Page images
PDF
EPUB

O still, o still und merket doch
Der Blüten scheues Bangen!
Ein rother Schauer zittert noch
Um ihre frischen Wangen.

O still, und fragt den Bräutigam,
Den Lenz, den kühnen Freier,
Der diese Nacht zur Erde kam,
Nach ihrer Hochzeitseier!

Morgenlied.

Wilh. Müller.

Wer schlägt so rasch an die Fenster mir
Mit schwanken grünen Zweigen?
Der junge Morgenwind ist hier

Und will sich lustig zeigen.

Heraus, heraus, du Menschensohn,

So ruft der kecke Geselle,

Es schwärmt von Frühlingswonnen schon Vor deiner Kammerschwelle.

Hörst du die Käfer summen nicht?

Hörst du das Glas nicht klirren,

Wenn sie, betäubt von Duft und Licht,
Hart an die Scheiben schwirren?

Die Sonnenstrahlen stehlen sich
Behende durch Blätter und Ranken

Und necken auf deinem Lager dich
Mit blendendem Schweben und Schwanken.

Die Nachtigall ist heiser fast,

So lang' hat sie gesungen,

Und weil du sie gehört nicht hast,

Ist sie vom Baum gesprungen.

Da schlug ich mit dem leeren Zweig
An deine Fensterscheiben:

Heraus, heraus in des Frühlings Reich!
Er wird nicht lange mehr bleiben.

Wilh. Müller.

Und als ich aufstand früh am Tag.
Und als ich aufstand früh am Tag
Und meinte, daß es noch Winter sei,
Da jauchzte schon mit lustigem Schlag
Die Lerche an meinem Fenster frei:
Tirili, tirili! vom blöden Traum,
Langschläfer, bist du endlich erwacht ?
Du schliefst und merktest das Süße kaum,
Denn sacht, denn sacht

Ist kommen der Frühling über Nacht.

Und als ich schaute zum Himmelsraum,
Da war er so blau, da war er so weit,
Und als ich blickte auf Strauch und Baum,
Da trugen sie alle ein grünes Kleid.
Und als ich sah in die eigene Brust,
Da saß die Liebe darin und sang,
Was selber so süß ich nimmer gewußt;
Das klang, das klang

Und soll nun klingen mein Leben lang.

Frühlingsgruß.

G. Geibel.

Du bist es, Frühling! Ja, ich erkenne dich!
Du bist es wieder, wie du mir oft genaht,
Gefühlaufregend, Schmerz mit Wonne,
Gegenwart mit der Erinn'rung mischend!

Im Jubel ziehst du über Gebirg und Thal,
Den Fuß in Blumen, hoch in des Aethers Glanz
Dein Haupt; und Himmelsbalsamdüfte

Weben das Kleid dir, o Götterjüngling!

Voll glüh'nden Dranges, deiner Umarmung froh Gibt dir den Brautkuß liebend Natur zurück; Geschmückt mit Tönen, Farben, Düften Lächelt sie still in verklärter Schöne.

Der Lenz.

Friedr. Bed.

Da kommt der Lenz, der schöne Junge,
Den Alles lieben muß,

Herein mit einem Freudensprunge

Und lächelt seinen Gruß;

Und schickt sich gleich mit frohem Necken

Zu all' den Streichen an,

Die er auch sonst dem alten Recken,

Dem Winter angethan.

Er gibt fie frei, die Bächlein alle,

Wie auch der Alte schilt,

Die der in seiner Eisesfalle

So streng gefangen hielt.

Schon ziehn die Wellen flink von dannen

Mit Tänzen und Geschwäß,

Und spötteln über des Tyrannen

Zerronnenes Geseß.

Den Jüngling freut es, wie die raschen

Hinlärmen durch's Gefild,

Und wie sie scherzend sich enthaschen

Sein aufgeblühtes Bild.

Froh lächelt seine Mutter Erde
Nach ihrem langen Harm;

Sie schlingt mit jubelnder Geberde
Das Söhnlein in den Arm.

In ihren Busen greift der Lose
Und zieht ihr schmeichelnd keck
Das sanfte Veilchen und die Rose
Hervor aus dem Versteck.

Und sein geschmeidiges Gesinde
Schickt er zu Berg und Thal:

„Sagt, daß ich da bin, meine Winde,
Den Freunden allzumal!"

Er zieht das Herz an Liebesketten
Rasch über manche Kluft,

Und schleudert seine Singraketen,

Die Lerchen, in die Luft.

Liebesfeier.

An ihren bunten Liedern klettert
Die Lerche selig in die Luft;

N. Lenau.

Ein Jubelchor von Sängern schmettert
Im Walde, voller Blüt' und Duft.

Da sind, so weit die Blicke gleiten,
Altäre festlich aufgebaut,

Und all' die tausend Herzen läuten
Zur Liebesfeier dringend laut.

Der Lenz hat Rosen angezündet
An Leuchtern von Smaragd im Dom;
Und jede Seele schwillt und mündet
Hinüber in den Opferstrom.

N. Lenau.

Frühling und Liebe.

Im Rosenbusch die Liebe schlief,
Der Frühling kam, der Frühling rief;
Die Liebe hört's, die Lieb' erwacht,
Schaut aus der Knosp' hervor und lacht,
Und denkt, zu zeitig möcht's halt sein,
Und schläft drum ruhig wieder ein.

Der Frühling aber läßt nicht nach,
Er küßt sie jeden Morgen wach,
Er kost mit ihr von früh bis spat,
Bis sie ihr Herz geöffnet hat,
Und seine heiße Sehnsucht stillt,
Und jeden Sonnenblick vergilt.

Hoffmann v. Fallersleben.

Frühling Fiebster

1.

Ich saß an meinem Rädchen,
Spann weiße Wittwenfädchen,
Da mich mein Freund verlaßen hat.
Da klopft' es an mein Lädchen:
Geschwind, heraus, du Mädchen,
Geschwind! dein Ungetreuer naht.

Thu weg die Wittwenschleier,
Und zeige dich in Feier,

Verbirg, daß du dich hast gehårmt!
Er kam und sprach, da sei er!
Ich sprach: Mein schöner Freier,
Wo bist derweil herumgeschwärmt?

« PreviousContinue »