Page images
PDF
EPUB

bestimmt, dass es sowohl das der Kreuzung, als auch das des völligen Getrenntseins sein kann.

In analoger Weise lassen sich die verschiedenen Verhältnisse in den Urtheilen und Schlüssen symbolisiren, s. unten § 71; § 85 ff.; § 105 ff.; das Geschichtliche darüber s. unten § 85.

Ueber die hierhergehörigen Lehren des Plato und des Aristoteles vgl. §§ 51 und 56. Nach Plato hat das einzelne Gute Theil (uεTEye) an der Idee des Guten und so jedes Einzelne an der betreffenden Idee; innerhalb der Ideenwelt wird (nach Plat.? Soph. p. 250 B) das Niedere (logisch Untergeordnete) von dem Höheren umfasst (EQIÉZETC). Das Allgemeinere ist dem Aristoteles das agóτegor qúoɛi (s. unten zu § 139); er gebraucht von Begriffen, die im Verhältniss der Unterordnung stehen, die Ausdrücke: πρῶτος, μέσος und ἔσχατος ὅρος (Anal. pr. I, 1 u. 4) und sagt von dem untergeordneten Begriff hinsichtlich seines Umfangs, derselbe sei in dem höheren ganz einbegriffen oder von demselben umfasst (ἐν ὅλῳ εἶναι τῷ μέσῳ, TO 700, ebend.). An diesen Aristotelischen Ausdruck hat sich die Darstellung der Vorstellungsverhältnisse durch Kreise geknüpft, welche sich zuerst in dem von J. Ch. Lange verfassten Nucleus Log. Weisianae 1712 nachweisen lässt, s. unten § 85. Ueber den conträren Gegensatz vgl. (Plat.?) Soph. p. 257 B, wo Evavríor und Erepov unterschieden wird; Arist. Metaph. IX, 4. 1055 a. 4, wo der Gegensatz als die uɛylorŋ Siayogć zwischen Species derselben Gattung bestimmt wird. Auf gleichgeltende Vorstellungen bezieht sich der Aristotelische Ausdruck (Eth. Nic. V, 3. 1130 a): ἐστὶ μὲν ταὐτό, τὸ δὲ εἶναι οὐ τὸ αὐτό. Der Ausdruck disjunct knüpft sich an den Aristotelischen άvridinonuévov (Top. VI, 6. 143 a. 34 und näher an den späteren Terminus diaevis (vgl. unten § 123). § 54. Der höheren Vorstellung kommt, da sie nur die übereinstimmenden Inhaltselemente mehrerer niederen Vorstellungen enthält, im Vergleich mit einer jeden der niederen ein beschränkterer Inhalt, aber ein weiterer Umfang zu. Die niedere Vorstellung dagegen hat einen reicheren Inhalt, aber engeren Umfang. Doch wird keineswegs durch jede Verminderung oder Vermehrung eines gegebenen Inhalts der Umfang vermehrt oder vermindert, noch auch durch jede Vermehrung oder Verminderung eines gegebenen Umfangs der Inhalt vermindert oder vermehrt. Ebensowenig herrscht in den Fällen, wo die Verminderung des Inhalts eine Vermehrung des Umfangs und die Vermehrung des Inhalts eine Verminderung des Umfangs zur Folge hat, das Gesetz einer genauen umgekehrten Proportionalität.

Drobisch (Logik, 2. Aufl. S. 196-200, 3. Aufl. S. 206, 4. Aufl. S. 210) versucht das Verhältniss, welches zwischen der Zunahme der

Grösse des Inhalts und der Abnahme der Grösse des Umfangs besteht, auf einen mathematischen Ausdruck zu bringen. Er weist nach, dass nicht der Inhalt dem Umfang umgekehrt proportional sei, sondern dass andere Verhältnisse bestehen, und zwar (um hier nur das Wichtigste zu erwähnen), dass unter der einfachsten Voraussetzung, d. i. wenn in der Reihe der Unterordnungen die Zahl der Vorstellungen, die einer jeden zunächst untergeordnet oder um ein Inhaltselement reicher sind, immer wieder die gleiche sei, und wenn zugleich der Umfang ausschliesslich nach der Zahl der Vorstellungen der untersten Ordnung gemessen werde, die Grösse des Umfangs nach einer geometrischen Reihe zuoder abnehme, während die Grösse des Inhalts nach einer arithmetischen Reihe ab oder zunehme. Drobisch bringt diesen Satz noch auf zwei andere gleichbedeutende Ausdrücke, nämlich: der Umfang einer Vorstellung ist unter der obigen Voraussetzung umgekehrt proportional derjenigen Potenz, deren Basis durch die Zahl der einer jeden Vorstellung zunächst untergeordneten Vorstellungen, und deren Exponent durch die Zahl der Inhaltselemente jener Vorstellung gebildet wird; unter der gleichen Voraussetzung ist die Differenz zwischen der (grösseren) Zahl der Inhaltselemente einer der untersten Vorstellungen und der (kleineren) Zahl der Inhaltselemente irgend welcher Vorstellung dem Logarithmus der Zahl, welche die jedesmalige Grösse des Umfangs ausdrückt, direct proportional. Die Anwendung dieser Untersuchung (die als mathematisch-logische Speculation sehr werthvoll ist) scheitert jedoch in den meisten Fällen an dem Umstande, dass die Möglichkeit des Zusammenseins der Merkmale zufolge realer Abhängigkeitsverhältnisse eigenthümlichen Beschränkungen zu unterliegen pflegt, die sich nicht. auf allgemeine Formeln bringen lassen. So fallen z. B. in den Umfang der allgemeinen Vorstellung: Dreieck (oder genauer: ebenes geradliniges Dreieck), wenn der Inhalt derselben durch die beiden Reihen disjuncter Theilvorstellungen: spitzwinklig, rechtwinklig und stumpfwinklig, und gleichseitig, gleichschenklig und ungleichseitig, näher bestimmt wird, nicht neun unterste Vorstellungen, sondern nur sieben, weil nämlich die beiden Combinationen: rechtwinkliges gleichseitiges, und: stumpfwinkliges gleichseitiges Dreieck, zufolge der geometrischen Abhängigkeitsverhältnisse zwischen den Seiten und Winkeln eines Dreiecks keine Gültigkeit haben*). Bei Vorstellungen, die sich auf Natur

*) Zur Veranschaulichung diene folgendes Schema:
(Geradliniges ebenes) Dreieck.
rechtwinklig

spitzwinklig

gleichs. gleichsch. [gleichs.] gleichsch.

ungleichs.

stumpfwinklig [gleichs] gleichsch. ungleichs.

ungleichs. Werden die ungültigen Combinationsformen [gleichs. rechtw. Dr.] und [gleichs. stumpfw. Dr.] mitgezählt, so ergiebt sich allerdings folgende (den Drobisch'schen Sätzen entsprechende) Rechnung: Dreieck, Inh. a, Umf. = 9 = 32. Spitzw. Dr., Inh. = a + 1, Umf. = 3 Gleichs. spitzw. Dr., Inh. = a + 2, Umf. = = 1 = 3o. Aber die Ungültigkeit jener zwei Formen macht die Rechnung imaginär.

=

= 31.

objecte und Verhältnisse des geistigen Lebens beziehen, ist die Anwendbarkeit dieser Gesetze sehr häufig noch in weit höherem Maasse beschränkt. Mitunter findet sich allerdings die Voraussetzung realisirt, unter der (wie Drobisch in der 4. Aufl. seiner Logik, S. 215, hervorhebt) die Theorie Gültigkeit hat, dass die Arten jeder Ordnung sämmtlich durch die Artunterschiede der folgenden Ordnung determinirt werden können, aber in voller Strenge doch in verhältnissmässig seltenen Fällen. Die subjectivistisch-formale Logik vermag als solche nicht auf den Grund der beschränkten Gültigkeit jener Voraussetzung einzugehen, der eben in realen Abhängigkeitsverhältnissen liegt.

Die allgemeine Vorstellung lässt sich (mit Trendelenburg, log. Unters. II, S. 154; 2. Aufl. II, S. 220 ff., 3. Aufl. S. 244 ff.) der unbestimmten, aber in einigen Grundzügen markirten Zeichnung vergleichen, bei welcher im Ganzen die Umrisse dastehen, aber im Einzelnen ein freier Spielraum für die ergänzende Phantasie übrig bleibt, so dass das Gemeinbild innerhalb der Grundstriche, die seine Grenzen bilden, gleichsam elastisch ist und die mannigfaltigste Gestaltung annehmen kann. Will man nun (mit Lotze, Logik, S. 71 ff.; S. 79 u. System d. Philos. Bd. 1. Cap. 1. 31. S. 50) diese Unbestimmtheit und Elasticität eine eben so grosse Anzahl unbestimmter, aber bestimmbarer Merkmale oder Allgemeinheiten der Merkmale nennen, als die niedere Vorstellung deren bestimmte einzelne in sich fasse, so lässt sich unter Voraussetzung dieser Terminologie der alten Lehre, dass die höhere Vorstellung bei reicherem Umfang einen ärmeren Inhalt habe, mit einem gewissen Rechte die neue Lehre gegenüberstellen, dass der Inhalt der höheren Vorstellung dem Inhalte der niederen in der Zahl der Merkmale nicht nachstehe. Allein diese Terminologie ist künstlich und ungerechtfertigt. Die Kraft des reicheren Inhalts muss sich allerdings (wie Trendelenburg, log. Unters. II, S. 159, 2. Aufl. S. 226 ff., 3. Aufl. S. 250 fordert) auch in Bezug auf den Umfang bethätigen; aber die Weise, wie sie sich bethätigt, ist nicht die Erweiterung des Umfangs, was nur nach einer dem besonderen Charakter des vorliegenden Verhältnisses fremden Analogie erwartet werden könnte, sondern ist die fortschreitende Fixirung des Gedankens auf bestimmte Objecte, welcher Aufgabe nicht durch Erweiterung, sondern nur durch Eingrenzung der anfänglich schweifenden Möglichkeit genügt werden kann. Die Gesammtheit der Einzelvorstellungen ist in der allgemeinen Vorstellung nur der Möglichkeit nach enthalten, wird aber der Wirklichkeit nach erst durch den Hinzutritt der übrigen Inhaltselemente erzeugt. Nun aber giebt es, der Natur der Sache gemäss, ausser dieser oder jener einzelnen Verbindung des gemeinsamen Merkmals mit einer bestimmten Gruppe ungleichartiger Merkmale in der Regel auch noch andere Verbindungen, in welche das nämliche Merkmal eingehen kann. Der geringsten Zahl von (logischen) Inhaltselementen und (realen) Merkmalen oder Attributen entspricht zwar der weiteste, aber nur potentiell gesetzte Umfang, der grösseren Zahl ein kleinerer, in der Individualvorstellung der kleinste, aber actuell gesetzte Umfang; der weiteste Umfang end

lich gelangt zum actuellen Sein nur durch die Combination der grössten Zahl von Inhaltselementen in der Gesammtheit der Individualvorstellungen.

§ 55. Indem sich das Verhältniss der Unter- und Ueberordnung bei fortgesetzter Abstraction so lange unablässig wiederholt, bis ein einfacher Inhalt gefunden ist, so lässt sich die Gesammtheit aller Vorstellungen nach den Verhältnissen des Umfangs und Inhalts zu einer vollständig gegliederten Stufenfolge geordnet denken. Die Spitze oder obere Grenze wird durch die allgemeinste Vorstellung Etwas gebildet. Zunächst unter derselben liegen die Kategorien. Die Basis oder untere Grenze wird durch die unbegrenzte Zahl der Einzelvorstellungen gebildet.

Die Stufenordnung der Vorstellungen lässt sich mit einer Pyramide vergleichen; doch hat dieses Bild nur approximative Wahrheit, weil die Unterordnung der Vorstellungen nicht mit strenger Gleichmässigkeit fortschreitet.

Die oberste Vorstellung ist nicht die Vorstellung des Seins, sondern des Etwas, weil das Sein unter eine einzelne der Kategorien fällt, nämlich unter die der attributiven (prädicativen) Existenz, und dem Seienden als dem Substantiellen gegenübersteht, das Etwas dagegen über alle Kategorien übergreift. (Auch ein Handeln oder Leiden, auch eine Eigenschaft, auch ein Verhältniss wie z. B. bei, neben etc. ist etwas.) Allerdings gestattet der Sprachgebrauch, falls nicht die höchste formale Strenge erforderlich ist, für die in manchen Verbindungen pedantisch erscheinende Form: das Seiende, die gefälligere: das Sein, einzusetzen; aber die sprachliche Unbestimmtheit darf doch die logische Grenze nicht verwischen. An die Kategorien als die obersten formalen Bestimmungen schliessen sich die obersten materialen Gegensätze, wie Reales und Ideales, Natürliches und Geistiges, die, nach einem anderen Eintheilungsgrunde unterschieden, sich in einer jeden der Kategorien wiederholen.

§ 56. Der Begriff (notio, conceptus) ist diejenige Vorstellung, in welcher die Gesammtheit der wesentlichen Merkmale oder das Wesen (essentia) der betreffenden Objecte vorgestellt wird. Unter dem Ausdruck: Merkmale des Objectes begreifen wir nicht nur die äusseren Kennzeichen, sondern alle Theile, Eigenschaften, Thätigkeiten und Verhältnisse desselben, überhaupt alles, was in irgend einer Weise dem Objecte angehört. Wesentlich (essentialia) sind diejenigen Merkmale, welche a. den gemeinsamen und bleibenden

Grund einer Mannigfaltigkeit anderer enthalten, und von welchen b. das Bestehen des Objectes und der Werth und die Bedeutung abhängt, die demselben theils als einem Mittel für Anderes, theils und vornehmlich an sich oder als einem Selbstzweck in der Stufenreihe der Objecte zukommt. In einem weiteren Sinne heissen auch diejenigen Merkmale wesentlich, welche mit den im engeren Sinne wesentlichen Merkmalen und nur mit diesen nothwendig verknüpft sind, und deren Vorhandensein daher das Vorhandensein jener mit Gewissheit anzeigt. Die im engeren Sinne wesentlichen Merkmale werden auch grund wesentlich (essentialia constitutiva oder essentialia schlechthin), die anderen, nur im weiteren Sinne wesentlichen aber abgeleitet-wesentlich oder Attribute (essentialia consecutiva, attributa) genannt. Die übrigen Merkmale eines Objectes heissen ausserwesentlich (accidentia oder modi). Die Möglichkeit der Modi gehört zu den Attributen; denn die Fähigkeit, diese oder jene Modificationen anzunehmen, muss im Wesen des Objects begründet sein. Unter den wesentlichen Bestimmungen sind diejenigen, welche der Begriff mit den ihm neben- und übergeordneten Begriffen theilt, die gemeinsamen (essentialia communia), diejenigen aber, wodurch er sich von jenen Begriffen unterscheidet, die eigenthümlichen (essentialia propria). Die Verhältnisse oder Beziehungen (relationes) gehören in der Regel zu den ausserwesentlichen, bei Verhältniss begriffen aber zu den wesentlichen Merkmalen. In dem Maasse, wie die grundwesentlichen Bestimmungen noch nicht erkannt sind, ist die Begriffsbildung noch schwankend, so dass bei anderer Gruppirung der Objecte andere Bestimmungen als gemeinsame und wesentliche erscheinen und das ganze Verfahren sich nicht über eine Relativität, die auf zufälligen subjectiven Ansichten beruht, zu erheben vermag; in dem Maasse aber, wie dieselben erkannt werden, gewinnen die Begriffe feste wissenschaftliche Bestimmtheit und objective Allgemeingültigkeit; nur insoweit, als eine gewisse Relativität objectiv in dem nicht absolut festen Typus der realen (natürlichen und geistigen) Gruppen begründet ist, muss eine entsprechende Relativität auch bei vollendeter Erkenntniss den Begriffen anhaften.

« PreviousContinue »