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Wie sie die Sinne sich verwirrt,
Und wie in Wüsten sich verirrt,
Wie sie die Freude sich verkümmert,
Und wie das Dasein sich zertrümmert.

Und wie die Welt, so ist ihr Lohn.
Es reut mich jeder Liedeston,
Der aufs verworrene Getriebe

Der Zeit sich wandt', und nicht auf Liebe.

Die Liebe ist der Dichtung Stern,
Die Liebe ist des Lebens Kern;
Und wer die Lieb' hat ausgesungen,
Der hat die Ewigkeit errungen.

Weg Thorentand und Flitterpracht!
Im Himmel gilt nicht ird'sche Macht.
Erobrer, Helden, Weltvernichter,
Geht, sucht euch einen andern Dichter!

Du Freimund laß den eitlen Schwall,
Sing Lieb' als wie die Nachtigall,
O trachte still in deinen Tönen

Dein eignes Dasein zu versöhnen!

Frühling.

Fr. Rückert.

Der Frühling ist kommen, die Erde erwacht,
Es blühen der Blumen genung.
Ich habe schon wieder auf Lieder gedacht,
Ich fühle so frisch mich, so jung.

Die Sonne bescheinet die blumige Au',
Der Wind beweget das Laub.

Wie sind mir geworden die Locken so grau?
Das ist doch ein garstiger Staub.

Es bauen die Nester und singen sich ein

Die zierlichen Vögel so gut.

Und ist es kein Staub nicht, was sollt' es denn sein?
Mir ist wie den Vögeln zu Muth.

Der Frühling ist kommen, die Erde erwacht,
Es blühen der Blumen genung.

Ich habe schon wieder auf Lieder gedacht,

Ich fühle so frisch mich, so jung.

A. v. Chamisso.

Morgens im Walde.

Ein sanfter Morgenwind durchzieht

Des Forstes grüne Hallen,

Hell wirbelt der Vögel munt'res Lied,

Die jungen Birken wallen.

Das Eichhorn schwingt sich von Baum zu Baum,

Das Reh durchschlüpft die Büsche,

Viel hundert Käfer im schattigen Naum

Erfreu'n sich der Morgenfrische.

Und wie ich so schreit' im lustigen Wald,

Und alle Baum' erklingen,

Um mich her alles singet und schallt,
Wie sollt' ich allein nicht singen?

Ich singe mit starkem, freudigem Laut
Den, der die Wälder sået,

Der droben die luftige Kuppel gebaut,
Und Wärm' und Kühlung wehet.

G. Ebert.

Morgenlied.

Die Sterne sind erblichen
Mit ihrem güldnen Schein,
Bald ist die Nacht entwichen,
Der Morgen dringt herein.

Noch waltet tiefes Schweigen
Im Thal und überall;
Auf frisch bethauten Zweigen
Singt nur die Nachtigall.

Sie finget Lob und Ehre
Dem hohen Herrn der Welt,
Der überm Land und Meere
Die Hand des Segens hält.
Er hat die Nacht vertrieben,
Ihr Kindlein fürchtet Nichts!
Stets kommt zu seinen Lieben
Der Vater alles Lichts.

Hoffmann v. Fallersleben.

Ihr lieben Vöglein, singt nur fort.
Ihr lieben Vöglein, singt nur fort,
So lang's vermag die kleine Brust!
Singt von des Frühlings Herrlichkeit,
Singt von des Frühlings Lieb' und Lust!

Und sånget ihr auch ewig fort,
Viel tausend Jahre Tag und Nacht,
Ihr könntet singen nie genug!
So schön hat Gott die Welt gemacht!

--

D. v. Redwis.

Frühlingslieder.

1. Frühlingsglaube.

Die linden Lüfte sind erwacht,
Sie fäuseln und weben Tag und Nacht,
Sie schaffen an allen Enden.
O frischer Duft, o neuer Klang!
Nun, armes Herze, sei nicht bang!
Nun muß sich Alles, Alles wenden.

Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
Man weiß nicht, was noch werden mag,
Das Blühen will nicht enden.
Es blüht das fernste, tiefste Thal:
Nun, armes Herz, vergiß der Qual!
Nun muß sich Alles, Alles wenden.

2. Künftiger Frühling.

Wohl blühet jedem Jahre
Sein Frühling, mild und licht,
Auch jener große, klare
Getrost! er fehlt dir nicht;

Es ist dir noch beschieden
Am Ziele deiner Bahn,
Du ahnest ihn hienieden,
Und droben bricht er an.

2. Uhland.

Leise zieht durch mein Gemüth.

Leise zieht durch mein Gemüth
Liebliches Geläute;

Klinge, kleines Frühlingslied,

Kling' hinaus in's Weite.

Kling' hinaus, bis an das Haus,
Wo die Blumen sprießen.
Wenn du eine Rose schaust,

Sag', ich laß' sie grüßen.

Rose und Filie.

Die Rose liebt die Lilie,

Sie steht zu ihren Füßen;

H. Heine.

Bald löst die Glut ihr schönstes Blatt,

Es fällt, um sie zu grüßen.

Die Lilie bemerkt es wohl,

Sie hätt' das Blättlein gerne;

Der Wind verweht's, und Blatt nach Blatt

Jagt er in alle Ferne.

Die Rose doch läßt nimmer ab,

Läßt immer neue fallen;

Sie grüßt, und grüßt sich fast zu Tod,

Doch keines trifft von allen.

Das leßte fängt die Lilie

Und thut sich dicht zusammen.

Nun glüht das Blatt in ihrem Kelch,
Als wär's ein Herz voll Flammen.

Fr. Hebbel.

Der Mondenßrahl fiel in der Filie Thau.

Der Mondenstrahl fiel in der Lilie Thau,
Und weckte den Elfen, der sanft drin schlief;
Mit den Flügelchen zart und libellenblau
Flog der Luftige fort und athmete tief.

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