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hat

haben (der schon einige Zoll höher ist als ich und einen angenehmen Kavalier spielt) und zum Gesellschafter sie selbst mir nicht gesagt. Der Professor Schulze aus Weimar, der neulich hier durchreiste, fragte mich um meine Meinung darüber, die Wolzogen hätt' es lebhaft geäußert. Es traf mich wie ein Blitzschlag, ich konnte nicht antworten, ein Kampf entstand in mir ich sagte endlich nein und gab meine Gründe an, die er billigte. Auch die Wolzogen hat danach diese Gründe anerkannt und eingesehen, wie dem alten lieben Pestalozzi ein tätiger Mensch nicht entzogen werden dürfe.

Und so bleib ich nun, wo ich bin. Der junge Wolzogen wird in meine Stunden gehen und seine Mutter ist nach wie vor mir sehr gewogen. Ich lese ihr oft vor; auch Gedichte von mir und den Freunden. Man ist ganz ungeniert bei ihr, sie macht keine Complimente; freundlich begrüßt sie, bittet zum Sitzen, schenkt den Thee selbst und reicht ihn auch selbst und ist froh und gesprächig. Ich gehe sehr gern zu ihr. Der erwähnte Professor Schulze, ein Mann von hinreißendem Feuer, den ich schon in Weimar kennen lernte, ist hier noch mehr mein Freund geworden. Er bedauerte, daß er nicht meinen Wunsch gekannt hätte in Weimar zu leben, da sein Freund Passow Weimar verlassen hätte und mir die Professur desselben gewiß geworden wäre«<.

>> Frau von Wolzogen ist abgereist. Ich hing an dieser Frau mit großer Achtung, mit großer Zuneigung. Sie sah, wie weh' es mir tat und drückte mir die Hand beim Abschied, wobei sie mich ersuchte, ihrem Sohne, der noch einige Monate hier bleibt, Unterricht in deutscher Sprache zu erteilen«.

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Zum Verständnis der Briefe ist nur Weniges hinzuzufügen. Es ist bekannt, daß sich Karoline von Wolzogen lebhaft für Pestalozzi und seine pädagogischen Veranstaltungen interessierte; sie hat noch längere Zeit mit ihm in Briefwechsel gestanden. Das in dem ersten Briefe Schachts erwähnte Gedicht von ihm befindet sich in der Nummer der Zeitung für die elegante Welt vom 28. April 1810 (No. 85). Es trägt die Überschrift: Der teure Kauf. Schacht hat sich in seiner Jugend vielfach poetisch versucht und zu der poetischen Zeitschrift, die sein Freund Griepenkerl unter dem Titel: Zentifolie herausgab, manchen Beitrag beigesteuert. - Passow verließ Weimar im Juli 1810, einem Rufe des Danziger Magistrats folgend, der ihm die zweite Direktorstelle am Konradinum zu Jenkau angetragen hatte.

Übrigens wurde Schacht von Wilhelm von Humboldt ein gleiches Anerbieten gemacht wie von Karoline von Wolzogen: er sollte Erzieher von dessen Sohn werden. Auch

diesmal lehnte er aus Anhänglichkeit an Pestalozzi ab und machte den Gegenvorschlag, den Knaben unter seiner Aufsicht in Iferten erziehen zu lassen. Während seiner Hofwyler Tätigkeit erregte Schacht die Aufmerksamkeit Karl Augusts. Als dieser 1817 mehrere Tage in Fellenbergs Institut weilte, wo Karl Wolfgang von Heygendorff, sein natürlicher Sohn, erzogen wurde, gewannen die Geschichtsstunden Schachts sein besonderes Interesse, und er wohnte ihnen so oft bei, als es möglich war.

Auf alle Fälle dürfte aus dem Mitgeteilten hervorgehen, daß Theodor Schacht mit dem »Kreise um Goethe« in engeren Beziehungen gestanden hat und es demnach nicht ungerechtfertigt erscheint, wenn seine Niederschriften aus jener Zeit den Goethefreunden von heute bekannt gegeben werden. KARL MUTHESIUS.

19. Zu Goethe und Langermann.

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Im Goethejahrbuch XXIV, 256 ff. habe ich den Staatsrat Langermann (1768-1832) und seine Beziehungen zu dem Altmeister, die im Jahre 1812 begannen, eingehend behandelt, soweit die bis dahin gedruckten Quellen es ermöglichten. Jetzt kann ich aus kürzlich bekannt gewordenen Schriftstücken manches nachtragen. Zunächst sei auch an dieser Stelle auf die köstliche Charakteristik des damals Fünfzigjährigen hingewiesen, die wir Ottilie von Goethe verdanken (vergl. oben S. 40), sodann können und müssen zwei Briefe analysiert werden, die der Berliner Arzt aus Weimar empfing. (Beide sind in dem kürzlich ausgegebenen XXXVIII. Bande der W. A. IV. Abt. zum ersten Male gedruckt.) Der eine, vom 12. Oktober 1824 die Antwort auf ein nicht erhaltenes »gehaltreiches<< Schreiben des Berliners übersendet den Bericht des französischen Arztes Segaud über F. A. Wolf's Tod, enthält ferner eine sehr merkwürdige Shakespeare betreffende Stelle und kündigt ein demnächst erscheinendes morphologisches Heft an. Das angekündigte Heft wurde wenige Tage später, am 16. Oktober, überschickt, mit Worten, welche deutlich bekunden, welch großen Wert der Meister auf das Urteil des Berliner Freundes legte. Dieser zweite Brief enthält aber noch zwei sehr interessante Stellen: die eine, in der Langermann gebeten wird, ein einige Schriften Goethes enthaltendes Päckchen einem » wundersam-hübsch natürlich sich ausdrückenden jungen Mann« zu übergeben, der um des Dichters Werke gebeten hatte; die andere ist religiösen Inhalts. Sie lautet so: »>Soeben noch eine Novität zur Beylage. Indessen die heiligen Bibelgesellschaften alle Unarten der Patriarchen

und Könige des gelobten Landes auf's neue fort und fort über die weite Welt promulgieren und diese erbaulichen Kenntnisse durch alle Zonen zu verbreiten wissen, unterläßt ein weltlich gesinnter Verleger nicht die Torheiten eines deutschen Jünglings gleichfalls wieder in beliebtem Format über das Continent auszugießen, ohne zu bedenken, was seine Firma vor 50 Jahren damit für Unglück angerichtet hat; das Einzige hoffe ich, daß aus dem näheren Studium dieses Buchleins sich keine ketzerischen Albigenser hervorthun und zu ihrer so greulichen als gerechten Bestrafung das fromme Jahrhundert aufrufen werden.<<

Daß die übersendete »>Novität« die sog. Jubiläumsausgabe des >>Werther<«< ist und daß auf sie auf die »>Thorheiten eines deutschen Junglings« sich beziehen, bedarf keiner langen Auseinandersetzung. Aber auch das dürfte nicht länger auszuführen sein, daß der Vordersatz kein Sturmlauf gegen die Bibel, sondern ein ziemlich harmloser, wenn auch nicht übermäßig geschmackvoller Scherz ist, der sich gegen den Übereifer der Bibelgesellschaften richtet. Doch muß mit einem Wort darauf eingegangen werden, weil Lorinser (vergl. G.-J. 24, 260), der unseren Brief gelesen hatte, in den oben abgedruckten Worten »die geheimste Weisheit des großen Mannes« sieht und auf Grund dieser Ausführungen geradezu erklärt, diejenigen seien verblendet, die »in Goethe noch einen Fond von positivem Christentum, oder aber ein vorherrschend katholisches Element vermuten«. Ja Lorinser geht soweit zu behaupten, Goethe spreche es geradezu aus: »daß es mit der Bibel nichts ist«. Demgegenüber muß man feststellen, daß der Berichterstatter in seinem Übereifer weit über das Ziel hinausschießt, daß Goethe absolut nicht das sagt, was ihm hier imputiert wird, daß vielmehr in diesem Falle ultramontane Hetzerei bestrebt gewesen ist, in ein leicht hingeworfenes, allerdings nicht ganz respektvolles Wort eine bibelfeindliche Anschauung hineinzuinterpretieren. L. G.

20. Goethe und Franz Toldy.

Das literarische Ungarn feierte im vergangenen Jahre die hundertjährige Wiederkehr des Geburtstages Franz Toldys, seines größten Literarhistorikers (1805-1875). Er begründete nicht nur eine auf wissenschaftlicher Grundlage fußende Literaturgeschichte, sondern erwarb sich unvergängliche Verdienste auch dadurch, daß aus seinen literarhistorischen Werken und Studien das Ausland zuerst eine Kenntnis von der ungarischen Literatur erhielt. Zu diesem letzteren Zwecke gab er schon im Jahre 1828 ein »Handbuch der Ungarischen Poesie<< in

2 Bänden heraus, mit »einer Sammlung deutscher Übersetzungen ungarischer Gedichte«. In den folgenden zwei Jahren unternahm er, nach Beendigung seiner medizinischen Studien, eine größere Reise nach Deutschland, Frankreich und England. In allen gelehrten Kreisen ward er mit größter Zuvorkommenheit empfangen und hatte Gelegenheit, mit den hervorragendsten Gelehrten und Schriftstellern in nähere Berührung zu kommen. So fand er freundliche Aufnahme bei Tieck, Schlegel, Hegel, Hufeland u. a. und hielt in Berlin im »>Englischen Hause<< in Gegenwart von Holtei, Raupach, Varnhagen von Ense einen Vortrag über den Bau der ungarischen Sprache und über ungarische Prosodie. Es war ihm geglückt, in Weimar auch Goethe zu besuchen, und auf diesen Besuch war er bis an sein Lebensende stolz gewesen.

Goethe war der junge Schedel (sein Familienname, statt dessen er dann seinen Schriftstellernamen aufnahm) nicht ganz unbekannt, denn Toldy hatte ihm sein Handbuch gleich nach dessen Erscheinen mit folgendem Briefe zugesandt.

Euer Excellenz!'

Hochdieselben haben in neuerer Zeit Ihre Aufmerksamkeit den jetzt aufkeimenden Literaturen der Serben und Neugriechen geschenkt. Statistische Verhältnisse brachten mit sich, daß die poetischen Früchte dieser Nationen immer in schätzbarer Eigenthümlichkeit emporsprossen: Die Literatur meiner Nation, alt, jedoch stets mit dem, sich gewaltig eindrängenden Fremden im Kampfe, nicht so blühend, als es die Länge der Zeit voraussetzen ließe; nicht so eigenthümlich, als sie sich unter günstigeren Umständen entwickelt hätte: hat bis jetzt nur in geringem Maaße das Auge des gelehrten Auslandes auf sich gezogen. Dennoch dürfte sich mein Versuch eines Handbuches der ungrischen Poesie, den ich Euer Excellenz unterthänig zu verehren hiemit mich unterfange, der Aufmerksamkeit Hochderselben einigermaaßen erfreuen, da er ein, wenn auch nur kleiner, Beitrag zur europäischen Culturgeschichte ist. Dieses Vertrauen, und die Hochachtung, die ich den Verdiensten Eurer Excellenz um die geistige Entwickelung Ihrer Nation stets zollte; so wie die Dankbarkeit, die ich einem Manne, dessen Werke von je her den entscheidensten Einfluß auf meine Bildung hatten, schulde: trieben mich unwiderstehlich an, Hochdenselben dieses mein Werklein darzubringen. Empfangen es Euer Excellenz mit jener Nachsicht, auf die ein deutsch schreibender ungrischer Schriftsteller zu rechnen, oft nur zu sehr gezwungen ist. Da ich nach erlangter medizinischer

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Doctorwürde, nähmlich mit Beginn kommenden Jahres eine Reise nach Deutschland zu unternehmen gedenke; hege ich die süße Hoffnung Weimar zu sehn, und so Eurer Excellenz meine Hochachtung auch persönlich bezeugen zu können. Der ich mit tiefster Ehrfurcht verharre

Eurer Excellenz

Pesth, den 9. August. 1828. unterthänigster Diener Franz Joseph Schedel der Medizin Doctorandus.

Goethe muß das Handbuch nicht ganz ohne Interesse gelesen haben. Darauf weist schon das Tagebuch hin, wo es vom 10. November 1828 heißt: »Erhielt durch Hoffmanns : Handbuch der ungarischen Poesie von Franz Toldy mit einem Briefe von Franz Joseph Schedel aus Pest. Dürfte also jenes wohl ein angenommener Name seyn«<; und von demselben Tage berichtet das Tagebuch noch: »Ich las weiter in dem Handbuch der ungarischen Poesie«<. Aber auch sonst hat Goethe warme Teilnahme für die ungarische Literatur und Volkspoesie an den Tag gelegt. Den in Jena studierenden Johann Kollár bat er, ihm einige slovakische Volkslieder zu verschaffen und bemerkte dabei, er hätte um magyarische schon oft gebeten und geschrieben, hätte aber bisher noch keine bekommen können. >>Ich höre, die Magyaren sollen ebenso sanglos sein wie unser deutsches Volk«. (Biedermann Gespräche 8, 343.) Als Eichstädt die Leitung der Allgemeinen Literatur-Zeitung übernahm, beabsichtigte Goethe auch für die ungarische Literatur einen Rezensenten zu finden. Er schreibt an Eichstädt am 11. November 1803: »An folgende allenfalls einzuladende Personen will erinnern: Rivini in Wien, Hofsecretair, für ungarische Litteratur ;« (W. A. IV. 16, 342).

Toldys Besuch wird in dem Tagebuch vom 4. September 1829 nur kurz erwähnt: »Früh hatten mich besucht: Herr Professor Dr. Hecker aus Berlin, Dr. Schedel aus Pesth, beydes Mediciner«. Ausführlichere Schilderung fand die Begegnung mit Goethe in Toldys Briefen über seine Reise. An seinen Meister, den Dichter Franz Kazinczy, schreibt er aus Berlin am 8. Dezember 1829: »Aber die schönsten Tage erwarteten mich in Weimar, wo mich Göthe freundlich (in bona signif.) empfing und eine halbe Stunde bei sich verbringen ließ«<. (hrsg. in der Briefsammlung: Kazinczy Ferencz Levelezése Kisfaludy Károlylyal sennek körével. Kiadta Kazinczy Gábor. Pest. Emich Gusztáv 1860. S. 169.)

Ein Reisebrief' an seine Eltern in deutscher Sprache, aus

Aus der handschriftlichen Briefsammlung Toldys in der Bibliothek der Ungar. Akademie der Wissenschaften.

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