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sich individuell gestaltet, erhält auch das Verfassungsrecht jedes Staates ein individuelles, von dem Verfassungsrechte jedes anderen Staates abweichendes Gepräge. Wenn die Staatslehre dennoch gewisse häufig vorkommende, einander ähnliche Erscheinungen der einzelnen Staatsverfassungen zu Begriffen generell zusammenfasst, so handelt es sich dabei doch immer nur um mehr oder weniger übereinstimmende Analogien. Die Begriffsbildung muss hier von vorneherein eine wenig bestimmte bleiben; dies gilt namentlich von der Rechtsstellung der obersten Organe im Staate, welche für die Staatsform massgebend ist. Dieser Vorbehalt muss gemacht werden, wenn z. B. die altmonarchischen Staaten, wie Preussen, Oesterreich, mit ihren zahlreichen, aus der ständischen Epoche überkommenen Einrichtungen gleich der norwegischen, belgischen, griechischen Monarchie, welche auf demokratischen Grundlagen ruhen, unter den einheitlichen Begriff der konstitutionellen Monarchie zusammengefasst werden. So wird auch die Staatsform der französischen Verfassung vom Jahre 1791 in Fortsetzung der monarchischen Traditionen Frankreichs als Monarchie bezeichnet, obwohl die wesentlichen Merkmale einer solchen nach heutiger Anschauung, derselben fehlen.

III. Der richtige Weg zur Erkenntnis des Wesens der Staatsform ist nur durch die juristische Auffassung des Staates als einer Persönlichkeit, nämlich als einer mit ursprünglicher Herrschergewalt ausgestatteten Körperschaft gegeben. Diese ursprüngliche Herrschergewalt unterscheidet den Staat von jeder anderen Körperschaft, deren Gewalt stets nur eine von einer höheren, in letzter Reihe vom Staate, abgeleitete ist. Die staatliche Herrschergewalt umfasst aber ideell die Gesamtheit der menschlichen Zwecke. Wenn der Staat auch die Verfolgung noch so zahlreicher Zwecke den unter ihm stehenden Verbänden oder dem Einzelnen überlässt, so kann er dieselben dennoch jederzeit an sich ziehen. Mag er auch jeweils einen bestimmten Zweck oder eine Reihe von solchen, z. B. die Pflege des Ackerbaues, die Förderung der Industrie in den Vordergrund seiner Wirksamkeit stellen, so bedeutet dies doch nur eine zufällige Erscheinungsform seiner grundsätzlich alle Zwecke umfassenden Thätigkeit. Deshalb ist im Gegensatze zur Körperschaft mit beschränkten Zwecken ein bestimmter Zweck nicht geeignet, den Staat juristisch zu individualisieren. Die rechtliche Individualisierung muss hier auf die formale Seite seines Wesens, auf seine Organisation aufgebaut werden, und da die ursprüngliche Herrschermacht das charakteristischeste Merkmal des Staates bildet, sind es die obersten Organe, als Träger jener dem Staate zukommenden Herrschermacht, welche dem Staate sein rechtliches Gepräge verleihen1. Insofern aber die Stellung der mit Herrschermacht ausgestatteten Organe durch die Staatsverfassung bestimmt ist, kann man sagen, dass die Staatsform sich mit der verfassungsmässigen Form der Ausübung der Herrschermacht des Staates deckt. Die Staatsform ist somit die typische Erscheinung eines Staates, die durch die verfassungsmässig bestimmte Stellung seiner obersten Organe gegeben ist 2.

1 Diese bereits von der antiken Staatslehre erkannte Wahrheit (ARISTOTELES, Polit III, 7) drückt HOBBES, De cive, Kap. VII, 1 prägnant aus: Differentia civitatum sumitur a differentia personarum, quibus commissum est summum imperium. Vgl. auch JELLINEK, Die rechtliche Natur der Staatsverträge, Wien 1880, S. 9 f.

2 Die Verfassungen bedienen sich für die typische Gestaltung des Staates vorzugsweise des Ausdruckes „Regierungsform". So wird schon der der Declaration of rights folgende Teil der Staatenverfassungen der Union, welcher die Organisation der Gewalten regelt, als „Constitution or form (frame) of government" bezeichnet. Dieser Ausdruck ist später auch in die Verfassungen der Monarchien zumeist übergegangen. Dennoch scheint mir für die rechtliche Individualisierung der Staaten im allgemeinen der Ausdruck „Staatsform" den Vorzug gegenüber dem Ausdrucke „Regierungsform" zu verdienen. Der letztere Ausdruck ist nämlich nur dann geeignet, den Staat rechtlich zu individualisieren, wenn der „Regierung" als dem mit der Exekutivge walt betrauten Organe das Volk als Träger der staatlichen Souveränität entgegengestellt wird. Deshalb unterscheiden die Anhänger der Volkssouveränitätslehre, namentlich ROUSSEAU, Contrat social III, Kap. 1 ff. (siehe darüber unten Kap. 4), mit vollem Rechte von der Staatsform, die nur eine einheitliche sein kann, nämlich die Demokratie, die Regierungsform als die verschiedene Art der Einrichtung der Exekutivgewalt, welche von diesem Standpunkte aus dem Staate thatsächlich seine rechtliche Individualität verleiht. Wir finden demgemäss auch zunächst in den republikanischen Verfassungen für die typische Gestaltung des Staates die Ausdrücke „forme du gouvernement", „Regierungsform" u. dgl. vor.

Wird dagegen der Staat selbst als Träger der Souveränität betrachtet und nicht das Volk, so erscheint die verschiedene Gestaltung der Exekutivgewalt allein nicht geeignet, den Staat rechtlich zu individualisieren; Republik und Monarchie sind nicht bloss verschiedene „Formen der Regierung im obigen Sinne, sondern verschiedene Gestaltungen des Staates selbst. Es ist deshalb ganz logisch, wenn die ältere Naturrechtslehre nur ausnahmsweise von den „formae regiminis, gubernationis" (GROTIUS, PUFENDORF) spricht, in der Regel dagegen die Ausdrücke „Reipublicae genera" (BoDIN), „civitatis species" (HOBBES), „rerum publicarum formae" (WOLFF) und ähnliche gebraucht, da ja diese Formen durch Uebertragung der gesamten beim Volke ruhenden Souveränität, nicht aber bloss der Exekutivgewalt entstehen.

Wenn dagegen unter Regierung die leitende, richtunggebende Thätigkeit für die politischen Geschicke des ganzen Staates verstanden wird (O. MAYER, Verwaltungsrecht, S. 4) und nicht bloss die Ausführung des Willens eines über dem Regierenden stehenden souveränen Organs, dann liegt allerdings zwischen den beiden Ausdrücken Staatsform und Regierungsform kein wesentlicher Unterschied vor, was die Ausdrucksweise der monarchischen Verfassungen erklären mag. Vgl. auch REHM, Staatslehre § 42.

Je nachdem an der Spitze des Staates eine physische Person steht, in welcher sich die Herrschermacht des Staates gewissermassen versinnlicht, oder aber eine organisierte Mehrheit physischer Personen das oberste Organ des Staates bildet, erscheint der Staat als Monarchie oder Republik. Diese beiden Formen, welche seit Macchiavelli die aristotelische Dreiteilung der Staatsformen ersetzen, stellen die beiden Grundformen der Staaten dar.

Das Wesen derselben ist indessen keineswegs unbestritten und die Abgrenzung mitunter schwierig. Der begrifflichen Feststellung des Monarchenrechtes stellen sich dieselben Bedenken entgegen, welche der rechtlichen Erfassung der Staatsformen überhaupt anhaften, nämlich die individuelle Ausgestaltung der monarchischen Institution in den einzelnen monarchischen Staaten. Für jedes Staatswesen, ja meistens sogar für die einzelnen Entwickelungsepochen innerhalb desselben, ist der Monarchenbegriff ein verschiedener. Daher auch die Unmöglichkeit einer befriedigenden alle Fälle deckenden Definition; der Monarchenbegriff wird immer ein relativer bleiben, für einen bestimmten Staat, ja für eine bestimmte Epoche desselben gelten. Es gab bekanntlich absetzbare, verantwortliche, in ihrer Stellung zeitlich beschränkte Monarchen; neben Erbmonarchen auch Wahlmonarchen, ebenso eine Mehrheit von Monarchen in demselben Staate. Es gibt und gab Monarchen, welche die Fülle staatlicher Macht in ihrer Hand vereinen, und andererseits solche, deren Gewalt nur eine scheinbare ist, Monarchen mit und ohne Gesetzesveto u. s. w. 1. Streng genommen lässt sich somit nur der Begriff des Monarchen eines bestimmten Staates rechtlich feststellen, daher das Vage und Unbestimmte eines allgemeinen Monarchenbegriffes.

Es ist gewiss richtig, dass die Monarchenstellung in der Konzentration der gesamten Staatsgewalt in der Hand einer physischen Person am greifbarsten nach aussen hervortritt. Doch ist diese äussere Erscheinung, vermöge welcher der Monarch alle Zweige der staatlichen Thätigkeit unmittelbar oder mittelbar beeinflusst, nicht geeignet, dessen Rechtsstellung zu kennzeichnen; denn einerseits bietet das positive Verfassungsrecht der monarchischen Staaten in dieser Hinsicht wesentliche Abweichungen, andererseits kann auch die Kompetenz des republikanischen Staatsoberhauptes diejenige des Monarchen inhaltlich erreichen, ja sogar übersteigen. Der Unterschied liegt aber in gewissen Rechtsbeziehungen, welche dieser Kompetenz ein eigenartiges Gepräge verleihen und das charakteristische Merkmal der heutigen Monarchie bilden, nämlich in der Lebenslänglichkeit, Erblichkeit, Unabsetzbarkeit und Unverantwortlichkeit des Monarchen.

1 Vgl. BERNATZIK, Republik und Monarchie, Freiburg 1892, S. 2 ff., S. 39.

So vag auch diese Eigenschaften, welche über die Thätigkeit und sachliche Kompetenz des Monarchen gar nichts aussagen, erscheinen mögen, so liegt in denselben dennoch ein ganz eigenartiges Rechtsprinzip verborgen. Sie räumen nämlich dem Monarchen eine besondere, von den übrigen Staatsorganen grundsätzlich abweichende, mit dem Begriffe des Organs überhaupt schwer vereinbare Stellung ein. Denn im Wesen des Organs liegt dessen Zweckmässigkeit vom Standpunkte des Organismus, die möglichste Uebereinstimmung der Willensrichtung des Organes mit den Zwecken des Organismus als solchen. Dieser Uebereinstimmung stehen aber jene Merkmale gerade entgegen; vermöge derselben ist die Berufung des jeweiligen Monarchen einerseits gänzlich dem Zufalle anheimgegeben, andererseits kann die persönliche Willensrichtung desselben mit den Staatszwecken im krassesten Widerspruche stehen. Die eigenartige, ausserorganische Stellung des Monarchen ist nur historisch zu erklären; sie ist ein Ueberrest aus der Zeit der dualistischen Staatsauffassung, welche den Monarchen ausserhalb des Staates stellt und ihm ein subjectives Recht auf die Herrschaft beilegt.

Die gegenwärtige Zeitepoche konnte diesen, der Eigenschaft des Staates als einer persönlichen Verbandseinheit scheinbar widersprechenden Zustand um so eher übernehmen, als dessen Gefahren durch die konstitutionellen Einrichtungen, als die Regentschaft, dann die Gebundenheit des Monarchen an die Mitwirkung der Volksvertretung bei der Gesetzgebung und verantwortlicher Organe bei der Ausübung der Exekutivgewalt, beseitigt erscheinen, dagegen der nicht hoch genug anzuschlagende Vorteil der vollen Sicherheit und Stabilität der Thronfolge und der Kontinuität in der Entwickelung des Staatslebens durch denselben gewährleistet ist. Die Ausgestaltung des obersten Amtes im Staate nach der Art eines subjektiven Rechtes, unterscheidet somit den Monarchen vom obersten republikanischen Magistrate; diejenigen Staaten, an deren Spitze ein oberstes Organ mit einer derart ausgebildeten Rechtsstellung sich nicht befindet, sind Republiken1.

IV. Innerhalb der beiden Grundformen, Monarchie und Republik, weist die heutige Staatenwelt eine Reihe von Zwischengebilden auf, deren Zahl und rechtlicher Charakter sich eben wegen des individuellen Entwickelungsprozesses der Staaten nicht mit voller Genauigkeit feststellen lässt. Die Macht leitender Ideen, in der Gegenwart namentlich die Idee der Demokratisierung des Staatswesens, welche sich in der Heranziehung stets weiterer Kreise zur Teilnahme an der Regierungsthätigkeit äussert, hat zur Ausbildung neuer Zwischenformen innerhalb der beiden Grundformen der Staaten geführt, während wiederum andere Typen thatsächlich verschwunden sind 2.

1 In dem „eigenen Rechte des obersten Organes auf seine Organstellung" (a. a. O. S. 29), in einer „höheren Rechtsfähigkeit“, „einem höheren Statusrechte" gegenüber den übrigen Bürgern (in GRÜNHUTS Zeitschr. XXVI, S. 310) erblickt BERNATZIK das Wesen der Monarchenstellung.

Wenn dagegen von JELLINEK, Archiv für öffentliches Recht VIII, S. 175 ff., dann System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 136 f., und von REHM, Allgemeine Staatslehre, § 42, geltend gemacht wird, dass ein derartiges Recht auf Teilnahme an der Staatsherrschaft sich auch in der Aristokratie und Demokratie vorfinde, was ja übrigens BERNATZIK selbst zugegeben hat (Archiv für öffentliches Recht V, § 310 f.), so kann dennoch der Definition der Monarchie bei BERNATZIK für die Erkenntnis der Rechtsstellung des Monarchen im Vergleiche zu den übrigen unmittelbaren Staatsorganen der Wert nicht abgesprochen werden. Gerade mit Rücksicht auf die zahlreichen Uebergangszustände und Zwischenformen zwischen Monarchie und Republik ist die Gegenüberstellung des Monarchenrechtes den Rechten der anderen an der Herrschaft beteiligten Staatsorgane notwendig. Man denke an das Protektorat CROMWELLS, an das lebenslängliche Konsulat BONAPARTES, an T. I, Art. 1 des Sen. Consultes vom 18. Mai 1804, endlich daran, dass auch in der konstitutionellen Monarchie eine unmittelbare Organstellung des Volkes, bezw. seiner Vertretung, neben derjenigen des Monarchen erscheint. Die interessanten Debatten des belgischen Nationalkongresses über die künftige Staatsform Belgiens sind gar sehr geeignet, den Gegensatz zwischen den Rechten des Volkes in der Demokratie und dem Monarchenrechte zu illustrieren (vgl. TH. JUSTE, Geschichte der Gründung der konstitutionellen Monarchie in Belgien, 1850, I, S. 69 ff.). Auch die Rechte, bezw. Vorrechte des Volkes oder gewisser Gruppen desselben in der Demokratie, auf welche sich JELLINEK beruft, als die Vererbung der Aemter in gewissen Familien etc., sind wohl ganz anderen Charakters als diejenigen des Monarchen; sie erscheinen dort als ein Missbrauch, als eine Verkennung des demokratischen Prinzips, während dieselben hier gerade die legitime Macht des Monarchen darstellen.

652 ff.

2 Vgl. zum folgenden jetzt bes. JELLINEK, Staatslehre, Kap. XX, S. 628 ff.,

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