Schloß Lichtenstein. In einem tiefen grünen Thal In dieser abgeschied'nen Au', Den Felsumklammert des SchlossesGrund, So kann es troßen Wetter und Sturm; Die Frau wohnt sicher auf ihrem Turm, Sie schauet tief ins Thal hinab Auf die Dörfer und Felder, wie ins Grab. ,,Die blaue Luft, der Sonnenschein,“ Spricht sie, „der Wälder Klang ist mein; Eine Feindin bin ich aller Welt, Zu Gottes Freundin doch bestellt." Mit diesem Spruch sie lebt' und starb, Davon das Schloß sich Ruhm erwarb; Seit wohnte drauf manch' ein Menschenfeind Und ward in der Höhe Gottes Freund. Und als vergangen hundert Jahr, Ein Menschenfeind auch droben war; Lang' hatt' er an keinen Menschen gedacht, Da pocht' es einstmals an zu Nacht. " Es ist ein einz'ger vertrieb'ner Mann, Der andre hat ihm aufgemacht, Der Herzog schaut hinüber lang', ,,Auf meiner Burg, Herr Herzog, ja! Da hebt der Herzog seinen Blick Und sieht nicht wieder auf's Land zurück; Von Nacht zu Nacht wird er nicht satt, Bis er es wohl verstanden hat. Und als nach manchem schweren Jahr Er wieder Herr vom Lande war, Da hat er alles wohl bestellt Und hieß ein Freund von Gott und Welt. Wie hat er erworben solche Gunst? Wo hat er erlernet solche Kunst? In des Himmels Buch auf Lichtenstein, Da hat er's gelesen im Sternenschein. Der Riese von Marbach.*) Seht ihr, wie freundlich sich die Stadt Im Nedarfluß beschauet? Wie sie sich ihre Berge hat Mit Reben wohl bebauet? Dort, wie die alte Chronik spricht, Hat vor viel Jahren dumpf und dicht Ein Tannenwald gegrauet. Gelegen hat ein Riese drin, Ein furchtbar alter Heide, Er bracht' in seinem wilden Sinn Das Schwert nicht in die Scheide; Er zog auf Mord und Raub hinaus Und baute hier sein finst'res Haus, Dem ganzen Gau zu Leide. Die Steine zu dem Riesenhaus, Ganz schwarz und unbehauen, Grub er sich mit den Händen aus, Fing eilig an zu bauen; Er warf sie auf die Erde nur, Daß einer auf den andern fuhr, Bis fertig war das Grauen. Es sei der Riese, sagt das Buch, Ein Heidengöz', ein alter Fluch, Die Steine längst verschwunden sind, Der Wald ist ausgereutet: *) Leimbach IV, 248. Ein Märchen ward's für Kindeskind, Doch horchet wohl auf meinen Sang, Denn ob des Schlosses Felsengrund Von gutem Vater war's ein Kind, Und als er groß gewachsen war, Von Räubern und von Mohren gar Auf einmal ward er stiller jezt, Doch ward in des Gedankens Schoß Im Geiste drauf ins span'sche Land Da jauchzt' ihm wohl die Menge zu Auf seinen irren Zügen; Er aber hatte keine Ruh', Es mocht' ihm nicht genügen, Es saß der edle Riesengeist In sich gekehret als verwaist, Und seine Lieder schwiegen. Da plöglich sieh'! erhebt er sich Es feiert die Friedländerin Und, ach! da kommt der freie Tell Ihm folgt der gute Sänger schnell, Das Glöcklein des Glücks.*) Der König lag am Tode, da rief er seinen Sohn; Er nahm ihn bei den Händen und wies ihn auf den Thron: " Mein Sohn," so sprach er zitternd,,,mein Sohn, den laß ich dir; Doch nimm mit meiner Krone noch dies mein Wort von mir! " Du denkst dir wohl die Erde noch als ein Haus der Luit; Der König spricht's und scheidet. Der Sohn begriff ihn nicht: Er sieht noch rosenfarben die Welt, im Maienlicht. Zu Throne sizt er lächelnd, beweisen will er's klar, Wie sehr getäuscht sein Vater von düst'rem Geiste war. Und auf das Dach des Hauses, g'rad über seinem Saal, *) Leimbach IV, 253. Den aber will er rühren (so thut er's kund im Land), So oft er sich recht glücklich in seinem Sinn empfand ; Und trau'n! zu wissen glaubt er's, da wird kein Tag entflieh'n, An dem er nicht mit Rechten das Glöcklein dürfte zieh'n. Und Tag' um Tage heben ihr rosig Haupt empor, " " Einst tritt er, voll des Glückes erhörter Freundschaft, hin: ‚Ausläuten,“ ruft er, „will ich's, wie hochbeglückt ich bin!" Da keucht ein Bot' ins Zimmer, der's minder spricht, als weint: Einst fliegt er, voll des Glücks erhörter Lieb', herein; Feind !"" Mein Glück, mein Glück," so ruft er, „muß ausgeläutet sein!" Der König mag's verwinden, er hat ja noch sein Land Zu seinem Fenster tritt er, sieht nieder, sieht hinaus, Und Wiege seines Glückes bedünkt ihn jedes Haus. Zum Seil hin eilt er glühend, will zieh'n, will läuten sieh'! Da stürmt's herein zum Saale, da fällt's vor ihm auf's Knie. ,,,,Herr König sieh'st du drüben den Rauch, den Brand, den Strahl? So rauchen uns're Hütten, so blißt der Nachbarn Stahl!"" „Ha, freche Räuber!" donnert der Fürst in wildem Glüh'n, Und statt des Glöckleins muß er sein rächend Eisen zieh'n. Schon bleichen seine Haare, vor Dulden wird er schwach, Und stets noch schwieg das Glöcklein auf seines Hauses Dach. Und wenn's auch oft, wie Freude, sich auf die Wang' ihm drängt, Er denkt kaum mehr des Glöckleins, das er hinaufgehängt. Doch als er nun, zu sterben, in seinem Stuhle saß, Da hört' er vor dem Fenster Geschluchz ohn' Unterlaß, „Was soll das?" fragt er leise den Kanzler, „sprich's nur aus!“ ,,Ach, Herr, der Vater scheidet, die Kinder steh'n vor'm Haus!"" ,,Herein mit meinen Kindern! - Und war man mir denn gut?". Stünd', Herr, zu Kauf dein Leben sie kauften dein's mit Blut!"" Da wogt's auch schon zum Saale gedämpften Schritt's herein, Und will ihn nochmal segnen, ihm nochmal nahe sein. Ihr liebt mich also, Kinder?" Und tausend weinen: „„Ja!"" Der König hört's, erhebt sich, steht wie ein Heil'ger da; Sieht auf zu Gott, zur Decke, langt nach dem Seile stumm, Thut einen Riß, es läutet, und lächelnd sinkt er um. |