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dem Lobgesange oder Hymnus, 4 der dem Apolls zu Eh, ren verfertiget, und dem Homer zugeschrieben ist, das Wort voos gebraucht wird, um das Geseß oder die Bingart des Gesanges anzudeuten.

Eben dieselben Ursachen, warum die alten Griechen vor der Erfindung der Buchstaben ihre Geseze sungen, bewogen sie, auch ihre Geschichte, und überhaupt alles das, was sie auf ihre Nachkommen bringen wollten, zu singen. Der Gesang war damals das einzige natürliche Mittel, alles, woran der Nation zu viel gelegen war, als daß es vergessen werden sollte, von den Båtern auf die Kinder fortzupflanzen. Man brauchte also diese Methode fast eben so in der Geschichte, als bey den Gefeßen; und die Gewohnheit, Dinge von allerley Arten zu singen, gefiel den Griechen so wohl, daß sie noch nach der Einführung der Buchstaben fortdaurete. Daher waren alle Werke derer Griechischen Schriftsteller, 5 die vor Kadmus von Mileto und vor Pherecydeß von Schros gelebet haben, lauter Stücke, die in Versen geschrieben waren, und die man singen konnte. Es waren zwar nicht allemal bloffe

Lieder; 6 aber es ist doch sehr glaublich, daß man die meiste Zeit dergleichen brauchte, weil diese Art von Unterricht den Vortheil hat, daß sie wegen ihres leich ten und ungekünstelten Wefens, und wegen ihrer Kürze, 7 mehr, als alle andern, nach dem Begriffe aller Menschen ist.

Wie die Buchstaben in den Schoos Griechenlandes aufgenommen waren, und darinn die Künfte und Wissenschaften erzeugten; so erweckten die Lieder ein weiteres Nachsinnen über die Melodie und über die Worte, wovon sie zusammen geseget waren. Die Ge danken über die Melodie gaben zu den Regeln der Mus fik Gelegenheit, und die Gedanken über die Worte brachten nach und nach die Regelu der Dichtkunst hervor. Anderseits erhoben die Musik und die Poesie den Werth der Lieder, und brachten sie zu einem Grade der Vollkommenheit, den sie in allen vorigen Jahrhunderten nicht hatten erreichen können. Die natürliche Ordnung, welche die Künste in ihrem Fortgange ge= halten, giebt uns genug zu erkennen, wie die Dichtkunst, die Musik und die Lieder auf diese Art ver

einander abhangen. Diese Wahrheit wird noch Tadurch bekräftiget, daß die alten Griechen für die Lieder, die poetischen und musikalischen Stücke, einerley Nas men brauchten. Alle drev hicffen ohne Unterscheid adai, asμata, pian, Lieder oder Gesänge; und ihre Verfasser widoì, aldınıò, doidoì, oder Sånger.

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Diese Namen erwecken uns oft Schwierigkeiten i wenn wir die Alten lesen. Man weiß nicht, ob fie von den Musicis, oder von den Poeten, oder von de nen, welche sich mit Liedern beschäfftigten, haben reden wollen. Wir finden hiervon einige dunkele Stellen in der Odyssee des Homers. In dem ersten Buche finger Phemius den Liebhabern der Penelope vor, wie schwer es sey, daß die Griechen nach der Belagerung der Stadt Troia wieder zurück kommen könnten. In dem dritten erscheinet ein Sånger, den Agamemnon bey seiner Gemahlinn Klytemnestra gelas fen hatte, daß er sie belustigen und während seiner Abwesenheit unterrichten sollte. In dem vierten Finget und tanzet man bey einem Gastmahle, welches Mene laus seinen Bürgern gab. In dem achten singet De

modocus bey den Phåazern von den Buhlereyen des Mars und der Venus. Im zwölften findet Ulysses das Mittel, dem Singen der Sirenen sicher zuzuhören. Im ein und zwanzigsten erhebet Phemius, den die Liebhaber der Penelope wider seinen Willen zu singen zwangen, vor dem Ulysses den Werth seines Singens, um dadurch dem Tode zu entgehen.

Athenaus, 8 welcher gewohnt ist, die Musicos, die Dichter und die Sånger, wenn ich diesen Namen brauchen darf, durch besondere Benennung zu unterfcheiden, giebt dehen Personen in der Odyssee, die ich eben angeführet habe, nur den lehten Namen; und er redet von ihnen ziemlich weitläufig, wie er auf die Lieder kömmt, die man bey Tische sang, ohne in andern Stellen, wo er von der Poesie und Musik sehr ausführlich gehandlet hat, das geringste von ihnen zu sagen. Er hat also geglaubet, daß in diesen Erzählungen der Odyssee blos von Liedern die Rede sey. Es würde leicht seyn, zu zeigen, daß einige Scholiastër, des Homers und andere Gelehrten eben so, wie Athenåas gedacht haben. Allein, weil Cicero, Strabo,9

Quintilian 10, und viele Schriftsteller nach ihnen, diese Lieder, welche Homerus preiset, zur Dichtkunst oder zur Musik zu rechnen scheinen; so wollen wir uns nicht weiter dabey aufhalten.

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Man könnte noch viele Werke der lyrischen Dich ter Griechenlandes unter die Lieder zählen. Da aber dies ses nicht ohne einige Schwierigkeit geschehen wür de; so müssen wir hier bey denen Stücken bleiben, welche den Character eines Liedes so deutlich haben, daß wir keinen Fehler begehen, wenn wir sie so nennen.

Dergleichen sind erstens die Lieder, welche man während der Mahlzeit fang; man kann sie Trinklieder nennen, o sie gleich nicht allemal von den Ergeßlichkeiten der Tafel handelten. Zweytens, diejenigen, welche eine besondere Lebensart betrafen, und auf die Umstände einiger Begebenheiten oder einiger Gebräuche giengen.

Ich will dieser Eintheilung in den beyden Theis len dieser Abhandlung folgen, worinn ich nicht allein das, was uns die Geschichte von diesen Liedern berichtet, sammeln werde, sondern auch dasienige beybringen

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