Page images
PDF
EPUB

nünftigen und im Schulfache verständigen Mann, wenn er auch gerade nicht die höchsten Ansichten des Ganzen besitzt. Sehr gefiel mir, dass er mir bei der Prüfung aus den Institut. ganz frei liess, deutsch oder lat. zu examiniren, und dass er bei dem Schwall von Geographischem rieth, nur Ein Land z. B. Italien oder Griechenland ganz genau, von dem Übrigen aber nur Umrisse zu nehmen. Übrigens äusserte er sich sehr schmeichelhaft gegen mich und Wolf, was mich in der Hinsicht betrübt, da ich fürchten muss, W. durch Beförderung zu verlieren, dann stehe ich allein unter den men of the little soul.

Ich ahnte wohl, dass es Kh. war, den Du meintest, und mir ist sehr Leid, dass zwei Männer, die ich so ehre und liebe, sich nicht besser verstanden. Ich gestehe, seine Weise ist oft abstossend und beleidigend für den, der ihn und sein redliches Herz nicht schon länger kennt. Ich machte mir nie etwas aus seinen beissenden Angriffen auf einen Satz von mir; er kann einmal nicht anders, und er würde nicht mehr Kh. sein, machte ers nicht so. Ich glaube auf jeden Fall zu gewinnen bei solchem Streite; entweder ich bevestige mich in meiner Ansicht, oder ich verbessere sie. Du scheinst mir zu reizbar gewesen zu sein, und wie es manchmal geschieht, die Wunden, die du empfingst nicht die Du schlugst, gerechnet zu haben. Oder war es nicht so, wenn Du ihm zu verstehen gabst, er müsse den Homer nicht gelesen haben? Das Fragen bringt Dich auf und doch sollte ein solcher Verehrer Platons auch den schwachen Reflex eines Dialogs lieben. Ich wenigstens um den Genuss eines lebendigen platonischen Drama's zu haben, erbiete mich gern zu der Rolle des Sophisten und lasse mich zusammenhauen, wie Du sagst, wenn ich nicht siegen kann. Übrigens scheint mir, hättet ihr euch leicht vereinigen können, da auch Kh. gewiss nicht die äussere Einheit des Homer im Sinne hatte, sondern die natürlich-künstlerische. Ich will den Gegenstand geflissentlich mit ihm besprechen, wenn ich gegen Ende Sept. nach W. komme und der Bewegliche noch dort ist. Schön wär es, wenn Du mir nach Linz schriebest.

Bei H. Wolfgang Hagenauer k. k. ob. öst. Baudirector.

Dein Enk.

4.

Mein guter, werther Freund!

Nimm es mir nicht übel, dass ich Dir so lange Zeit nicht geschrieben habe. Ich dachte oft daran, wie Du Dich in Linz so wohl befinden magst; ich dachte Dich heiter und erhebend im Umgang mit Deiner Schwester und mit dem Geliebten der Heimgegangenen. Ach schon der Anblick heimischer Gegenden ist labend! Leicht wirst Du dieses Jahr hinübertragen und wiederkehren zum vollen Genusse reinen Lebens. Gerne, sehr gerne sähe ich Dich einmal hier in den schönen Tagen unserer Ruhe; aber geh' Du nur hinauf ins schönere Land, ins Land der Wälder und Ströme und Wiesen, ins Land, wo Du keine andre Zunge hörst als die deutsche. Dass ich nur so glücklich wäre, meine Dienstzeit auszuleben, und dass ich dann hinaufzöge mit meinem Weibe und meinen Kindern und dort im heiligen Lande meiner Heimath des süssesten Alters mich erfreute! Da kämen auch wir zwey uns wieder nahe und genössen der alten durch kein Verhältniss besiegten Freundschaft. Nun, es wäre nicht ganz unmöglich, ich will der schönen Hoffnung leben. Und indessen drein gekämpft!

Zurück giengst Du durch Wien, wie ich in der Zeitung lese. Wie gehts den Wienern? Blöchlinger geht zu Grunde mit seinem Institute und Cron geht auf, das wirst Du wissen. Hat Dich nicht ein gewisser Pohlutka, 1) einer von den hiesigen Gymnasialprofessoren, besucht? Ich wies ihn an Dr. Hörwarter. 2) Wie weit ist Khüeny mit seinem Plane gediehen? In Österreich wird er schwerlich seine öffentlichen Vorträge halten; im Auslande fände er auf jeden Fall mehr Theilnahme. Wir sind hier nicht zu Hause. Auffallend war mir in dem Schreiben Khüenys an meinen Schwiegervater desselben feindliche Stellung gegen gewisse neuere Erklärer Platons, die da ihren Pantheismus in den alten Denker hineinschauen; ich weiss ja, dass sich gegen dergleichen Phantastereyen eben die solidesten Philologen wie in Masse seit Geraumen erhoben; jener Wahnsinn hat ausgetollt. Doch nein auch nicht mit dem harten Namen Wahnsinn möchte ich

1) Pohlutka Joseph, Professor der Grammaticalclassen am Gymnasium zu Capodistria.

2) Hörwarter, Dr. Med., gest. zu Wien 1836.

jene das Maass überfliegende Begeisterung nennen; so bereitet sich gewöhnlich die lauterste Bildung. Da steht nun, dass ich nur Einiges nenne, die Grammatik, die Paedagogik, die Geographie wie nie in der herrlichsten festesten Ausbildung. Doch davon weisst Du Deutschland näher Besseres als ich und ich langweile Dich nicht weiter. In jenem Schreiben Khüenys vermisste John einige Worte über Dich; er wäre begierig, schreibt er, zu wissen, wie Du jetzt handelst. Der alte Mann ist unglücklich. Die Ursache davon ist seine Unterrichtsmethode. Mit seiner eisernen Consequenz beharrt er auf dem Auswendiglernen des französischen Wörterbuches und Sidonie 1) geht dabei geistig und leiblich fast zu Grunde; das schreckliche Übel der Lotte 2) schreibt man auch dieser Methode zu: es ist dasselbe nun im Verschwinden, aber ein Graun vor den Vocabeln, vor der französischen Sprache ist geblieben. Der sonst so geistreiche Mann wird alt und sehnt sich nach dem Grabe. Gerne wäre ich in diesen langen Ferien nach Marburg gereist, bloss um ihn für des ungehobelten Graser") treffliche Erziehungslehre zu stimmen und die Ruhe in der edlen Familie herzustellen. Stürme würde ich nicht gescheut haben, denn ich wurde sie gewohnt mit dem Lear. Aber ich konnte nicht auf mit meinen Finanzen. Emilie lebt zufrieden.

Die Cholera ist in Venedig ausgebrochen; wir erwarten sie mit jedem Tage. So wird sich unsere Vacanz noch um ein Paar Monate verlängern. Ich grüsse Dich.

Capodistria 14. Oct. 1835.

VII.

Hzl.

Iglau den 21. Oct. 1835.

Lieber Freund!

Es war mir angenehm zu bemerken, dass Du mir gerade an demselben Tage, dem 14., geschrieben hattest, an welchem auch meine gute, edle Schwester an mich schrieb, und zwar einen herrlichen, ganz

1) Sidonie John, Tochter Friedrich John's.

2) Lotte John, eine Verwandte Friedrich John's.

3) Graser Johann Baptist, 1766-1841. Divinität oder das Princip der einzig wahren Menschenerziehung, 1811; Die Elementarschule fürs Leben in ihrer Grundlage, 1817; Die Elementarschule fürs Leben in ihrer Steigerung, 1828; Der durch Gefühl und Tonsprache der Menschheit wiedergegebene Taubstumme, 1829; Das Verhältniss des Elementarunterrichts zur Politik, 1835.

[ocr errors]

liebevollen Brief, der die kleinen Differenzen, die sich gegen das Ende hin erhoben hatten, auf eine Art ausglich, dass ich sie nicht einmal ungeschehen wünschen könnte. Du wirst es also natürlich finden, dass ich bei den gegenwärtigen Umständen zwei Bitten an Dich habe: erstens dass Du Dich meines Rathes in Bezug auf das frische Wasser erinnern und dass Du mir wenigstens so lange die Gefahr in der Nähe ist, öfter schreiben mögest, und wenn es auch nur ein Paar Zeilen (buchstäblich!) wären, dass Du und die Deinen gesund. Ganz frisches Brunnen- oder Quellwasser reichlich getrunken, Maassweise und allein und mit dem Schwamm eingerieben besonders Morgens nüchtern und Abends vor dem zu Bette gehen, hat sich als das beste Präservativ und auch Heilmittel der Cholera bewährt. S. Prof. Oertels neueste Wassercuren XIII. Heftchen 1833, 4. und Dr. Siegmund Hahn's Heilkräfte des frischen Wassers neu aufgelegt von P. Oertel. Bücher besonders das letztere, die nach der Leipzigerphrase in keiner gediegenen Haushaltung fehlen dürfen. Im vollsten Ernste, mir wäre es eine grosse Beruhigung, wenn ich von Dir wüsste, dass Du dem Wasser vertraust und es gebrauchst. Von meinem Ferialleben ist der kurze Bericht dieser. Den grössten Theil des Tages blieb ich zu Hause bei meiner Schwester, die ich je näher ich sie und ihr Thun kennen lerne, desto mehr lieben und verehren muss. Nur von 10—12 ging ich in die k. Schwimmschule und lernte schwimmen; da es aber so kalt war im Sept. dass von den HH. Linzern sich Niemand und von den Schwimmeistern zuletzt auch keiner sehen liess, so kam ich eben nicht sehr weit; doch habe ich die Tempi eingeübt und wenigstens einen Begriff erhalten. Von 3-4 oder 15 ging ich später zu Fritz Hartmann, 1) mit dem ich Duetten blies; denn ich bin ein pa045 auf der Flöte, und diese ist auch in I. fast meine einzige Unterhaltung, wenn ich den dullen à la guerre club ausnehme. Sodann wurden verschiedene gemeinschaftliche Partien zum Bankelmeyr, Jägermeyr, Magdalena, Hirzinger etc. mit den Hartmannischen 2) und Haasischen gemacht, bei denen es meistens sehr lustig zuging, da die drei Söhne Fritz, Franz 3) und Louis alle zu Hause sind und daran Theil nehmen 1) Hartmann Friedrich Ludwig von. War 1835 Regierungsrath bei der Landesregierung in Oberösterreich.

2) Gemeint ist die Familie Siegmund Ritter von Hartmann's, fürsterzbischöflichen Hofkammerrathes in Salzburg.

3) Hartmann Franz von. War 1837 Criminalactuar in Salzburg.

[blocks in formation]

konnten. Du kennst die Liebenswürdigkeit des Hauses, der Ältern sowohl, als der Jüngern; auch Therese, ') die Du nur als Kind gesehen haben kannst, hat sich zu einem würdigen und eigenthümlichen Schmuck des Hauses herausgebildet. Eine helle, klare, ruhige und reine Natur, immer sich selbst gleich und heiter. Sie ist jetzt auf Besuch bei ihrer Schwester in Lemberg, wohin sie von Wien aus mit einer anständigen Familie abging. Auf der Reise nach Wien aber mit dem Eilwagen ward sie meinem Schutze anvertraut, da ich gerade um dieselbe Zeit d. 20. Sept. dahin abging, ein ehrenvolles zwar, aber für einen andern vielleicht gefährliches Vertrauen. Für mich aber, der ich aus Selbsterkenntniss meiner innern und äussern Lage alle Gedanken der Art aufgegeben habe, blieb sie nur eine liebliche, aber vorübergehende Erscheinung. In Wien erfreute ich mich der unveränderten Freundschaft des biederen Dr. Hörwarter; Kh. war nach Hause gereiset und kommt erst Ende Nov. vielleicht wieder; auf 11/2 Stunden sah ich ihn auf der Durchreise in Linz. Wie ich von ihm und Hörw. und Grillparzer 2) höre, so ist nicht alle Hoffnung aufzugeben, dass er seine Vorlesungen über Plato wird halten dürfen. Es scheint ein der Wissenschaft günstigeres Gestirn in den höhern Sphären aufgegangen zu sein. Wenn ich etwas erfahre, sollst Du es auch wissen. Was Du von seinem Entgegentreten gegen neuere Ausleger des P. schreibst, ist mir von seiner Seite begreiflich, obwohl ich selbst weder einen ältern noch neuern Ausleger desselben gelesen. Überhaupt scheinst Du Dir eine irrige Meinung von meinem Fortschreiten mit der neuen Literatur gebildet zu haben. Ich entnehme aus den Paar Zeilen Deines Briefes, dass Du weit mehr im Gange bist als ich. Daran sind theils meine Umstände schuld, die mich Anfangs unten so weit entfernt hielten und auch jetzt noch nicht erlauben mir viel Neues anzuschaffen; theils die Abneigung gegen das trockene Gelehrtenwesen des Nordens, womit mich Kh. erfüllt hat und wofür ich ihm danke, so sonderbar es auch klingen mag. Weder er zwar noch ich verkennen die Fortschritte, die durch Thiersch, 3)

1) Therese Haas.

2) Grillparzer Franz, 1791-1872. Ahnfrau, 1817; Sappho, 1818; Das goldene Vliess, 1819; König Ottokar's Glück und Ende, 1825; Ein treuer Diener, 1828; Des Meeres und der Liebe Wellen, 1830; Traum ein Leben, 1834.

3) Thiersch, Friedrich Wilhelm, 1784-1860. Griechische Grammatik für Anfänger, 1812; Griechische Grammatik für Schulen 1812, 18192; Griechische Grammatik

« PreviousContinue »