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denselben die Treue in ihrer praktischen Beobachtung fördert; sie kann es ausserdem noch b. durch Rathschläge über das zweckmässigste Verfahren werden, wie unter den subjectiven Schranken und Hindernissen die Forderungen der logischen Gesetze zu erfüllen seien. In technischer Beziehung ist die Logik, falls sie nur als Lehre von der Uebereinstimmung des Denkens mit sich selbst behandelt wird, ein blosser Kanon und ein Kathartikon des Denkens, falls sie aber auch die Kriterien der materialen Wahrheit aufstellt, zugleich ein Kanon und ein Organon der Erkenntniss, wiewohl nur mittelbar in der Anwendung ihrer Gesetze auf einen gegebenen Erkenntnissstoff.

Es ist gleich falsch, die Logik nur als Organon oder Kanon, also nur als Mittel, und sie nur als Selbstzweck gelten zu lassen. Mit Recht bemerkt Hegel, so entschieden er sich (Wiss. der Logik, Ausg. von 1833-34, I. S. 13-17) gegen die erste Einseitigkeit erklärt, doch auch der zweiten gegenüber (Encycl. § 19), dass das an sich Werthvollste, das Vortrefflichste, Freieste und Selbständigste, auch das Nützlichste sei und auch das Logische so gefasst werden könne.

§ 6. Die Logik ist ein integrirender Theil des Systems der Philosophie. Die Philosophie lässt sich definiren als die Wissenschaft des Universums, nicht nach seinen Einzelheiten, sondern nach den alles Einzelne bedingenden Principien oder als die Wissenschaft der Principien des durch die Special - Wissenschaften Erkennbaren. Die Principien sind die im absoluten oder relativen Sinne ersten Elemente, von denen Reihen anderer Elemente abhängig sind. Im Systeme der Philosophie bildet die Metaphysik mit Einschluss der allgemeinen rationalen Theologie (лqúτη qilooogia, Aristot.) als die Wissenschaft von den Principien im Allgemeinen, sofern sie allem Seienden gemeinsam sind, den ersten Haupttheil; den zweiten und dritten bilden die Philosophie der Natur und die Philosophie des Geistes als die Wissenschaften von den besonderen Principien der beiden Hauptsphären des Seienden, die sich durch den Gegensatz der Unpersönlichkeit oder (relativen) Selbstlosigkeit und der Persönlichkeit oder der Fähigkeit zur denkenden Erkenntniss der Wirklichkeit und zur sittlichen Selbstbestimmung und Vervollkommnung unterscheiden. In der Geistes philosophie schliessen

sich an die Psychologie oder die Wissenschaft von dem Wesen und den Naturgesetzen der menschlichen Seele zunächst drei normative Wissenschaften an: die Logik, Ethik und Aesthetik oder die Wissenschaften von den Gesetzen, auf deren Befolgung die Realisirung der Ideen des Wahren, Guten und Schönen beruht. Das Wahre ist die der Wirklichkeit entsprechende Erkenntniss; das Gute ist die ihrer inneren Bestimmung oder ihrer Idee entsprechende Wirklichkeit als Object des Wollens und Handelns; das Schöne ist die ihrer inneren Bestimmung oder ihrer Idee entsprechende Erscheinung als Object des Gefühls und der Darstellung. An diese Wissenschaften schliesst sich ferner als zugleich contemplativ und normativ die Pädagogik oder die Lehre von der durch die genetischen Gesetze des Seelenlebens (oder die psychologischen Gesetze) bedingten Leitung der Bildungsfähigen zu den ideellen Zielen, d. h. zur Erkenntniss der Wahrheit, zum Wollen des Guten und zum Sinn für das Schöne, und die Philosophie der Geschichte oder die Wissenschaft von der thatsächlichen Entwickelung des Menschengeschlechts, wiefern dieselbe in Uebereinstimmung oder in Widerstreit mit den idealen Entwickelungsnormen erfolgt ist (mit Einschluss der philosophischen Betrachtung der Entwickelung der Cultur, der Religion, der Kunst und Wissenschaft).

Die volle Rechtfertigung dieser Begriffsbestimmung und Eintheilung der Philosophie würde über die Grenzen dieser Einleitung hinausführen; daher beschränken wir uns hier auf folgende Bemerkungen. Wollten wir unter Princip nur das schlechthin Voraussetzungslose verstehen, so würde folgerecht nur von Einem Princip die Rede sein können; nach der oben aufgestellten Begriffsbestimmung aber darf eine Mehrheit von Principien aufgenommen werden, deren jedes in seiner eigenen Reihe das Herrschende ist, beim Zutritt anderer Reihen aber, die von anderen Principien abhangen, mit diesen zugleich sich einem höheren Princip unterordnen kann, von dem es nunmehr seine Herrschaft gleichsam zu Lehen trägt. In diesem Sinne sind die gemeinsamen Principien alles Seienden und die besonderen Principien der einzelnen Sphären zu unterscheiden. Offenbar wird bei systematischer Gliederung diejenige Wissenschaft, welche von den ersteren handelt, den ersten Haupttheil der Philosophie bilden müssen. Sie führt, seitdem sie durch Aristoteles eine selbständige Gestalt gewonnen hat, den Namen: erste Philosophie (Arist. Phys. I, 9. 192 a. 36; II. 2. 194. b. 14; Metaph. V. 1. 1026. a. 16, 24; X. 4. 1061. b. 19 (pidooopla simpliciter

i. q. own piloooqía Met. X. 3. 1061. b. 5. 4. 1061. b. 25) und nach ihrer Stellung hinter der Physik im Systeme der Aristotelischen Werke den Namen Metaphysik. (Diese Anordnung stammt zwar nicht von Aristoteles selbst, sondern aus späterer Zeit, wahrscheinlich von Andronikus dem Rhodier her, entspricht aber dem didaktischen Grundsatze des Aristoteles, dass, was den Sinnen näher liege, für uns, sofern wir die wissenschaftliche Bildung erst noch suchen, ein Früheres, das Principielle aber ein Späteres sei). Der Metaphysik aber stehen diejenigen Theile der Philosophie gegenüber, welche von den besonderen Principien der einzelnen Sphären des Seins handeln. Die Eintheilung dieser Sphären in die beiden Hauptgruppen der Natur und des Geistes, des unpersönlichen und des persönlichen Seins, darf hier als anerkannt vorausgesetzt werden. Aus dieser Voraussetzung aber folgt unmittelbar, dass die Naturphilosophie und die Philosophie des Geistes als zweiter und dritter Haupttheil des Systems der Philosophie sich der Metaphysik anschliessen müssen. Die Eintheilung der Philosophie des Geistes gründet sich auf das schon von Aristoteles erkannte Gesetz, dass in der Stufenreihe der irdischen Wesen jedes höhere die Charaktere des niederen modificirt wiederum in sich trägt, und andere, höhere Charaktere hiermit vereinigt. So hat auch der Geist in sich die Naturgrundlage und Naturgesetzmässigkeit, und die Reihe der Zweigwissenschaften der Geistesphilosophie eröffnet sich daher mit der Wissenschaft von der Naturseite und den Naturgesetzen des geistigen Lebens, d. i. mit der Psychologie. Die persönliche Selbstbestimmung aber, wodurch der Geist sich über die Natur erhebt, wird durch das Bewusstsein von normativen Gesetzen oder Gesetzen des Sollens bedingt. Indem diese Gesetze aus der allgemeinen Anforderung herfliessen, die Ideen im Leben zu verwirklichen, jede der drei Hauptrichtungen des geistigen Lebens aber, Erkenntniss, Wille und Gefühl durch ihre eigenthümliche Idee beherrscht wird, so ergeben sich drei einander coordinirte Wissenschaften von den Normal- oder Ideal-Gesetzen, nämlich die Wissenschaften von den Gesetzen der Wahrheit, der Güte und der Schönheit. Da endlich der Gegensatz der Naturgesetze und der normativen Gesetze auf eine einigende Vermittelung hinweist, indem unter der Herrschaft des göttlichen Geistes Sollen und Sein eins ist, so muss zu der Psychologie und den normativen Wissenschaften die Pädagogik und die Philosophie der Geschichte treten und die Reihe der Zweigwissenschaften der Philosophie des Geistes beschliessen.

Die Ideen der Wahrheit und Schönheit stehen mit der Idee der sittlichen Güte in wesentlich gleichem Verhältniss. Sie alle können und sollen zwar auch zum göttlichen Geiste in Beziehung gesetzt werden, wie überhaupt alle früheren Kategorien in der letzten und höchsten Sphäre als Momente wiederzukehren bestimmt sind; an sich aber müssen Wahrheit und Schönheit ebensowohl wie sittliche Güte aus dem Wesen des endlichen Geistes ihr nächstes wissenschaftliches Verständniss finden. Wir können demnach nicht (mit Hegel) den Gegensatz gegen den ursprünglich noch mit der Natur verflochtenen und das erste

Stadium seiner Selbstbefreiung durchlaufenden subjectiven Geist ausschliesslich in den ethischen Verhältnissen, in Recht, Moralität und Sittlichkeit finden, sondern weisen der zweiten Sphäre ebensowohl, wie die Ethik, auch die Aesthetik und die Logik zu.

In der Lehre von den normativen Gesetzen der Erkenntniss ist die Lehre von den normativen Gesetzen des Denkens als ein Theil mitenthalten, der aber auf den Rang einer selbständigen philosophischen Doctrin keinen Anspruch hat.

Der Versuch, die Erkenntnisslehre mit der Metaphysik zu einer und der nämlichen Wissenschaft, der metaphysischen oder ontologischen Logik, zu verschmelzen, ist darum unhaltbar, weil es den Grundsätzen einer vernunftgemässen Systematisirung widerstreitet, diejenige philosophische Wissenschaft, welche auf die allgemeinsten Principien geht, mit einer einzelnen von den Zweigwissenschaften der Philosophie des Geistes unter den nämlichen Begriff zu stellen. Diese Inconvenienz würde wegfallen, wenn es gestattet wäre (mit Hegel) die Erkenntnissformen für allgemeine Formen alles Seienden, der Naturdinge ebensowohl wie der geistigen Wesen, zu erklären. Aber dieses Verfahren ist ein gewaltsames. Hegels metaphysische Logik handelt nicht nur vom Begriff, Urtheil und Schluss, sondern auch von der analytischen und synthetischen Methode, von der Definition, der Eintheilung, dem Theorem, der Construction, dem Beweis etc.; es müssen also alle diese Formen für metaphysische, mithin für Formen der Natur und des Geistes, erklärt werden, was offenbar unrichtig ist. Aber könnte auch jene Voraussetzung zugegeben werden, so würde doch immer noch der wesentliche Unterschied obwalten, dass jene Formen in der Aussenwelt nur zu einer unbewussten und gebundenen, in dem erkennenden Geiste aber zu einer bewussten und freien Existenz gelangen, und schon dieser Unterschied wäre bedeutend genug, um eine eigene Betrachtung dieser Formen als Formen des Geistes zu erheischen, wie denn auch in der That bei Hegel die Lehre vom Begriff an drei verschiedenen Stellen des Systems: in der Logik, in der phänomenologischen Lehre von der Vernunft und in der psychologischen Lehre von der Intelligenz, immer wieder vorkommt. Wir würden also trotz jenes (übrigens unzulässigen) Zugeständnisses dennoch einer besonderen Theorie der menschlichen Erkenntniss neben der Metaphysik bedürfen. Von diesen beiden Disciplinen aber würde die Erkenntnisslehre auf den Namen Logik aus sprachlichen und aus historischen Gründen das vollere Anrecht haben.

§ 7. Die Logik nimmt hiernach in dem rein wissenschaftlich gegliederten Systeme der Philosophie keineswegs die erste Stelle ein; nichtsdestoweniger aber ist es gestattet und zweckmässig, das Studium derselben propädeutisch dem Studium aller übrigen philosophischen Disciplinen vorausgehen zu lassen. Gestattet; denn es genügt, aus den vorangehenden Dis

ciplinen, namentlich der Metaphysik und der Psychologie (vgl. § 2) wenige allgemeine Bestimmungen aufzunehmen, die auch ausserhalb ihres eigenthümlichen Zusammenhangs verständlich und einer gewissen Rechtfertigung fähig sind. Zweckmässig; denn a. das Studium der Logik bietet geringere Schwierigkeiten, als das Studium derjenigen philosophischen Disciplinen, die ihr im systematischen Zusammenhange vorangehen; b. die Logik bringt die Methoden zum Bewusstsein, welche in ihr selbst und in den übrigen Zweigen der Philosophie zur Anwendung kommen müssen, und sie übt das Denken; die Voranstellung der Logik ist somit für das gesammte philosophische Studium in formeller Beziehung förderlich; c. die wissenschaftliche Darstellung des Systems der Philosophie, insbesondere der Metaphysik, bedarf einer das Verhältniss von Erscheinung und Sein betreffenden Einleitung, um das Bewusstsein auf den Standpunct der philosophischen Betrachtung zu führen; die Aufgabe dieser Einleitung aber findet in der Logik, sofern dieselbe Erkenntnisskritik ist, ihre erschöpfendste und wissenschaftlichste Lösung.

Ueber die philosophische Propädeutik überhaupt (und wohl zumeist in Beziehung auf die Logik als Propädeutik) sagt Hegel in seinem Schreiben an v. Raumer (Werke XVII, S. 355), sie habe insbesondere die formelle Bildung und Uebung des Denkens zu leisten; sie vermöge dies nur durch gänzliche Entfernung vom Phantastischen, durch Bestimmtheit der Begriffe und einen consequenten methodischen Gang; sie vermöge es aber in einem höheren Maasse, als die Mathematik, weil sie nicht, wie diese, einen sinnlichen Inhalt habe. [Vergl. W. Hamilton's Discussions p. 282 ff.]

§ 8. Die Formen und Gesetze der Erkenntniss können theils in ihrem allgemeinen Charakter, theils in ihren besonderen Modificationen, welche sie je nach der Verschiedenheit des Erkenntnissinhaltes annehmen (s. § 2), betrachtet werden. Das Erste ist die Aufgabe der reinen oder allgemeinen, das Zweite die der angewandten oder besonderen Logik. Die reine Logik lehrt theils die normativen Gesetze des unmittelbaren Erkennens oder der Wahrnehmung, theils die des mittelbaren Erkennens oder des Denkens. Wie nämlich die Erkenntniss überhaupt das Wirkliche nach seinen Existenzformen abspiegelt, so insbesondere

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