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Denn in der Alterthumswissenschaft wie in der Germanistik und Linguistik sind es immer die wirklich bedeutenden und bahnbrechenden Leistungen der deutschen Gelehrten, welche seine Aufmerksamkeit erregen, deren Wichtigkeit und Tragweite er vor seinem Freunde zu entwickeln, öfters zu vertheidigen sucht. In der classischen Philologie waren F. A. Wolf, Voss, G. Hermann, Niebuhr, Lachmann seine Führer, auch die Anfänge Ritschl's wusste er zu würdigen, während er die Schwächen Thiersch's wohl erkannte. Das gewaltige Werk J. Grimm's, die deutsche Grammatik, erregte seine höchste Bewunderung, und doch verstand er es, auch dem Verdienste, des von der neuen Schule scheel angesehenen und auch von J. Grimm missachteten K. F. Becker's gerecht zu werden. Eine neue Welt schien ihm durch die Sprachvergleichung aufzugehen, und er wurde nicht müde, die neue Ansicht von dem Sprachleben, von der Möglichkeit einer historischen Erklärung der gegebenen Sprachzustände, vor Allem des Griechischen und Lateinischen, seinem Freunde zu predigen, zugleich aber auch ihn zu warnen vor den falschen Propheten, wie Schmitthenner, die nur geeignet seien, die Saat, welche W. v. Humboldt, Bopp und Pott ausgestreut hatten, zu ersticken.

Dabei wurde Philosophie und Pädagogik nicht vernachlässigt, auch die schöne Literatur der Gegenwart und nicht blos die deutsche mit Theilnahme verfolgt.

Für uns Neuere erscheint es auffallend, dass ein Mann von so ausgebreiteten Kenntnissen und von so regem wissenschaftlichen Interesse nicht den Trieb empfand, selbst in die gelehrte Discussion öffentlich einzutreten. Aber wir finden kaum eine Spur einer solchen Regung, wenn er auch einmal eine Plautushandschrift verglich, auch keine Sehnsucht nach einem grösseren und höheren Wirkungskreise. Er war offenbar ganz zufrieden an seinen Gymnasien in Capo d'Istria oder Görz, wenn nur die österreichischen Schuleinrichtungen besser gewesen wären.

Der Abdruck der Briefe ist vollständig und genau. Wir haben nur einige Anmerkungen hinzugefügt, in welchen wir die nöthige Auskunft über die besprochenen Schriftsteller und Bücher geben, einige Citate nachweisen und die Persönlichkeit der genannten Beamten und Gymnasiallehrer feststellen. Einige dieser Namen werden noch jetzt bei Manchen Erinnerungen aus lang vergangenen Zeiten wachrufen. Allen Jenen, welche uns bei diesen biographischen und literarischen Anmerkungen behilflich gewesen sind, sprechen wir hiemit unseren besten Dank aus.

Und so übergeben wir denn diese alten Briefe dem Publicum, unter dem wir uns zunächst Männer der Schule und des Lehramtes vorstellen, aber wir glauben, sie müssten auch alle Jene interessiren, welche der Geschichte des geistigen Lebens in unserem Vaterlande ihre Aufmerksamkeit schenken. Sie sind mit vielem anderen ein Zeichen heimlicher, fast versteckter Bildung und Gelehrsamkeit, welche in dem Lehrerstande des alten Oesterreich gedieh, zu einer Zeit, als andere Gesellschaftsclassen und die Regierung diesen Geistesrichtungen noch vielfach ablehnend, ja argwöhnisch gegenüberstanden.

Wien, Februar 1887.

L. und R. Heinzel.

I. 1)

Wien den 17. Nov. 1828.

Mein lieber Freund und Bruder und Schwager!

Ich Überglücklicher! Emilie 2) liebt mich und wird mein werden! Wer hätte das gedacht noch vor einem Monate, als Du scheidend mir bangem noch das λov zuriefst? Unser ganzes Leben wird nur Ein herrlicher vierstimmiger Hymnus sein. Erinnerst Du Dich noch an dessen Vorspiel auf den Ruinen der Mödlingerburg, als Geistertöne „Eduard! Eduard!" durch die Lüfte zittern liessen? Mit welcher Liebe darf ich nun euch alle umfassen, Dich und Deine Edle, den fröhlichen Ed. 3) und unser aller herrlichen Vater!) und die liebevolle Mutter und den ganzen einzigen Kreis! Und Dir danke ich dieses Glück! Doch Du willst nicht Dank: aber lieben darf ich Dich doch und Deines Glückes mich freuen, wie es in dem eùxyyλtov Adelheid's 5) steht?

Kaum werde ich's vermögen Dir das wie es kam zu erzählen; wer begreift das Unendliche? aber versuchen will ich Dir die Zustände zu zeigen, in die mich der Gang der Begebenheiten versetzte. Als ich mit Euch, erschüttert von dem rührendsten Abschiede hereinfuhr, vor mir die, welche Vater und Mutter und welche! Schwester verlassend

1) Römische Ziffern bezeichnen die Briefe Enk's, arabische die Heinzel's.

2) Emilie John, Tochter Friedrich John's.

3) Eduard John, Sohn Friedrich John's, Kaufmann.

4) Friedrich John, 1769-1843, Kupferstecher.

5) Adelheid John, 1809-1861, Tochter Friedrich John's, am 13. September 1828

mit Wenzeslaus Heinzel vermählt.

an ihrem Ein und Alles lehnte, da durchzog ich im Triumphe die Gassen der Stadt, die in diesem Augenblicke neu geweihet waren, und eine leise Hoffnung hob mich hoch, obgleich mir wenigstens für eine lange Woche des Paradieses Pforten geschlossen waren; denn auf so lange verschob ich den ersten Besuch. Indessen war auf der Insel alles in die alte Stille und Ruhe zurückgekehrt; kam ich, so ging Vater mit mir allein auf und ab, und wir sprachen von euch; kaum dass E. ein paar Worte dazu gab. Ich wusste, dass T. kommen sollte, anderswoher; doch nicht wann. Auf einmal erfahre ich im Gespräch mit K. er werde morgen erwartet. Wie mich da Schreck, Schmerz, Furcht und Hoffnung durchzuckten, kann ich nicht beschreiben; aber das stand klar vor mir, dass ich handeln musste und das gleich, sollte nicht mein ganzes Lebensglück unwiderbringlich versinken. Ich eilte nach Hause und schrieb an den Vater. Da ich ohnehin die ganze Zeit über nichts als diesen Gegenstand gedacht hatte, so gelang es mir trotz der leidenschaftlichen Erregung ein klares Bild meines geistigen Strebens und Zustandes zu entwerfen, und mich ganz auszusprechen; aber nun erschien mir dieses hastige Zuvoreilen und dieses heimliche Benützen meines Vortheils als Gegenwärtiger so abscheulich, dass ich beschloss den Brief nicht früher abzusenden, als bis T. gekommen seyn würde und ihm auf diese Art gleiches Feld einzuräumen. Nun kam er aber nicht. Da also der obige Grund wegfiel und da mich gar kein besonderes Verhältniss ihm verband, so glaubte ich es mir, und Emilien schuldig zu sein den Schritt zu thun; denn sage, konnte ich sie lieben, und nicht glauben, sie glücklicher machen zu können als jener? Damit aber, wenn der Vater gegen mich entscheiden sollte, Emilie, gegen die ich ewig zu schweigen gelobt hatte, auch nicht das Geringste merke, so liess ich den verhängnissvollen Brief durch Stabhammern, den Niemand kannte, und den ich selbst bis zur Hausthür begleitete, hintragen. Du kannst Dir denken, wie mir das Herz schlug, als ich ihn aus den Augen verlor; es war 1/22. Des andern Morgens sass ich bei Curti an dem Fenster das gegen den Josephsplatz sieht, da sah ich ihn sehr ernsthaft und nachdenklich in seinem braunen Überrock einherschreiten; ich gab schon alles verloren und da ich auf eine schriftliche Antwort gerechnet hatte, so wagte ich es nicht ihm nachzueilen. Als ich nach Hause kam, erfuhr ich, dass ein Herr im Taronischen Kaffehhause mich erwarte; es war 10 Uhr und sehr neblig und

feucht; er nahm mich unter den Arm und wir gingen zum Burgthor hinaus (im Freien spräche sich's besser und er liebe das Schreiben nicht) und in jener, mir unvergesslichen Allee, die zum Getreidemarkt führt, auf und ab. Er war sehr gütig und herzlich, wie immer, aber durch sein Wort gebunden; er hatte nämlich T. versprochen, „, wenn sich etwas anspinnen sollte, ihm Nachricht zu geben". Das musste nun geschehen und seine mündliche oder schriftliche Antwort erwartet werden. Welch bange Marterzeit. T. schrieb einen förmlichen Antrag, doch von mir kein Wort. Natürlich musste der Vater den Brief desshalb für E. bestimmt halten, und ihn ihr zeigen; was er für mich thun konnte, war, sie zu ermahnen die Sache wohl zu überlegen und sich nicht zu übereilen, und genau zu prüfen, ob sie ihn lieben könne. Neuer Aufschub, neue Folter; nach 8 Tagen sollte ich wieder kommen. Emilie hörte sehr aufmerksam zu, und bei der entscheidenden Frage — (Soll ich sterben vor Entzücken?) lispelte sie erröthend: Wenn es Enk wäre. Begreifst Du nun meine Seligkeit. Was konnte der Vater nun anderes thun, als ihr auch meinen Brief lesen lassen, und der Bund für die Ewigkeit war geistig geschlossen. Zwei Tage später, ich war schon Tags vorher am Thore gewesen, aber aus Angst wieder umgekehrt, den unvergesslichen neunten drückte ich den ersten Kuss auf ihre heiligen Lippen. Diese ganze Woche war ich fast täglich bei ihnen; Sonntags und Montags den ganzen Tag; wie sie mir die Tiefen ihres himmlischen Gemüths erschloss, wie ich sie immer mehr bewundre, verehre, liebe, das darf ich ja euch Glücklichen nicht sagen; ich könnte es auch nicht. Aber dass ich jetzt erst lebe und frei und selbständig und wie durch einen Zauberschlag ein andrer bin, das ist ihr Werk. O Einheit und Mittelpunct meines Daseins, o lang gesuchter und nie gefundner Frieden, wie verklärst Du in Deinen milden Strahlen mein All! Lebt wohl! Lebt wohl!

N. S.

Grüsse mir vor Allem unsern Bruder Eduard recht herzlich; Vater hat seinen Brief erhalten, und die Männer sind gestern um 3 Uhr wie an der Schnur nacheinander gekommen. Dass ich nun mit Händen und Füssen concurriere, versteht sich. Iglau ist das nächste, noch nicht bestimmt, L. günstig; Hoffnung da. Moriz lässt sich so ziemlich an; nur zu sehr noch französisch und präcorrupt; doch zeigt

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