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Ein Wanderbursch mit dem Stab in der Hand Kommt wieder heim aus dem fremden Land. Sein Haar ist bestäubt, sein Antlig verbrannt, Von wem wird der Bursch wohl zuerst erkannt? So tritt er ins Städtchen, durchs alte Thor, Am

So agbaum lehnt just der Zöllner davor.

Der Zöllner, der war ihm ein lieber Freund,
Oft hatte der Becher die beiden vereint.

Doch sieh' Freund Zollmann erkennt ihn nicht,
Zu sehr hat die Sonne ihm verbrannt das Gesicht.
Und weiter wandert nach kurzem Gruß

Der Bursche, und schüttelt den Staub vom Fuß.
Da schaut aus dem Fenster sein Schäßel fromm,
„Du blühende Jungfrau, viel schönen Willkomm!"
Doch sich auch das Mägdlein erkennt ihn nicht,
Die Sonn' hat zu sehr ihm verbrannt das Gesicht.
Und weiter geht er die Straße entlang,

Ein Thränlein hängt ihm an der braunen Wang'.

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Da wankt von dem Kirchsteig sein Mütterchen her,
„Gott grüß' euch," so spricht er und sonst nichts mehr.
Doch sieh' das Mütterchen schluchzet voll Lust :
„Mein Sohn!" und sinkt an des Burschen Brust.
Wie sehr auch die Sonne sein Antlig verbrannt,
Das Mutteraug' hat ihn gleich erkannt.

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Aus tausend Perlen blinkt und bligt
Der Morgensonne Glut.

In Wies' und Feld und Wald und Au'
Horch, welch' ein süßer Schall! reapidood
Der Lerche Sang, der Wachtel Schlag,
Die süße Nachtigall!

Herr Heinrich schaut so fröhlich drein:
„Wie schön ist heut' die Welt!
Was pilt's heut' giebt's 'nen guten Fang!"
Er lugt zum Himmelszelt.

Er lauscht und streicht sich von der Stirn
Das, blondgelocte Haar:

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Ei doch was sprengt denn dort herauf Für eine Reiterschar ?“

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Der Staub wallkauf, der Husschlag dröhnt,

Es naht der Waffenklang

,,Daß Gott! die Herr'n verderben mir Den ganzen Vogelfang!"

„Ei nun! Was giebt's ?"

Es hält

der Troß

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Die beiden Särge zu Weimar.

In dunkler Gruft zu Weimar
Steh'n sich zwei Särge nah,
Drin schlafen zwei deutsche Sänger,
Wie nimmer die Welt sie sah.

Als wie zwei Meteore
Erschien das Sängerpaar,
Der eine mit Blizesflammen,
Der andre wie Mondlicht klar.

Der eine im Adlerfluge
Wildbrechend sich die Bahn,
Der andre klug besonnen
Durch Wogen lenkend den Kahn.

Dahin durch alle Weiten
Erscholl ihrer Lyra Klang;
Das Echo der fernsten Berge
Nachhallte von ihrem Gesang.

Nun beide siegreich durchzogen.
Des Lebens Flutgebraus,
Nun schlafen die beiden Sänger
In den beiden Särgen aus.

Der eine mit blonden Locken, Der andre mit weißem Haar; Wer forschte, wie jener geheißen? Wer früge, wer dieser war?

Der deutsche Mann.
Wie eine deutsche Eiche
Soll sein der deutsche Mann,
Soll stehen jedem Streiche
Und schirmen, wo er kann.

Als wie das deutsche Eisen
Soll sein der deutsche Mann,
Und soll die Kraft erweisen
Am Feind, so gut er kann.

Als wie die deutsche Lerche Soll sein der deutsche Mann, Sein Frohsinn schwing' vom Pferche Sich auf, so oft er kann.

Als wie ein deutscher Becher Soll sein der deutsche Mann, Er soll den ärmsten Schächer Erquicken, wo er kann.

Das deutsche

Die schönste Waffe, die es giebt,

Die Waffe, die der Deutsche liebt,
Es ist das deutsche Schwert.
Noch blitt es mit der alten Kraft,
Noch bricht's die Ketten schlimmer Haft
Und schirmt uns Haus und Herd.

Nicht führt es um Tyrannensold

Der Deutsche, nicht aus Gier nach Gold,
Nicht, weil er muß, als Knecht:
Er führt es zu der Seinen Schuh,
Er führt es zu der Seinen Truß,
Für Vaterland und Recht.

Der beste

Wann hat, ihr Deutschen, euer Sang Den kräftigsten, den besten Klang? Hat er ihn wohl, wenn lustbeschwingt Von Liebe er und Schönheit singt, Von Frauenhuld und Sehnsuchtsdrang, Sagt, ist das wohl sein bester Klang? Ach nein, ach nein,

Sein bester Klang muß besser sein!

Wann hat, ihr Deutschen, euer Sang Den kräftigsten, den besten Klang ? Wenn er ertönt bei Becherlust, Vom Frohsinn in der Zecherbrust, Der Sorgen bannt und Kummer zwang, Sagt, ist das wohl sein bester Klang? Ach nein, ach nein,

Sein bester Klang muß besser sein!

Wann hat, ihr Deutschen, euer Sang Den kräftigsten, den besten Klang ? Wenn er vom gold'nen Morgenlicht, Von Blumen und vom Bächlein spricht, Vom Wonnetraum am Bergeshang, Sagt, ist das wohl sein bester Klang? Ach nein, ach nein,

Sein bester Klang muß besser sein!

Wie Wein aus deutschen Reben Soll sein der deutsche Mann, Sein Denken und sein Streben Befeu're, wen's nur kann.

Gleich deutschen Felsgesteinen Soll sein der deutsche Mann, Er halte an den Seinen So treu als einer kann.

Schwert.

Drum ist sein Griff auch das Symbol Des Kreuzes, dem sich demutvoll

Die ganze Menschheit neigt.

Drum ist sein Schaft, wie blinkt er nur!
Der Zeiger an der Weltenuhr,
Der Tod und Freiheit zeigt.

schirme du, mein deutsches Schwert,
Uns immer Ehre, Haus und Herd
Und färb' dich oft noch rot.
Wildfreudig schwingt dich unsre Faust,
Wildfreudig stürzt, von dir umsaust,
Der Deutsche in den Tod.

Klang.

Wann hat, ihr Deutschen, euer Sang Den kräftigsten, den besten Klang ? Wenn er der Menschen Kraft und Geist, Ihr Schaffen und ihr Wirken preist, Dem, was da Großes ist, gelang. Sagt, ist das wohl sein bester Klang? Ach nein, ach nein,

Sein bester Klang muß besser sein!

Wann hat, ihr Deutschen, euer Sang Den kräftigsten, den besten Klang? Wenn er vergang’ner Tage Bild Zurück euch ruft mit Schwert und Schild, Wie freudig kühn der Held sie schwang, Sagt, ist das wohl sein bester Klang? Ach nein, ach nein,

Sein bester Klang muß besser sein !

Wann hat, ihr Deutschen, euer Sang Den kräftigsten, den besten Klang? Wenn er von deutscher Eintracht singt, Wenn er von deutscher Freiheit klingt, Von deutscher Feinde Untergang, Das ist sein stärkster, bester Klang, Nur der allein,

Kein andrer kann's auf Erden sein!

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Johann Heinrich Voß.

(Geschichte der deutschen National-Litteratur. § 47.)

Der siebzigste Geburtstag.*)

. Auf die Postille gebückt, zur Seite des wärmenden Ofens,
Saß der redliche Tamm in dem Lehnstuhl, welcher mit Schnißwerk,
Und braunnarbigem Zucht voll schwellender Haare, geziert war:
Tamm, seit vierzig Jahren in Stolp, dem Freidorf,
gesegneten
Organist, Schulmeister zugleich und ehrsamer Küster;

Der fast allen im Dorf, bis auf wenige Küster;

A

سنا

Vorzeit,
Einst Taufwasser gereicht und Sitte gelehrt und Erkenntnis,
Dann zur Trauung gespielt und hinweg schon manchen gesungen.
Oft nun faltend die Händ', und oft mit lauterem Murmeln,
Las er die tröstenden Spruch und Ermahnungen. Aber allmählich
Starrte sein Blick, und er sank in erquickenden Mittagsschlummer.
Festlich prangte der Greis in gestreifter kalmankener Jacke;
Und bei entglittener Brill' und silberfarbenem Haupthaar
Lag auf dem Buche die Müze von violettenem Sammet,
Mit Fuchspelze verbrämt und geschmückt mit goldener Troddel.

*) Gude I, 87.

Lüben und Nade II, 229. Leimbach IV, 350.

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