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Der Wirthshaustisch.

Unlängst auf einem Wirthshaustisch
Sah ich der Namen bunt Gemisch
Vom Rande bis zur Mitten
In's Eichenholz geschnitten.

Nachdenklich saß ich auf der Bank

Und trank und las und las und tranf, Und viel Gedanken kamen

Mir bei den vielen Namen.

Der Eine hatte breit und stolz

Recht derb geschnitten in das Holz;

Der mochte auch im Leben

Sich auszudehnen streben.

Ein Andrer von bescheidner Art Schloß seinen Namen, rein und zart, Mit schöngezackten Kränzen

In zierlich enge Gränzen.

Der Eine grad, der Andre krumm,
Der Dritte wohl im Kreis herum,
Und Manchem fremde Namen
Gar grob dazwischen kamen.

Mit deinen Namen, alter Tisch,

Gemahnst du mich an's Weltgemisch,

Wo auch die bunte Menge

Sich umtreibt im Gedränge.

Ja würde jeder Nam' ein Mann:

Die Nachbarn könnten leichtlich dann,

Die jezt sich still bequemen,

Beim Kopf einander nehmen.

Von ihres Haders Strom erfaßt
Fürwahr, es wäre keinem Gast
Sein Gläschen Wein im Frieden
Zu trinken mehr beschieden.

Drum bleibet ruhig wie Ihr seid!
Vertragt Euch ohne Haß und Neid!
Es soll zu Mord und Schrecken
Euch nie ein Kadmus wecken!

So lang ein leeres Eckchen bleibt
An diesem Tisch: so lange schreibt
Ein Jeder auf das Pläßchen
Sich und vielleicht ein Schäßchen.
Und Mancher liest's und denkt dabei:
Wo dieser jezt, wo jener sei?
Doch kommt der Meister Schreiner,
So bleibt von Allen Keiner!

Denn glatt gehobelt wird das Holz;
Und Kränze, Zahlen, Kunst und Stolz
Sind in zwei kurzen Stunden
Von Tisch und Welt verschwunden.

Am blanken Tische wieder zecht
Vergnügt ein jüngeres Geschlecht;
Die Ahnen sind vergeßen,

Die einst daran geseßen.

G. Pfizer.

Preis der Tanne.

Jüngsthin hört' ich, wie die Rebe
Mit der Tanne sprach und schalt:
Stolze! himmelwärts dich hebe,
Dennoch bleibst du starr und kalt!

Spend' auch ich nur kargen Schatten
Wegemüden, gleich wie du,

Führet doch mein Saft die Matten,
O wie leicht! der Heimat zu.

Und im Herbste,

welche Wonne

Bring' ich in des Menschen Haus!
Schaff' ihm eine neue Sonne,
Wann die alte löschet aus.

So sich brüstend sprach die Rebe;
Doch die Tanne blieb nicht stumm,
Säuselnd sprach sie: gerne gebe
Ich dir, Rebe, Preis und Ruhm.
Eines doch ist mir beschieden:
Mehr zu laben als dein Wein

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welchen Frieden

Schließen meine Bretter ein!

Ob die Rebe sich gefangen

Gab der Tanne, weiß ich nicht;

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Auf des Berges höchster Spize
Steht die Tanne, schlank und grün,

Durch der Felswand tiefste Rize
Läßt sie ihre Wurzeln ziehn;

Nach den höchsten Wolkenbällen
Läßt sie ihre Wipfel schweifen,
Als ob sie die vogelschnellen
Mit den Armen wollte greifen.

Ja, der Wolken vielgestalt❜ge
Streifen, flatternd und zerrißen,
Sind der Edeltann' gewalt'ge,
Regenschwangre Nadelkissen.
Tief in ihren Wurzelknollen,
In den faserigen, braunen,
Winzig klein, und reich an tollen
Launen, wohnen die Alraunen,
Die des Berges Grund befahren
Ohne Eimer, ohne Leitern,
Und in seinen wunderbaren
Schachten die Metalle läutern.
Wirr läßt sie hinunterhangen
Ihre Wurzeln in's Gewölbe;
Diamanten sieht sie prangen,
Und des Goldes Glut, die gelbe.
Aber oben mit den dunkeln

Aesten sieht sie schönres Leben;
Sieht durch Laub die Sonne funkeln,
Und belauscht des Geistes Weben,
Der in diesen stillen Bergen
Regiment und Ordnung hält,
Und mit seinen klugen Zwergen.
Alles leitet und bestellt;

Oft zur Zeit der Sonnenwenden
Nächtlich ihr vorübersaust,
Eine Wildschur um die Lenden,
Eine Kiefer in der Faust.

Sie vernimmt mit leisen Ohren,
Wie die Vögel sich besprechen;
Keine Sylbe geht verloren
Des Gemurmels in den Bächen.

Offen liegt vor ihr der stille
Haushalt da der wilden Thiere.
Welcher Friede, welche Fülle
In dem schattigen Reviere!

Menschen fern;

nur Rothwildstapfen

Auf dem moosbewachs'nen Boden!
O, wohl magst du deine Zapfen
Freudig schütteln in die Loden!

O, wohl magst du gelben Harzes
Duft'ge Tropfen niedersprengen,
Und dein straffes, grünlichschwarzes
Haar mit Morgenthau behången!
O, wohl magst du lieblich wehen!
O, wohl magst du troßig rauschen!
Einsam auf des Berges Höhen
Stark und immergrün zu stehen
Tanne, könnt' ich mit dir tauschen!

2.

Inmitten der Fregatte

Hebt sich der starke Mast,
Mit Segel, Flagg' und Matte;

Ihn beugt der Jahre Last.

Der schaumbedeckten Welle
Klagt zürnend er sein Leid:
„Was hilft mir nun dieß helle,
Dieß weiße Segelkleid ?

Was helfen mir die Fahnen,
Die schwanken Leiterstricke?
Ein starkes innres Mahnen
Zieht mich zum Forst zurücke.

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