Vorwort. Das viel umstrittene Problem der Verpflichtung des Staates durch sich selbst als des letzten Grundes für die Verwirklichung der Rechtsordnung überhaupt, und besonders für die Annahme. subjektiver öffentlicher Rechte tritt uns am häufigsten in der Bindung des verwaltenden Staates durch den gesetzgebenden Staat entgegen. Die Lösung ist hier, wenigstens für die Praxis, durch den Grundsatz der Trennung der Gewalten gegeben, welcher die volle Unterordnung der Exekutive unter die Legislative ermöglicht. Schwieriger gestaltet sich schon das Problem der Selbstbindung des Staates in seiner Funktion als Gesetzgeber. Da hier die höchste, durch die obersten, unmittelbaren Organe des Staates geübte Thätigkeit in Frage steht, kann die rechtliche Bindung nur durch eine von der Gesetzgebung sich selbst gesetzte Schranke ihrer Wirksamkeit erfolgen. Diese rechtliche Schranke besteht in der Regel darin, dass für die Erlassung und Abänderung von Gesetzen bestimmte Formen gesetzlich vorgeschrieben werden. Mögen auch diese Formen für eine Reihe von Gesetzen besonders erschwert sein, so liegt dennoch hier die einzige rechtliche Schranke für die Thätigkeit der Gesetzgebung in der Einhaltung dieser Formen; bei Beobachtung derselben erscheint auch die Abänderung derart qualifizierter Normen rechtlich statthaft. Die thatsächliche Unabänderlichkeit gewisser Rechtsnormen und Rechtsgrundsätze, die jeweils als unerschütterlicher Besitzstand der Rechtsordnung erscheinen mögen, liegt demnach ausserhalb des Rechtsgebietes, auf dem Gebiete der Ethik. Ist es aber möglich, dass der souveräne Staat über diese formale Schranke hinaus sich selbst auch eine unübersteigliche materiellrechtliche Schranke für die Ausübung der gesetzgebenden Gewalt setze? In den Verfassungen einiger Staaten findet sich in der That der Versuch vor, die Gesetzgebung an eine materielle Schranke rechtlich zu binden; gewisse Verfassungsbestimmungen werden als una bänderlich erklärt. Es sind dies meistens die grundlegenden Bestimmungen über die Ordnung der Gewalten im Staate, über die Staatsform. In der nachfolgenden Abhandlung soll nun die rechtliche Bedeutung und Tragweite derartiger Verfassungsbestimmungen, welche die Unabänderlichkeit der Staatsform festsetzen, untersucht werden. Wien, im Juli 1901. Dr. Rudolf von Herrnritt. V] Inhaltsverzeichnis. Erstes Kapitel. Die Behandlung der Staatsform in den Staatsverfassungen I. Die Staatsform als wesentlicher Gegenstand der Regelung II. Die verschiedenen Arten der Kennzeichnung der Staatsform III. Die auf die Unabänderlichkeit der Staatsform gerichteten Die auf die Erhaltung der Staatsform abzielenden Bestimmungen I. Das Verbot der Abänderung der republikanischen Regierungs- - des Artikels 8 des französischen Verfassungsgesetzes vom 25. Februar 1875, betreffend die Verfassungsrevision durch das Gesetz vom 4. August 1884. Vorgang bei der Ver- II. Die Bestimmungen der norwegischen und der griechi- schen Verfassung, betreffend die Unabänderlichkeit der Grundlagen der Verfassung. Zusammenhang mit dem geminderten Gesetzgebungsrechte des Königs. Dieses tritt III. Die Garantie der republikanischen Regierungsform der Glied- staaten in den Vereinigten Staaten Nordamerikas und in der Schweizer Eidgenossenschaft als Folge 5-19 10 |