Du fliegst dem Lenz voraus und streust im Winde Dich auf die Pfade, wo sein Fuß soll wandeln. Zierliches Glöckchen !
Vom Schnee, der von den Fluren weggegangen, Bist du zurückgeblieben als ein Flöckchen.
Du sagest: „Wann ich gehe, kommt die Rose." Schön, daß sie kommt; doch weile noch ein Weilchen.
Die Blumen halten Gottesdienst im Garten. Du bist der Priester unter der Familie.
Zu einem Strauße bist du nicht geschaffen, Dich tragen nur in Händen Gottes Engel.
Dein Loos ist schön; du dienst der Lieb' im Leben Der Unschuld dienest du im Sarg zum Lohne.
Ihr wachst auf einem himmelnahen Gipfel, Zu dem ich nun schon zwanzig Jahre steige.
152. (Siciliane.)
O Frühling, ew'ge Liebesmelodie, Unausgetönt von allen Nachtigallen, Unausgeblüht von allen Rosen, wie Unausgefühlt von Menschenherzen allen!
So Frühling, wie du's nun List, warst du nie, Und nie so Frühling wirst du wieder wallen; Denn nun zum Frühling macht dich blickend sie, Und sonst nur Blicke, die der Sonn' entfallen.
153. (Triolet.)
und mußtest du verschwinden. So schnell, als ich dich fand? Wie vor Novemberwinden
Die letzten Blümchen schwinden;
Noch wähn' ich zu empfinden.
Den linden Druck der Hand! Und mußtest du verschwinden
So schnell, als ich dich fand?
154. Wandrers Nachtlied. (Madrigal.)
Der du von dem Himmel bist,
Alles Leid und Schmerzen stillest,
Den, der doppelt elend ist,
Doppelt mit Erquickung füllest, Ach, ich bin des Treibens müde!
Was soll all der Schmerz und Lust? Süßer Friede,
Komm, ach komm in meine Brust!
Nur in Tönen mag sie gern
Alles, was sie will, verschönen. Tiec.
Schönste! Du hast mir befohlen, Dieses Thema zu glossiren;
Doch ich sag' es unverhohlen : Dieses heißt die Zeit verlieren, Und ich size wie auf Kohlen. Liebtet ihr nicht, stolze Schönen! Selbst die Logik zu verhöhnen, Würd' ich zu beweisen wagen, Daß es Unsinn ist zu sagen: Süße Liebe denkt in Tönen.
Zwar versteh' ich wohl das Schema Dieser abgeschmackten Glossen, Aber solch' verzwicktes Thema, Solche räthselhafte Possen Sind ein gordisches Problema. Dennoch macht' ich dir, mein Stern! Diese Freude gar zu gern. Hoffnungslos reib' ich die Hände, Nimmer bring' ich es zu Ende,
Denn Gedanken stehn zu fern.
Laß, mein Kind! die span'sche Mode,
Laß die fremden Triolette,
Laß die wälsche Klangmethode
Der Canzonen und Sonette,
Bleib' bei deiner Sapph'schen Ode! Bleib' der Aftermuse fern
Der romantisch süßen Herrn! Duftig schwebeln, lustig tänzeln Nur in Reimchen, Assonänzeln, Nur in Tönen mag sie gern.
Nicht in Tönen solcher Glossen Kann die Poesie sich zeigen ;
In antiken Verskolossen Stampft sie besser ihren Reigen Mit Spondeen und Molossen. Nur im Hammerschlag und Dröhnen Deutschhellenischer Kamönen Kann sie selbst die alten, kranken, Allerhäßlichsten Gedanken,
Alles, was sie will, verschönen.
156. Sängerstreit. (Tenzone.)
Sänger, sprecht mir einen Spruch ! Sagt mir, was ist minder Noth, Der Geliebten Treuebruch, Oder der Geliebten Tod?
Die vom Schwur sich losgezählet, In der reichsten Schönheit Schmu Ist sie doch ein Höllenspuck, Dessen Anblick schreckt und quälet. Reines Weib, das nie gefehlet, Lächelt noch im Leichentuch, Denn sie schied mit dem Versuch, Sel'gen Liebestrost zu sagen ; Drum ist minder Tod zu klagen Als gebrochner Treuverspruch.
Wenn Verrath, was Gott verhüte! Einen edlen Sänger trifft, Wandelt sich sein Lied in Gift, Stirbt ihm aller Dichtung Blüthe. Wenn die Braut von reiner Güte, Hingerafft durch frühen Tod,
Ihm entschwebt ins Morgenroth; All' sein Blick ist dann nach oben, Und in heil'gem Sang enthoben Fühlt er sich der ird'schen Noth.
Jene, die der Tod entnommen, Diese, die im Unbestand Weltlichen Gewühls verschwand, Keine wird dir wiederkommen. Wann der große Tag erglommen, Wo von Gottes Richterspruch Heil ergeht und ew'ger Fluch, Dann ist jene neugeboren, Diese bleibt auch dann verloren ; Mehr als Tod ist Treuebruch.
Der du Kampf mir angesonnen, Wie du sonnst mich überfliegst, Hoff' nicht, daß du heute siegst! Wahrheit hat voraus gewonnen. Ob dem Sang, den du begonnen, Wird dir selbst die Wange roth, Und dein Herz, vor banger Noth In mein Lied herüber flüchtend, Ruft, des Truges dich bezüchtend: "Falschheit kränket mehr denn Tod!"
Der Löwin dient des Löwen Mähne nicht; Buntfarbig fonnt sich die Phaläne nicht; Der Schwan befurcht mit stolzem Hals den See, Doch hoch im Aether hausen Schwäne nicht;
« PreviousContinue » |