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Es giebt nichts Ungewisser's, Als Leben, Freud' und Not, Allein auch nichts Gewisser's, Als Scheiden, Sterben, Tod. Wir scheiden von dem Leben Bei jedem Lebensschritt,

Uns stirbt die Freud' im Herzen, Und unser Herz stirbt mit.

An unserm Pilgerstabe Zieh'n wir dahin zum Grab', Und selbst des Königs Szepter Ist nur ein Pilgerstab. Ein Pilgerkleid hat allen Die Erde hier beschert, Wir tragen's auf der Erde Und lassen's auch der Erd'.

Geh', übersteig' nur Berge Und Höh'n, es steht dir frei: Dem kleinen Grabeshügel Kommst du doch nicht vorbei. Da gehst du nicht hinüber, Und ist er noch so klein; Da bleibst du müde liegen, Da legt man dich hinein.

So sing' das Lied vom Sterben, Das alte Pilgerlied, Weil deine Straße täglich Dem Grabe näher zieht. Laß dich es mild und freundlich Wie Glockenton umweh'n, Es läute dir zum Sterben, Doch auch zum Aufersteh'n.

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Friedrich Leopold von Stolberg.

(Geschichte der deutschen National-Litteratur § 47.)

Der Harz.

1772.

Herzlich sei mir gegrüßt, wertes Cheruskerland,
Land des nervigen Arms und der gefürchteten
Kühnheit, freieres Geistes,

Denn das blache Gefild umher!

Dir gab Mutter Natur aus der vergeudenden
Urne männlichen Schmuck, Einfalt und Würde dir,
Wolkenhöhnende Gipfel,

Donnerhallende Ströme dir.

Im antwortenden Thal wallet die goldene

Flut des Segens und strömt in den genügsamen Schoß des lächelnden Fleißes,

Der nicht kärglich die Garben zählt.

Schafe weiden die Trift; auf der gewässerten
Aue brüllet der Stier, stampft das gesättigte
Roß; die bärtige Ziege

Klimmt den zackigen Felz hinan.

Wie der schirmende Forst deinem erhabenen
Nacken schattet! Er nährt stolzes Geweihe dir,
Dir den schnaubenden Keuler,

Der entgegen der Wunde rennt.

Dein wohlthätiger Schoß, selten mit goldenem
Fluche schwanger, verleiht nüßendes Eisen uns,
Das den Acker durchschneidet

Und das Erbe der Väter schüßt.

Dir giebt reinere Luft und die teutonische

Keuschheit Jugend von Stahl. Moosigen Eichen gleich
Achten silberne Greise

Nicht der eilenden Jahre Flug.

Dort im wehenden Hain wohnt die Begeisterung.

Felsen jauchzten zurück, wenn sich der Barden Sang

Unter bebenden Wipfeln

Durch das hallende Thal ergoß.

Und dein Hermann vernahm's; Sturm war sein Arm, sein Schwert
Wetterflamme: betäubt stürzten die trozigen

Römeradler, und Freiheit

Strahlte wieder im Lande Teuts!

Doch des Heldengeschlechts Enkel verhülleten

Hermanns Namen in Nacht, bis ihn (auch er dein Sohn)
Klopstocks mächtige Harfe

Sang der horchenden Ewigkeit.

Heil, Cheruskia, dir! Furchtbar und ewig steht,

Gleich dem Brocken, dein Ruhm. Donnernd verkünden dich
Freiheitsschlachten, und donnernd

Dich unsterblicher Lieder Klang.

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