Häufig aber waren es in der That grässliche Schauspiele, woran die Römer dort ihre abgestumpften Sinne weideten: verurtheilte Missethäter mussten in einer bestimmten Rolle sterben, als brennender Herkules, als zerfleischter Orpheus, als Phaethon und Icarus, die unter wilde Thiere herabstürzten, oder als Laureolus, der ans Kreuz geschlagen und von Bären zerfleischt wurde. Nun höre man, wie behaglich Martial über solche Dinge schäkert! 7. Qualiter in Scythica religatus rupe Prometheus Nuda Caledonio sic pectora praebuit urso Inque omni nusquam corpore corpus erat. Gleichwohl setzte das Büchlein de spectaculis den raffinirten Schmeichler in Verlegenheit; denn die ersten Gedichte desselben zielten allzudeutlich auf die Erbauer des Colosseums, auf die Kaiser Vespasian und Titus: streichen mochte er sie nicht, zumal, da sie wahrscheinlich schon bekannt geworden waren, und fügte er sie bei, so konnte man leicht dahinter kommen, dass er auch einige andre Piecen jener Sammlung erst auf Domitian umgedeutet, und ebenso manches lobhudelnde Epigramm des ersten Buchs später eingeschaltet habe. Daher schickte er dem Regulus lieber blos das 2. Buch, mit dem scherzhaften Schlussgedichte: „Primus ubi est ?" inquis, „quum sit liber ille secundus ?" Quid faciam, si plus ille pudoris habet? Tu tamen hunc fieri si mavis, Regule, primum, Unum de titulo tollere iota potes." Schon dieses zweite Buch trug seine Früchte. Da nämlich der lex Julia zufolge Jeder von einem gewissen Alter an verheirathet, und der lex Papia Poppaea zufolge kein Verheiratheter ohne leibliche Kinder, oder im erstern Fall zu gar keinem Erbe und Legat, im andern nur zum Erwerb der Hälfte fähig seyn sollte: so kam Martial beim Kaiser um Verleihung aller mit dem Besitz dreier Kinder verknüpften öffentlichen und privatrechtlichen Vortheile, d. h. er kam um das sogenannte ius trium liberorum ein, und seine Bitte fand Erhörung. Wir erfahren dies aus dem 91. und 92. Epigramm des zweiten Buchs. 91. Rerum certa salus, terrarum gloria, Caesar, Detinuere oculos carmina nostra tuos: Zur Ritterwürde (V. 13: non obscurus nec male notus eques") und zum Kriegstribunate war Martial ohne Zweifel durch Titus gelangt: hiefür zeugt das 95. Epigramm im 3. Buche. Nunquam dicis ave, sed reddis, Naevole, semper, Est et in hoc aliquid: vidit me Roma tribunum, Quot mihi Caesareo facti sunt munere cives, Nec famulos totidem suspicor esse tibi. Warum, Nävolus, grüssest du mich nie zuerst? Ich stehe dir doch in keiner Hinsicht nach: Titus und Domitian haben mich belobt und belohnt." Damit nun aber das Caesar uterque" keinen Anstoss bei Hof errege, nennt Martial vor Allem die ihm von Domitian wiederfahrne Gnade, spricht dann von der allgemeinen Anerkennung, die er bei der Mitwelt finde, und reiht erst jetzt, mittelst des Ausdrucks est et in hoc aliquid, " wie ein blosses Accidens gerade dasjenige an, was, wenn einmal von Rangverhältnissen die Rede war, den Ausschlag geben musste : ich habe das Kriegstribunat verwaltet, ich sitze bei Schauspielen auf einer der 14 Ritterbänke, dort, von wo dich der designator oder kaiserliche Polizeidiener Oceanus aufstehen heisst." Das folgende Distichon gilt ohne Zweifel wieder dem Domitian, dessen Lob den Schluss bilden sollte: " auf meine Bitten hin hat der Kaiser schon mehreren Leuten das Bürgerrecht ertheilt, als du Diener hast." War aber Martial trotz seiner Armuth durch die Gnade des Titus zum Tribun und Ritter gemacht worden, so war dies ohne Zweifel aus dem Grund geschehen, weil man den Dichter in ihm ehren wollte; folglich mussten ihm, bevor seine uns bekannten Epigramme ins Publikum übergiengen, schon andre Gedichte einen Namen verschafft haben. Martial bestätigt dies durch verschiedne Aeusserungen. Denn nicht genug, dass er von vorne herein als ein längst anerkannter Dichter auftritt (man lese nur die Zuschrift an den Leser, I. 2: hic est, quem legis, ille, quem requiris, toto notus in orbe Martialis, argutis epigrammaton libellis: cui, lector, quod dedisti viventi decus atque sentienti, rari post cineres habent poëtae"); sondern er redet sogar ausdrücklich von frühern Arbeiten, die er jedoch, wahrscheinlich, weil sie vom Lobe des Titus und Vespasian voll sind, lieber ignorirt wissen möchte. I. 114. Quaecunque lusi iuvenis et puer quondam, Apinasque nostras, quas nec ipse iam novi, Male collocare si bonas voles horas Et invidebis otio tuo lector, A Valeriano Pollio petes Quinto, Per quem perire non licet meis nugis. Also an Ruhm fehlte es ihm nicht, wohl aber fort- Dic, precor, o nostri dic conscia virgo Tonantis: „Quae nondum data sunt, stulte, negata putas?" „Als ich neulich den Jupiter um wenige tausend Sesterzien bat, antwortete er mir: die wirst du von dem bekommen, welchem ich, Tempel zu verdanken habe. (Suetons Dom. 5: „plurima et amplissima opera in cendio absumpta restituit, in quibus et Capitolium, quod rursus arserat, sed omnia sub tituto tantum suo ac sine ulla pristini auctoris memoria.") Aber ich habe sie nicht bekommen. Fast möchte ich mich meiner bescheidnen Bitte schämen. Und doch Domitian las ja die Bitt schrift so freundlich, ganz mit dem gnädigen Blick, mit welchem er einem Vasallenfürsten das Diadem verleiht, oder triumphirend auf das Capitol zieht. Ach, sage du, vertraute Freundin des Donnerers auf Erden, Minerva, sage mir etc." Pallas scheint es, hat Recht gehabt. Nach diesem und vielleicht manchem andern Geschenke besitzt Martial ein Gut, freilich ein sehr kleines, ein blosses suburbanum, wie aus VIII. 61 erhellt. Livet Carinus, rumpitur, furit, plorat, Spargor per omnes, Roma quas tenet, gentes; Hoc opto: mulas habeat et suburbanum. Der Anfang des 9. Buchs benachrichtigt uns von einer seltnen Auszeichnung, die ein vornehmer Freund Namens Stertinius (Martial legt ihm den erdichteten Namen Avitus bei) unserm Sänger zu Theile werden liess. Martialis Turanio suo salutem. Ave, mi Turani, frater carissime. Epigramma, quod extra ordinem paginarum est, ad Stertinium clarissimum virum scripsimus, qui imaginem meam ponere in bibliotheca sua voluit. De quo scribendum tibi putavi, ne ignorares, Avitus iste quis vocaretur. Vale, et para hospitium." In diesem 9. Buche erreicht die Schmeichelei gegen Domitian vollends den höchsten Grad, während das 13. und 14., zwei Bücher, die vor dem 10., 11. und 12. entstanden sind, nur einzelne Spuren der Art gewahr werden lassen. Der bezeichnete Unterschied rührt jedoch nicht von der Gesinnung des Dichters, sondern von der Eigenthümlichkeit des im 13. und 14. Buch behandelten Stoffes her; denn hier theilt der Dichter an den Saturnalien statt wirklicher Geschenke Distichen unter seine Freunde aus, und zwar im 13. Xenien, deren jedes irgend einen Leckerbissen oder ein gutes Getränk, und im 14. Apophoreten, deren jedes irgend ein Hausgeräthe oder Bauer Satyren. 15 Spielwerk dem nicht genannten Empfänger recommandirt. X. 2. Festinata prior decimi mihi cura libelli Pars nova maior erit. Lector, utrique fave. Nun wird denn Nerva, welchen er glücklicherweise bereits VIII. 70 und IX. 27 als ausgezeichneten Redner und dem Tibull gleichstehenden Dichter gepriesen hatte, wegen des von Domitian begonnenen, durch Nerva aber vollendeten Forums neben dem Janustempel verherrlicht, das zu dem Forum romanum, zu dem Cäsars und dem des Augustus als viertes hinzugekommen war, und transitorium oder Nervae hiess. X. 28. Annorum nitidique sator pulcherrime mundi, Publica quem primum vota precesque vocant, Ferrea perpetua claustra tuere sera. (Fora tot, quot ora: vier Fora, weil wir uns den Janus hier mit vier Gesichtern denken müssen, wie in dem zweiten Epigramm des achten Buchs.) Leider starb Nerva schon den 28. Januar 98, vielleicht ehe es dem Martialis deutlich geworden war, welchen Ton_er_gegenüber von diesem Regenten einzuhalten habe. Er begrüsst also vorläufig den neuen Herrn, Nervas Adoptivsohn, den aus Deutschland erwarteten Trajan. X. 7. Nympharum pater amniumque, Rhene, Sic semper liquidis fruaris undis, |