ergründet, kann auch die der anderen Menschen erkennen, er kann das Wesen der Dinge ergründen.< Die allgemeine vernünftige Urkraft beweist sich im Menschen als das Gesetz der Tugend (s. Wuttke, das Heidenthum II, Breslau 1853, S. 102). Bei den Indern finden wir namentlich in der Sânkhja und Njâja-Philosophie eine Aufzählung von Arten und von Gegenständen der Erkenntniss; die Sânkhja-Lehre nennt Wahrnehmung, Folgerung (von der Ursache auf die Wirkung und umgekehrt und nach Analogie) und Tradition (nach menschlichem Zeugniss und göttlicher Offenbarung), die Njâja ausserdem noch die Vergleichung als Erkenntnissweisen; die Njâja, die sich vielleicht erst unter griechischem Einfluss ausgebildet hat, kennt auch bereits den Syllogismus, Njâja, nach welchem das System selbst benannt ist, in der Form von fünf Sätzen, die jedoch nur durch Wiederholung des Unter- und Schlusssatzes aus den drei Urtheilen hervorgehen, nach folgendem Schema. Thesis: der Hügel ist feurig. Grund: denn er raucht. Beweis: was raucht, ist feurig. Anwendung: der Hügel raucht. Schlusssatz: also ist er feurig. [Vergl. Colebrooke's Misc. Essays I. 8 S. 292 und Aphorisms of the Nyaya Philosophy by Gautama, Allahabad 1850.] - Ob die Aegypter logische Theorien gebildet haben, ist mindestens sehr zweifelhaft. Plato rühmt wohl das Alter ihrer Erfahrung, aber keineswegs die Höhe ihrer philosophischen Bildung. Die griechischen Denker mussten, wiewohl sie mit der ägyptischen Weisheit bekannt geworden waren, doch die Grundlehren der Logik ebensowohl, wie die Beweise zu den Elementarsätzen der Geometrie erst selbst auffinden. Die Griechen haben ohne Zweifel in materieller Beziehung von den Aegyptern und von den Orientalen überhaupt nicht Weniges gelernt; der griechische Geist mag zu seiner Entwickelung der Anregung von Aussen bedurft haben; aber das Wesentlichere, die wissenschaftliche und künstlerische Form, verdankt er nicht der Fremde, mit wie reger Empfänglichkeit er auch ihre Schätze sich angeeignet haben mag, sondern der ihm eingebornen selbständigen Kraft. Vgl. Hegel, Philos. der Geschichte, 1837, S. 246: >aus dem natürlich Empfangenen haben die Griechen das Geistige bereitet, und die hiermit zusammenstimmende Aussage von Lepsius (die Chronologie der Aegypter, Bd. I, S. 55): dass die Griechen in dieser wichtigen Periode (des Thales, Pythagoras etc.) die Gelehrsamkeit der Barbaren aller Orten wie reifes Korn in den Scheunen sammelten zu neuer Aussaat auf ihrem eigenen triebkräftigen Boden.

Empedokles lehrt, dass die

§ 11. Die Speculation der ältesten Ionischen Naturphilosophen (im 6. Jahrh. vor Chr.) namentlich des Thales, Anaximander, Anaximenes, richtete sich nur unmittelbar auf die Dinge, nicht auf die menschliche Erkenntniss der Dinge. Jüngere Naturphilosophen (im 5. Jahrh.) namentlich Heraklit, Anaxagoras, Leukippus und Demokritus, erklären die Sinneswahrnehmung als solche für unzuverlässig; erst die mit ihr vereinigte und sie durchdringende Vernunft entscheide über die Wahrheit. Dinge und der Mensch aus den gleichen materiellen und ideellen Elementen bestehen und dass das Gleiche durch das Gleiche erkannt werde. Die Pythagoreer halten dafür, dass die Elemente der Zahlen, Grenze und Unbegrenztheit, die Elemente aller Objecte seien; sie suchen demgemäss durch mathematische Forschung und durch Zahlenspeculation alle Erkenntniss zu gewinnen. Xenophanes aus Kolophon, der Begründer der Eleatischen Philosophie, unterscheidet aus Anlass seiner theologischen Speculation das sichere Wissen von der zufällig richtigen Meinung. Sein Nachfolger Parmenides, der bedeutendste unter den Eleatischen Philosophen, gewinnt in der Polemik gegen die Heraklitische Lehre von dem allgemeinen Flusse der Dinge und von der Identität der Gegensätze zuerst das theoretische Bewusstsein von dem Grundsatze der Identität und des Widerspruchs, wiewohl noch in unvollkommener Form. Zugleich lehrt Parmenides die Identität des Denkens mit dem Seienden, welches gedacht werde. Er setzt die durch das Denken zu gewinnende tiberzeugungskräftige Erkenntniss des Einen, das wahrhaft sei, zu der auf Sinnentrug beruhenden Meinung von der Vielheit und dem Wechsel des Seienden in strengen Gegensatz. Sein jüngerer Genosse, der Eleate Zeno, übte zuerst in strengerer Form die Kunst der philosophischen Gesprächführung, insbesondere die Kunst des indirecten Beweises, weshalb ihn Aristoteles den Erfinder der Dialektik nennt.

Heraklit bei Sext. Empir. adv. Math. VII, 126: Kazoì μávτvQES ἀνθρώποισιν ὀφθαλμοὶ καὶ ὦτα βορβόρου ψυχὰς ἔχοντος (nach der Conjectur von Jac. Bernays; gew.: Bagßágovs yuyàs ¿xóvτwv). Derselbe bei Diog. Laërt. IX, 1: Πολυμαθίη νόον οὐ διδάσκει· . . . ἓν τὸ σοφόν· ἐπίστασθαι γνώμην, ἦτε οἰακίζει (nach der Conjectur von Bernays; gew.:

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