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allerdings, namentlich in den Verfassungen der deutschen Staaten, noch nicht konsequent durchgeführt, und erscheint hier die hausgesetzliche Regelung der Thronfolge durch die verfassungsgesetzliche wenigstens formell noch nicht vollständig ersetzt und das gegenseitige Verhältnis dieser beiden Rechtsquellen nicht ganz geklärt.

Klar liegt allerdings die Sache dort, wo die Thronfolge in der Verfassung unmittelbar ihre Regelung gefunden hat und aus der Reihe der hausgesetzlichen Bestimmungen ausgeschiedeu ist; hier bildet nunmehr die Verfassung auch formell die ausschliessliche Rechtsquelle 1. Aber auch hinsichtlich jener Staaten, deren Verfassung nur auf die hausgesetzlichen Bestimmungen über die Thronfolge verweist, muss das Gleiche gelten. Denn, wie schon der Wortlaut einiger Verfassungen dieser Art darthut, bedeutet der Hinweis nicht etwa, dass für die hausgesetzlich geregelte Thronfolge auch fernerhin das Hausgesetz die massgebende Quelle bleibt, sondern dass die Thronfolge, sowie sie zur Zeit der Erlassung der Staatsverfassung in den Hausgesetzen geregelt erscheint, nunmehr in die Verfassung aufgenommen, zum Bestandteile derselben geworden ist. Zu Zweifeln kann dagegen die Frage in denjenigen Staaten Anlass bieten, deren Verfassungen überhaupt keinerlei Bestimmung über die Thronfolge enthalten, in welchen somit diese auch gegenwärtig ausschliesslich in den Hausgesetzen geregelt erscheint 1. Doch auch hier lassen sich überwiegende Gründe für die Kompetenz der verfassungsmässigen Organe der Gesetzgebung zur Ordnung der Thronfolge anführen. Es ergibt sich schon aus dem Begriffe der Verfassung, dass dieselbe die Stellung und Berufungsart des obersten Staatsorganes zu regeln hat, und es gestattet die Lückenhaftigkeit einer Verfassung nicht ohne weiteres einen Schluss auf die entgegengesetzte Absicht des Gesetzgebers. Ferner lässt sich aus denjenigen Bestimmungen dieser Verfassungen, welche die Volksvertretung ganz allgemein zur Mitwirkung bei der Gesetzgebung berufen, auf die Kompetenz der verfassungsmässigen Gesetzgebungsorgane auch zur Regelung der Thronfolge, dieser eminenten Frage der materiellen Gesetzgebung, schliessen.

1 Dies ist z. B. in Bayern der Fall. Nachdem die Verfassung vom 26. Mai 1818, welche in T. II, §§ 2-6 die Thronfolge regelt, erlassen worden war, wurde durch das Familienstatut vom 5. August 1819 das Hausgesetz vom Jahre 1816, welches die Thronfolgefrage geregelt hatte, geändert und ausgesprochen: „Bei der Thronfolge treten diejenigen Bestimmungen ein, welche in der Verfassungsurkunde T. II, §§ 2, 3, 4, 5 und 6 enthalten sind." (Vgl. H. SCHULZE, Die Hausgesetze der regierenden deutschen Fürstenhäuser I, S. 337.) Die Hausgesetze gelten nunmehr nur hinsichtlich der nicht auf die Thronfolge bezüglichen Verhältnisse der Mitglieder des Königshauses (Verf. § 8). Aehnlich das Verhältnis im Königreiche Sachsen §§ 6 ff.; dann Württemberg II, §§ 7 f.; Hessen I, Art. 5; Oldenburg Art. 17; Braunschweig §§ 14 ff.; Sachsen-Koburg-Gotha §§ 6 f.; Waldeck § 15, und in den meisten ausserdeutschen Staaten, als: Belgien Art. 60; Niederlande Art. 11 f.; Luxemburg Art. 3; Italien Art. 2; Spanien T. VII, Art. 59 f.; Portugal T. V, c IV; Dänemark Art. 1; Schweden Art. 1; Norwegen Art. 6; Griechenland Art. 45; Serbien II, Art. 5 ff.

2 Vgl. z. B. Baden I, §4: „Die Regierung des Landes ist erblich in der grossherzoglichen Familie nach den Bestimmungen der Deklaration vom 4. Oktober 1817, die als Grundlage des Hausgesetzes einen wesentlichen Bestandteil der Verfassung bilden und als wörtlich in gegenwärtige Urkunde aufgenommen betrachtet werden soll." Aehnliches gilt für Preussen Art. 53; Hessen I, Art. 5; Sachsen-Meiningen I, § 3 etc. Hierher ist auch Oesterreich-Ungarn zu zählen, dessen von „Karl VI. am 19. April 1713 endgültig und unabänderlich festgesetzte Successionsordnung", welche in dem unter dem Namen der Pragmatischen Sanktion bekannten, von den gesetzlichen Ständen Unserer verschiedenen Königreiche und Länder angenommenen, in Kraft bestehenden Staats-, Grund- und Hausgesetze ihren Abschluss gefunden hat", nunmehr durch die Aufnahme in das Diplom vom 20. Oktober 1860 zu einem Bestandteile der Verfassung geworden ist. Vgl. hierzu die Erklärung des Ministerpräsidenten v. Koerber in der Sitzung des österr. Abgeordnetenhauses vom 7. Mai 1901. (Stenogr. Prot., XVII. Sess., 42. Sitzung, S. 3388 ff.)

Dieses ungeklärte Verhältnis zwischen Verfassung und Hausgesetzgebung hängt eben mit dem noch nicht überall abgeschlossenen Prozesse der Umbildung des Patrimonialstaates in den Verfassungsstaat zusammen, ein Prozess, der namentlich in der Entwickelung des Monarchenrechtes auf halbem Wege zum Stillstande gekommen ist.

VI. Einer in der Stellung des obersten Staatsorganes liegenden Garantie für den Bestand der verfassungsmässigen Staatsform, wie sie das Monarchenrecht für die Monarchie bietet, entbehrt dagegen die Republik.

Seitdem die aristokratische Republik, in welcher die bevorzugte Stellung gewisser Familien oder Gesellschaftsklassen eine Analogie zur Stellung des Monarchen bot, aus der Reihe der aktuellen Staatsformen verschwunden ist, kommt in der Republik die organische Einheit der Staatspersönlichkeit in ihrer vollen Reinheit, unbeeinträchtigt durch nicht organmässige Sonderrechte, zur vollen Entfaltung. Die gesetzgebende Gewalt, also auch die Verfassungsgesetzgebung liegt in der Hand eines einzigen Organs, nämlich des Volkes, sei es unmittelbar, sei es mittelbar durch seine Repräsentanten. Dem republikanischen Staatsoberhaupte steht dagegen höchstens ein aufschiebendes Veto zu. Da hier somit das Gegengewicht gegen die Beschlüsse des souveränen Volkes, welches in dem Sanktionsrechte des Monarchen gelegen ist, fehlt, ist die Republik gegen radikale Aenderungen der Verfassung auf gesetzlichem Wege weniger empfindlich als die Monarchie.

1 Sachsen-Weimar, Anhalt, Schwarzburg-Rudolstadt, Lippe.

Daraus ist es zu erklären, dass die Republik bestrebt sein wird, durch äusserliche Mittel, wie das mehrerwähnte Verbot des französischen Gesetzes vom 14. August 1884 die republikanische Regierungsform zum Gegenstande der Verfassungsrevision zu machen, den Mangel an innerer Stabilität zu ersetzen. Weder die Limitierung der Beschlüsse der Nationalversammlung durch die Kammern noch auch das Promulgationsrecht des Präsidenten der Republik würden jedoch im stande sein, hier die Abänderung der republikanischen Staatsform auf legalem Wege zu verhindern, wenn die republikanischen Parteien in beiden Kammern dauernd in die Minderheit kommen sollten.

Es sind hier somit im Vergleiche mit der Monarchie die Garantien für die Erhaltung der Staatsform von geringem Werte, wenn ihnen nicht die Macht oder loyale Absicht des Volks bezw. der Volksvertretung, die bestehende Staatsform unbedingt aufrecht zu erhalten, zur Seite steht. Die Republik entbehrt eben der Stütze, welche die Stellung des Monarchen und das eigene Interesse der Dynastie für die Erhaltung der Monarchie bieten. Sie schöpft ihre Kraft hauptsächlich aus dem republikanischen Sinne der Bevölkerung, und die öffentliche Meinung ist der oberste, nicht immer zuverlässige Hüter derselben 1.

Einen Ersatz für diesen Mangel an Stabilität findet die moderne Republik in der bundesstaatlichen Organisation. Aehnlich wie in der Monarchie der Wille des Volkes durch das Recht des Monarchen zur Mitwirkung bei der Gesetzgebung, ist die im bundesstaatlichen Verbande stehende Republik bei der Verfassungsänderung durch die Bundesgewalt beschränkt. Vermöge der Garantie der republikanischen Regierungsform der Einzelstaaten durch den Bund und infolge des komplizierten Vorganges bei der Verfassungsänderung ist die Beseitigung der republikanischen Form der Einzelstaaten unter normalen Verhältnissen, also im legalen Wege, thatsächlich ausgeschlossen. Es wäre hier das Zusammenwirken zweier Organisationen, einerseits der Gliedstaaten andererseits des Bundes zur Beseitigung der republikanischen Form erforderlich, was nicht möglich ist, solange die Bürgerschaft des gesamten Bundes die republikanische Organisation überhaupt nicht aufgegeben hat. Es müsste nämlich der Aenderung der republikanischen Form des Gliedstaates eine Aenderung der Bestimmungen der Bundesverfassung über die Garantie der Staatenverfassungen vorausgehen, welche aber einerseits die Mehrheit (in der amerikanischen Union die qualifizierte Mehrheit) der Bundeslegislatur bezw. der Bürgerschaft des Bundes und andererseits die Mehrheit (in der Union die Dreiviertelmehrheit) der Gliedstaaten auf ihrer Seite haben müsste 1. Dies ist aber bei einer nur in einzelnen Staaten auftretenden antirepublikanischen Aspiration nicht denkbar.

1 Bischof FREPPEL in der Sitzung der Assemblée nationale vom 11. August 1884 über die Wirkungen der in Verhandlung gestellten Verfassungsrevision: „La declaration est inutile, car de deux choses l'une: ou la Nation française s'attachera, dans l'avenir, à la forme républicaine du Gouvernement, et alors vous n'avez aucun profit à formuler d'avance son désire dans un texte de loi; ou bien la Nation française se détachera de la forme républicaine du Gouvernement pour en réclamer une autre, et, dans ce cas, votre déclaration et rien, ce sera exactement la même chose. (Annales de l'Assemblée nat. S. 106.)

VII. Der Vergleich der beiden Grundformen, Monarchie und Republik hinsichtlich ihrer innerlichen Stabilität fällt somit zu Gunsten der ersteren aus, und es würde nicht schwer fallen, diese Erscheinung durch Belege aus der Staatengeschichte der letzten Jahrhunderte zu beweisen. Da würde sich ergeben, dass der Uebergang der Monarchie in die Republik sich meist unter grösseren Erschütterungen des staatlichen Organismus vollzog als der umgekehrte Prozess. Jener Uebergang war mit geringen Ausnahmen ein Werk der Gewalt, des Umsturzes, indem die Monarchie in der Lage war, entgegengesetzten Machtbestrebungen einen kräftigen Widerstand entgegenzusetzen 2. Hingegen fehlt es nicht an Beispielen des wenigstens äusserlich legalen Ueberganges der Republik in die Monarchie, obgleich die republikanische Freiheit meistens auch nur dem kühnen Handstreiche eines ehrgeizigen Prätendenten unterlag 1.

1 Amerikanische Bundesverfassung Art. V; Schweizer Bundesverfassung III, Art. 118-123.

2 Als ein Beispiel eines wenigstens äusserlich in rechtlicher Weise erfolgten Ueberganges eines monarchischen Staates in eine Republik könnte der durch den Pariser Vertrag vom 26. Mai 1857 erfolgte Verzicht des Königs von Preussen auf seine Souveränitätsrechte über den Kanton Neuenburg angesehen werden. Vgl. ORELLI а. а. О. S. 88.

SO

Wollte man somit an der Hand der Geschichte für den Uebergang der verschiedenen Staatsformen ineinander ein allgemeines Gesetz aufstellen, - allerdings ein sehr gewagtes Beginnen müsste dasselbe lauten, dass der Uebergang der staatlichen Grundformen, der Monarchie und Republik, ineinander im Wege blosser Verfassungsänderung, ohne Unterbrechung der Rechtskontinuität, wenn auch nicht gänzlich ausgeschlossen, so doch überaus selten ist2. Innerhalb der staatlichen Zwischenformen wird dagegen weit öfter der Uebergang im rechtlichen Wege ohne gewaltsamen Umsturz vor sich gehen, namentlich seitdem die absolute Monarchie der beschränkten und die aristokratische Republik der demokratischen Platz gemacht hat.

Der Uebergang von der absoluten zur konstitutionellen Monarchie, von der aristokratischen zur demokratischen Republik musste noch vielfach durch Gewalt erkämpft werden. Nachdem aber durch die Beseitigung oder Minderung der subjektiven Herrschaftsrechte die Einheitlichkeit des staatlichen Organismus hergestellt worden war, erschien das Hindernis für die weitere organische Ausbildung und Umbildung der Staaten beseitigt. Die zweite Hälfte des XIX. Jahrhunderts gehört vorzugsweise diesem Prozesse der Umbildung der Staatsverfassungen auf rechtlichem Wege und zwar in demokratischer Richtung an. So sehen wir, namentlich in den deutschen Staaten, den Uebergang von der ständischen in die konstitutionelle Monarchie, oder richtiger gesagt, die allmähliche Abstreifung der Reste der ständischen Ordnung, wie sie sich in den ursprünglichen, der Restauration angehörenden Verfassungen vorfand und noch zum Teile vorfindet, vor sich gehen. Charakteristisch für diese Entwickelung ist die Abschwächung des

1 So erfolgte, allerdings nachdem der Staatsstreich vorangegangen war, die Umwandlung der französischen Republik in das Kaiserreich formell in verfassungsmässiger Weise durch Senatskonsult und Volksabstimmung.

2

Im allgemeinen muss ESMEIN zugestimmt werden, welcher, a. a. O. S. 748, hierüber erklärt: „En effet, lorsqu'un changement se produit dans la forme essentielle de l'État, de quelque façon il s'opère, c'est une révolution: et si, l'histoire le démontre, la loi est impuissante à empêcher une pareille révolution, lorsque les faits l'ont préparée et rendu inévitable, elle ne doit point y inviter en quelque sorte les esprits, en mettant à l'ordre du jour des Assemblées ces changements possibles.

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