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Schloß Lichtenstein.

In einem tiefen grünen Thal
Steigt auf ein Fels als wie ein Strahl.
Drauf schaut das Schlößlein Lichtenstein
Vergnüglich in die Welt hinein.

In dieser abgeschied'nen Au',
Da baut' es eine Rittersfrau,
Sie war der Welt und Menschen satt,
Auf den Bergen sucht' sie eine Statt.

Den Felsumklammert des SchlossesGrund,
Zu jeder Seite gähnt ein Schlund;
Die Treppen müssen, die Wände von Stein,
Die Böden ausgegossen sein.

So kann es troßen Wetter und Sturm; Die Frau wohnt sicher auf ihrem Turm, Sie schauet tief ins Thal hinab

Auf die Dörfer und Felder, wie ins Grab.

,,Die blaue Luft, der Sonnenschein,“ Spricht sie, „der Wälder Klang ist mein; Eine Feindin bin ich aller Welt, Zu Gottes Freundin doch bestellt."

Mit diesem Spruch sie lebt' und starb, Davon das Schloß sich Ruhm erwarb; Seit wohnte drauf manch' ein Menschenfeind Und ward in der Höhe Gottes Freund.

Und als vergangen hundert Jahr, Ein Menschenfeind auch droben war; Lang' hatt' er an keinen Menschen gedacht, Da pocht' es einstmals an zu Nacht.

"

Es ist ein einz'ger vertrieb'ner Mann,
Der Welt Feind wohl er sich nennen kann,
Herr Ulrich ist's von Württemberg,
Zu Gaste will er auf diesen Berg."

Der andre hat ihm aufgemacht,
Er nimmt des Fürsten wohl in acht;
Er zeiget ihm das finst're Thal,
Das weit sich dehnt im Mondenstrahl.

Der Herzog schaut hinüber lang',
Er spricht mit einem Seufzer bang':
„Wie fern, ach, von mir abgewandt,
Wie tief, wie tief liegst du mein Land!"

,,Auf meiner Burg, Herr Herzog, ja!
Ist Erde fern, doch Himmel nah';
Wer schaut hinauf und wohnt nicht gern
Im Himmelreich von Mond und Stern?"

Da hebt der Herzog seinen Blick Und sieht nicht wieder auf's Land zurück; Von Nacht zu Nacht wird er nicht satt, Bis er es wohl verstanden hat.

Und als nach manchem schweren Jahr Er wieder Herr vom Lande war, Da hat er alles wohl bestellt

Und hieß ein Freund von Gott und Welt.

Wie hat er erworben solche Gunst? Wo hat er erlernet solche Kunst? In des Himmels Buch auf Lichtenstein, Da hat er's gelesen im Sternenschein.

Der Riese von Marbach.*)

Seht ihr, wie freundlich sich die Stadt Im Nedarfluß beschauet? Wie sie sich ihre Berge hat Mit Reben wohl bebauet? Dort, wie die alte Chronik spricht, Hat vor viel Jahren dumpf und dicht Ein Tannenwald gegrauet.

Gelegen hat ein Riese drin, Ein furchtbar alter Heide, Er bracht' in seinem wilden Sinn Das Schwert nicht in die Scheide; Er zog auf Mord und Raub hinaus Und baute hier sein finst'res Haus, Dem ganzen Gau zu Leide.

Die Steine zu dem Riesenhaus, Ganz schwarz und unbehauen, Grub er sich mit den Händen aus, Fing eilig an zu bauen; Er warf sie auf die Erde nur, Daß einer auf den andern fuhr, Bis fertig war das Grauen.

Es sei der Riese, sagt das Buch,
Aus Asia gekommen,

Ein Heidengöz', ein alter Fluch,
Zum Schrecken aller Frommen :
Mars oder Bacchus sei das Wort,
Davon Marbach, der Schreckensort,
Den Namen angenommen.

Die Steine längst verschwunden sind, Der Wald ist ausgereutet:

*) Leimbach IV, 248.

Ein Märchen ward's für Kindeskind,
Das wenig mehr bedeutet;

Doch horchet wohl auf meinen Sang,
Der nicht umsonst mit seinem Klang
Es jest zurück euch läutet.

Denn ob des Schlosses Felsengrund
Versunken ist in Schweigen,
Wird man doch drauf zu dieser Stund'
Euch noch ein Hüttlein zeigen,
Und keine sechzig Jahr es sind,
Daß drin geboren ward ein Kind,
Dem Wundergaben eigen.

Von gutem Vater war's ein Kind,
Von einem frommen Weibe;
Auf wuchs es und gedieh geschwind,
Kein Riese zwar von Leibe,
Von Geist ein Riese wundersam,
Als ob der alte Heidenstamm
Ein junges Reis noch treibe.

Und als er groß gewachsen war,
Da sang er wilden Mutes

Von Räubern und von Mohren gar
Viel Arg's und wenig Gutes;
Von Trug und Mord und Lügenspiel
Und von den Griechengöttern viel,
Als wär' er ihres Blutes.

Auf einmal ward er stiller jezt,
Begann ein ernstes Dichten,
Er las, in fremdes Land versezt,
Tiefsinnige Geschichten ;

Doch ward in des Gedankens Schoß
Er noch des Heidentums nicht los,
Laut pries er's in Gedichten.

Im Geiste drauf ins span'sche Land
Hat er den Weg gefunden,
Davon gesungen allerhand
In gar großmächt'gen Kunden ;
Nur den geweihten Glaubensmut,
Des heißen Landes fromme Glut,
Hatt' er noch nicht empfunden.

Da jauchzt' ihm wohl die Menge zu Auf seinen irren Zügen; Er aber hatte keine Ruh', Es mocht' ihm nicht genügen, Es saß der edle Riesengeist In sich gekehret als verwaist, Und seine Lieder schwiegen.

Da plöglich sieh'! erhebt er sich
Verklärt ganz und erneuet,
Der alte stolze Wahn entwich,
Vom jungen Licht zerstreuet.
Es zieht vor uns sein Wallenstein
Ins Leben, in den Tod hinein,
Daß es das Herz erfreuet.

Es feiert die Friedländerin
Ein göttlich Liebessterben,
Maria würst sich büßend hin,
Den Himmel zu erwerben,
Und hoch im ew'gen Glanze steht
Die Frankenjungfrau fromm erhöht
Bei allen Himmelserben.

Und, ach! da kommt der freie Tell
Mit seinen Eidgenossen :

Ihm folgt der gute Sänger schnell,
Er hat den Zug beschlossen,
Er singt im Himmel fort und fort,
Er denkt an dich, du Heimatsort,
Aus dem die Riesen sprossen.

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Das Glöcklein des Glücks.*)

Der König lag am Tode, da rief er seinen Sohn;

Er nahm ihn bei den Händen und wies ihn auf den Thron:

"

Mein Sohn," so sprach er zitternd,,,mein Sohn, den laß ich dir;

Doch nimm mit meiner Krone noch dies mein Wort von mir!

"

Du denkst dir wohl die Erde noch als ein Haus der Luit;
Mein Sohn, das ist nicht also, sei dessen früh bewußt!
Nach Eimern zählt das Unglück, nach Tropfen zählt das Glück;
Ich geb' in tausend Eimern zwei Tropfen kaum zurück!"

Der König spricht's und scheidet. Der Sohn begriff ihn nicht: Er sieht noch rosenfarben die Welt, im Maienlicht.

Zu Throne sizt er lächelnd, beweisen will er's klar,

Wie sehr getäuscht sein Vater von düst'rem Geiste war.

Und auf das Dach des Hauses, g'rad über seinem Saal,
Worin er schläft und sinnet und sizt am frohen Mahl,
Läßt er ein Glöcklein hängen von hellem Silberklang,
Das läutet, wie er unten nur leise rührt den Strang.

*) Leimbach IV, 253.

Den aber will er rühren (so thut er's kund im Land), So oft er sich recht glücklich in seinem Sinn empfand ;

Und trau'n! zu wissen glaubt er's, da wird kein Tag entflieh'n, An dem er nicht mit Rechten das Glöcklein dürfte zieh'n.

Und Tag' um Tage heben ihr rosig Haupt empor,
Doch abends, wenn sie's senken, trägt's einen Trauerflor.
Oft langt er nach dem Seile, das Auge klar und licht:
Da zuckt ihm 'was durchs Inn're, das Seil berührt er nicht.

"

"

Einst tritt er, voll des Glückes erhörter Freundschaft, hin: ‚Ausläuten,“ ruft er, „will ich's, wie hochbeglückt ich bin!"

Da keucht ein Bot' ins Zimmer, der's minder spricht, als weint:
Herr, den du Freund geheißen, verriet dich, wie ein

Einst fliegt er, voll des Glücks erhörter Lieb', herein;

Feind !""

Mein Glück, mein Glück," so ruft er, „muß ausgeläutet sein!"
Da kommt sein blasser Kanzler und murmelt bang' und scheu:
,,,,Herr, blüht denn auch dem König hienieden keine Treu' ?""

Der König mag's verwinden, er hat ja noch sein Land
Und einen vollen Säckel und eine mächt'ge Hand;
Er hat noch grüne Felder, noch Wiesen voll von Duft,
Und drauf den Fleiß der Menschen und d'rüber Gottes Luft!

Zu seinem Fenster tritt er, sieht nieder, sieht hinaus, Und Wiege seines Glückes bedünkt ihn jedes Haus. Zum Seil hin eilt er glühend, will zieh'n, will läuten

sieh'!

Da stürmt's herein zum Saale, da fällt's vor ihm auf's Knie.

,,,,Herr König sieh'st du drüben den Rauch, den Brand, den Strahl? So rauchen uns're Hütten, so blißt der Nachbarn Stahl!""

„Ha, freche Räuber!" donnert der Fürst in wildem Glüh'n, Und statt des Glöckleins muß er sein rächend Eisen zieh'n.

Schon bleichen seine Haare, vor Dulden wird er schwach, Und stets noch schwieg das Glöcklein auf seines Hauses Dach. Und wenn's auch oft, wie Freude, sich auf die Wang' ihm drängt, Er denkt kaum mehr des Glöckleins, das er hinaufgehängt.

Doch als er nun, zu sterben, in seinem Stuhle saß, Da hört' er vor dem Fenster Geschluchz ohn' Unterlaß, „Was soll das?" fragt er leise den Kanzler, „sprich's nur aus!“ ,,Ach, Herr, der Vater scheidet, die Kinder steh'n vor'm Haus!""

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,,Herein mit meinen Kindern!

-

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Und war man mir denn gut?". Stünd', Herr, zu Kauf dein Leben sie kauften dein's mit Blut!"" Da wogt's auch schon zum Saale gedämpften Schritt's herein, Und will ihn nochmal segnen, ihm nochmal nahe sein.

Ihr liebt mich also, Kinder?" Und tausend weinen: „„Ja!"" Der König hört's, erhebt sich, steht wie ein Heil'ger da; Sieht auf zu Gott, zur Decke, langt nach dem Seile stumm, Thut einen Riß, es läutet, und lächelnd sinkt er um.

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