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zum Theil auch in Salzburg, zum Theil in Graz absolvirt hatte, begab er sich nach Wien, wo er ein paar Jahre Jus studirte, dann aber seit 1821 vorzugsweise classische Philologie und neuere Sprachen betrieb, wie es scheint fast nur seinen eigenen Neigungen und Interessen folgend, ohne eigentliche Unterweisung und akademischen Unterricht. Von den damaligen Wiener Gelehrten, welche in einer amtlichen Stellung oder doch auf Grundlage einer solchen wirkten, hat seinen eigenen Angaben zufolge nur Friedrich von Schlegel durch seine in den Jahren 1827 und 1828 über Philosophie des Lebens und Philosophie der Geschichte abgehaltenen Vorlesungen auf ihn gewirkt. Diese eigenen Neigungen Enk's waren damals, wie aus den Rückblicken unseres Briefwechsels sich deutlich ergibt, nicht eigentlich wissenschaftliche. Obwohl er sich während seines Wiener Aufenthalts gründliche Kenntnisse in den alten und einigen neueren Sprachen erwarb, so war es doch nicht die Sprache, auch nicht Textkritik oder die Erforschung literar-historischer Entwickelungen und Zusammenhänge, was ihn zu den grossen Schriftstellern der alten und neuen Zeiten hinzog, sondern wesentlich ästhetische und sittliche Bedürfnisse, deren Befriedigung er in ihnen suchte und fand. Ein Privatgelehrter, Namens Khyeny, scheint Enk bei diesen Studien berathen und zum Theil geleitet zu haben, indem er ihn in etwas einseitiger Weise ebenso zu der Lectüre der alten Dichter und Philosophen hinzulocken, als von den modernen, das ist vornehmlich den deutschen Philologen abzuschrecken suchte. Eine ernste Auffassung des Lebens, welche in späteren Jahren beinahe den Eindruck ascetischer Gesinnung machte, musste sich schon früh in ihm entwickelt haben, wenn er auch in seinen Wiener Jahren gesellig-heiterem Lebensgenusse nicht so ferne stand als nachmals.

Ein trauriges Ereigniss, von dem in den ersten der hier veröffentlichen Briefe oft die Rede ist, hat diese Geistesrichtung offenbar verstärkt. Seine Verlobung mit einer Tochter des

Kupferstechers Friedrich John im November 1828, über welche er seinem Jugendfreunde, unserem Vater, der sein Schwager werden sollte, jubelnd Bericht erstattet, führte nicht zu dem erwünschten Ziele. Die Verbindung wurde von der Braut und deren Vater gelöst, und Enk glaubte diesen Bruch, der ihm schöne Hoffnungen zerstörte, eigenem Verschulden zuschreiben zu müssen.

Man wird kaum irren, wenn man Enk's Bewerbung um eine Lehrerstelle am Gymnasium in Vinkovcze, in der slavonischen Militärgrenze, mit seiner trüben Stimmung im Winter 1828 und 1829 und mit dem Wunsche, Wien und seine dortigen Freunde zu verlassen, in Verbindung bringt. Im September 1829 erfolgte seine Anstellung als Humanitätslehrer an demselben Gymnasium, dem er auch bis zum Frühjahre 1834 angehörte. Von dort aus besorgte er die Herausgabe seiner Danteübersetzung in Prosa (1830).

Vier Jahre verstrichen, bevor er sich entschloss, unserem Vater wieder zu schreiben. Von 1833 aber bis zu unseres Vaters Tode 1839 fliesst die Correspondenz ununterbrochen fort, gewiss zur Freude und Förderung beider Betheiligten, vielleicht auch zur Belehrung und Erbauung mancher Nachlebenden jüngerer Generationen.

Im März 1834 ging Enk an das Gymnasium zu Iglau in Mähren, wo er erst als Humanitätsprofessor, seit October 1849 als Director wirkte. Obwohl die grössere Nähe von Wien und Linz ihm nun erlaubte, die Ferien bei seinen Freunden und Verwandten, vor Allem einer sehr geliebten und verehrten älteren Schwester zuzubringen, war doch der Aufenthalt in Iglau selbst, wenigstens in den ersten Jahren, nicht geeignet, Enk's düstere Stimmung zu erhellen. Die Entbehrung eines geistig anregenden Verkehrs mit Gleichgesinnten, eine Herzensneigung, der sich zunächst äussere Hindernisse in den Weg stellten, Verstimmungen in dem Verhältniss zu seinen Angehörigen, vor Allem aber die veralteten Einrichtungen des öster

reichischen Gymnasiums jener Zeiten, welche ihn bei allem Eifer und bei anerkannt grosser pädagogischer Begabung an einem wirklichen Erfolge seines Bemühens verzweifeln liessen, drückten mitunter so schwer auf ihn, dass die ganze gegenwärtige Aussenwelt mit ihren Ansprüchen und Zerstreuungen ihm wie eine zwecklose und verdriessliche Quälerei erschien. Gegen solche Stimmungen, denen er in den hier veröffentlichten Briefen oft unverholnen Ausdruck gibt, suchte er Trost und Hilfe in seinen philologischen Arbeiten und Studien, mehr in der Lecture der Alten selbst, als in der Beschäftigung mit den neuen Problemen der damaligen Philologie und Linguistik, zu denen ihn die Briefe unseres Vaters energisch hinzudrängen suchten, vor Allem aber in der Philosophie, nicht hauptsächlich, obwohl er Herbart studirte, in jener, welche die Phänomene in uns und in der Natur auf ihre letzten Ursachen zurückzuführen und im Zusammenhang zu begreifen strebt, sondern in jener andern, welche in einer praktischen Anweisung zur Kunst des Lebens den Menschen, welche den Trost der Religion entbehren oder ihn nicht überall ausreichend finden, durch Beziehung der Einzelheiten des Lebens auf allgemeine und hohe Wahrheiten für alle Zustände und Zufälle Fassung, Ruhe und sogar Würde zu leihen verspricht.

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Nicht blos ihr nahes Verhältniss zu seinen philologischen Studien, vielmehr eine eigenthümliche Anlage seiner Natur führten ihn zu den Schriften der Stoiker, die er durch Jahre mit eifriger Vorliebe las, excerpirte und übersetzte, die ihm mehr, als das bei modernen Menschen üblich ist, welche die Fülle des zu Lesenden der Andacht zu dem einzelnen Buche beraubt, gleichsam Freunde und Berather geworden sind.

Doch darf man wohl annehmen, dass diese ehrwürdigen Tröster in schweren Stunden, wenn auch nicht ihres Amtes gänzlich enthoben, doch zunächst etwas bei Seite geschoben wurden, als es Enk endlich gegönnt war, eine seinen Neigungen ganz entsprechende Ehe zu schliessen. Im Jahre 1842 ver

mählte er sich mit Wilhelmine Hoffmeister von Hoffenegg, einer Dame von ungewöhnlicher Bildung und Lebensgewandtheit, vorzüglich geeignet, den Verkehr des ernsten und schweigsamen Mannes mit der äusseren Welt und ihren verschiedenen Schichten und Kreisen zu vermitteln.

Durch einen in Schmidl's Oesterreichischen Blättern“ im April 1848 veröffentlichten Aufsatz über die Reform der österreichischen Gymnasien scheint Enk die Aufmerksamkeit des Ministerialrathes Exner, früher Professor der Philosophie an der Prager Universität, auf sich gezogen zu haben. Exner veranlasste, dass er erst an verschiedenen Berathungen über die Umgestaltung des Gymnasialwesens Theil nahm und im Frühjahre 1850 nach Wien berufen wurde, um hier das Amt eines Schulrathes und Gymnasialinspectors für Niederösterreich zu verwalten. In dieser Stellung, welche er durch 19 Jahre bekleidete, hat sich Enk bleibende Verdienste um die Durchführung jener Ideen erworben, nach denen das Ministerium Thun den mittleren und höheren Unterricht in Oesterreich im Wesentlichen durch Anschluss an die in Deutschland üblichen Einrichtungen von Grund aus verändert und verbessert hat. Doch haben wir nicht Beruf und Veranlassung, näher darauf einzugehen, und begnügen uns hinzuzufügen, dass er im Jahre 1862 durch das Ritterkreuz des Franz Josephordens ausgezeichnet, 1869 zum Landesschulinspector erster Classe für Nieder- und Oberösterreich ernannt wurde und im Jahre 1870 den Titel eines Hofrathes erhielt. Während seiner Amtsthätigkeit hatte er Uebersetzungen des Epiktet (Wien 1866) und des Simplikios (Wien 1867) herausgegeben. 1871 zog er sich vom activen Staatsdienst zurück und übersiedelte in seine Vaterstadt Salzburg, wo er unter anderen Studien wieder zu seiner Jugendarbeit, der Uebersetzung Dante's, zurückkehrte, von der eine neue Ausgabe 1877 erschienen ist. Im Jahre 1882 verlor er seine Gattin, im Jahre 1885 starb er.

Wenzeslaus Joseph Heinzel war, wie gesagt, der Sohn des Schullehrers von Raab in Oberösterreich und wurde im Jahre 1799 geboren. Seine Gymnasialstudien machte er in Salzburg, die philosophischen in Salzburg und Wien. In Wien studirte er dann die damals als Vorbereitung für viele Berufszweige üblichen vier Jahre Jus, suchte sich aber dann, und wohl daneben, auch wie es scheint ohne eigentlichen Unterricht, in der classischen Philologie auszubilden und erlangte im Jahre 1825 die Stelle eines supplirenden, im Jahre 1826 die eines wirklichen Humanitätslehrers in Capo d'Istria im Küstenlande. 1828 vermählte er sich mit Adelheid John, wurde im Jahre 1830 zum Präfecten des Gymnasiums in Capo d'Istria ernannt, 1838 in der gleichen Eigenschaft nach Görz versetzt und starb daselbst im Jahre 1839, nachdem er eben erst das 40. Lebensjahr erreicht hatte.

Der Bildungsgang unseres Vaters ist uns fast noch weniger bekannt als der Enk's. Jedenfalls hat er sich in Salzburg und Wien eine ungewöhnliche Fertigkeit in den alten Sprachen erworben, wovon noch lateinische und griechische Gedichte und Correspondenzen Zeugniss geben. Unter den griechischen Gedichten hebt sich besonders eines durch freie und geistreiche Nachbildung aristophanischer Ausdrucksweise hervor. Er muss aber zugleich, wahrscheinlich durch die in Wien doch zugänglichen gelehrten Zeitschriften, Einblick in die Entwickelung der Alterthumswissenschaft und Linguistik, welche sich damals in Deutschland vollzog, und dadurch Anregungen erhalten haben, welche ihn in späteren Jahren einerseits zur steten Erweiterung seiner Sprachkenntnisse durch das Studium des Hebräischen, des Sanskrit, des Neugriechischen, der slavischen Sprachen veranlassten, und die es ihm in seiner istrianischen Abgeschiedenheit mitten unter den Ansprüchen des Schulamtes und den Sorgen für eine sich rasch vermehrende Familie ermöglichten, den Fortschritten der Wissenschaft mit so viel Begeisterung und Verständniss zu folgen.

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