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Ein Aufenthalt bei seinem Bruder in Dresden unterbrach für ein Jahr sein Leben in Jena, dann kehrte er dahin zurück um es nicht mehr zu verlassen. Seine FinalVernunftskritik hielt er selbst für sein letztes Werk, da die Beschwerden des Alters mit Macht ans kommende Énde mahnten. Doch hörte er zu philosophieren nicht vor seinem Tode auf. Fichte, der sich mit seiner edlen Frau Obereits aufs liebevollste annahm, regt ihn aufs neue zu Studien an. Aber ein körperliches Leiden, das ihn die letzten Jahre seines Lebens quälte, nahm so zu, daß es als eine Erlösung zu betrachten war, als am 2. Februar 1798 der Tod den unruhigen Wanderer ins Land der Ruhe hinüberführte.

Sein Andenken blieb in Ehren, bis durch die veränderte Strömung der Zeit der Name des philosophischen Mystikers und mystischen Philosophen in Vergessenheit geriet. Die Schlußworte eines Nachrufs, den Fichtes Gattin ihm widmete, mögen auch unsere Schilderung beschließen sie sagt, nachdem sie die Geduld und Freundlichkeit gerühmt hat, mit der er sein schweres Leiden trug: »Ich rede sehr gerne von diesem Guten, Redlichen, denn wir liebten ihn wegen seiner geprüften Rechtschaffenheit herzlich«.

III. MISCELLEN UND

BIBLIOGRAPHIE.

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A. Einzelnes zu Goethes Leben und Wirken.

1. Eine von Goethe in Lavaters Namen verfaßte öffentliche Erklärung.

Der Ausgangspunkt des kleinen Goetheanum, das im Folgenden mitgeteilt wird, ist ein Inserat der Eichenbergischen Erben im »Journal in Frankfurt am Mayn«, Jahrgang 1774, Nr. 131 vom 16. August. Darin bietet die Firma es ist die vom Hofrat Deinet geleitete Buchhandlung, die auch die Frankfurter gelehrten Anzeigen verlegte neben einigen von Lavater auf der berühmten Rheinreise gehaltenen Predigten auch >>Ebendesselben glücklich besiegten Landvogt Felix Grebel << zum Verkauf an. Dieses Schriftchen (Arnheim 1769) ist nun nicht von Lavater selbst verfaßt; es bringt mit übermäßiger Lobpreisung die Aktenstücke des Kampfes, den der junge Lavater gemeinsam mit seinem Freunde Heinrich Fußli 1762 gegen den Landvogt Grebel geführt hatte. Aufgeregt darüber, daß er in dem Inserat als Verfasser bezeichnet wurde, sandte Lavater an Goethe eine lange und leidenschaftliche Erklärung zum Einrücken in das »Journal«. Sie ist noch handschriftlich erhalten und Funck hat in den Schriften der Goethe-Gesellschaft, Bd. 16, S. 390 f., eine Probe daraus mitgeteilt. In einem nicht überlieferten Briefe erhob Goethe Bedenken, worauf Lavater Mitte September erwidert: »Ob das Ding wegen Grebel in den Journal gedruckt werde, ist mir an sich ziemlich gleich aber! aber! Meine Herren werden denken, ich habe sie zum beẞten; denn förmlicher Auftrag ist's doch, so was (und dies hat der Präses der Censur gelesen und gebilligt) drucken zulaßen. Setze dich genau in meine Situation und entscheide, oder schreib mir einen zeigbaren umständlichen Brief, den der Präses lesen muß. Der geradeste Weg aber

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wär, es laufen zulaßen.« Goethe entschloß sich nun, an Stelle der übermäßig heftigen und erregten Erklärung Lavaters eine andere zu verfassen, die er einrücken ließ und dem Freunde mit den Worten übersandte: »Hier ist der Journal. Lieber hätt ich nichts eingerückt. Da es aber einmal seyn sollte, so glaub ich den rechten Ton getroffen zu haben. Du magst bedencken, welche Würckung deine mir gesendete Nachricht auf das hiesige Publikum würde gemacht haben. Ich hoffe die Sache soll nun ruhen, und vors künftige bitt ich dich weniger empfindlich zu seyn. So lang du lebst und würckst, wirst du nicht vermeiden missverstanden zu werden, darauf musst du ein vor allemal resigniren. Und dann darfst du ia nur auf der Gasse mit einem Freunde heftig reden, die kalten Zuschauer aus den vornehmen Fenstern machen ihre Glossen drüber geschweige.<< Lavater erwidert am 30. September: »Wie kann ich, Bruder, genug schreiben und starck genug danken, für die weise sanfte Nachricht in dem Frankfurter Journal. Ich Thor', mit meiner Hitze und Gewaltsamkeit! Trage mich besere mich, ich will mich besern lassen.<< In Nr. 154 vom 26. September bestätigte dann Deinet, daß die Verkaufsanzeige ohne Lavaters Vorwissen erfolgt sei.

Die von Goethe verfaßte Erklärung konnte Funck nicht mitteilen, weil es ihm nicht gelang, das Zeitungsblatt aufzutreiben. Mit Hilfe des Auskunftsbureaus deutscher Bibliotheken habe ich ein Exemplar des » Journal« in Cassel ermittelt. Die Erklärung steht in Nr. 153 vom 24. September 1774 und lautet:

>>In dem 131. Stücke dieses Journals, hat man unter andern Büchern, nebst einigen Predigten von mir, abermals eine Schrift: Der glücklich besiegte Landvogt, feilgeboten. Als diese, von mehr als einer Seite, fehlerhafte Bogen, deren Inhalt ich weder gesammelt, noch zur Herausgabe mitgetheilt, vor mehreren Jahren ans Licht kamen, bezeugte ich sogleich mein Misfallen darüber, und sehe mich genöthigt, solches bey gegenwärtiger, ganz ungehöriger Aufstellung derselben aufs neue vorm Publico zu thun. Man hat zugleich mit meinen neusten Predigten, deren Druck ich zugelassen, gedachte Schrift wieder angekündigt, und dieses konnte zu dem mir schmerzlichen Verdachte, in, und ausser meinem Vaterlande, Anlaß geben2: als habe ich entweder eine neue Ausgabe derselben veranstaltet, oder doch eine weitere Verbreitung bewürken wollen.

Ich sage es daher im Angesichte der Herausgeber und Ankündiger: daß ich an der ganzen Sache nicht den geringsten

So ist wohl für »>that« (»Goethe und Lavater« 41, 11) zu lesen.
Im »>Journal«<: gegeben.

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