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Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
In dumpfer Stube beisammen sind;
Es spielet das Kind, die Mutter sich schmückt,
Großmutter spinnet, Urahne gebückt
Sist hinter dem Ofen im Pfühl
Wie wehen die Lüfte so schwül!

Das Kind spricht: „,,Morgen ist's Feiertag,
Wie will ich spielen im grünen Hag,
Wie will ich springen durch Thal und Höh'n,
Wie will ich pflücken viel Blumen schön;
Dem Anger, dem bin ich hold!"
Hört ihr's, wie der Donner grollt?

Ich selber ich rüste mein Feierkleid;
Das Leben, es hat auch Lust, nach Leid,
Dann scheint die Sonne wie Gold!"
Hört ihr's, wie der Donner grollt?

Großmutterspricht:,, Morgen ist's Feiertag,
Großmutter hat keinen Feiertag,
Sie kochet das Mahl, sie spinnet dasj Kleid,
Das Leben ist Sorg' und viel Arbeit;
Wohl dem, der that, was er sollt'!"
Hört ihr's, wie der Donner grollt?

Urahne spricht:,,Morgen ist's Feiertag,
Am liebsten morgen ich sterben mag:
Ich kann nicht singen und scherzen mehr,
Ich kann nicht sorgen und schaffen schwer,
Was thu' ich noch auf der Welt ?"
Seht ihr, wie der Bliz dort fällt?
Lüben und Nade III, 431. Leimbach IV, 242.

Die Mutter spricht: „Morgen ist's Feiertag,

Da halten wir alle fröhlich Gelag,

*) Gube IV, 155. Kriebisch 109.

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Der Reiter und der Bodensee.*)
Der Reiter reitet durch's helle Thal,

Auf Schneefeld schimmert der Sonne
Strahl.

Er trabet im Schweiß durch den kalten Schnee,
Er will noch heut' an den Bodensee;
Noch heut' mit dem Pferd in den sichern Kahn,
Will drüben landen vor Nacht noch an.
Auf schlimmem Weg über Dorn und Stein,
Er braust auf rüstigem Roß feldein.

Aus den Bergen heraus, in's ebene Land,
Da sieht er den Schnee sich dehnen wie
Sand,
Weit hinter ihm schwinden Dorf und Stadt,
Der Weg wird eben, die Bahn wird glatt.
In weiter Fläche kein Bühl, kein Haus,
Die Bäume gingen, die Felsen aus;
So flieget er hin eine Meil', und zwei,
Er hört in den Lüften der Schneegans
Schrei;

Es flattert das Wasserhuhn empor,

Nicht anderen Laut vernimmt sein Ohr;

Keinen Wandersmann sein Auge schaut, Der ihm den rechten Pfad vertraut. Fort geht's, wie auf Sammt, auf dem weichen Schnee,

Wann rauscht das Wasser, wann glänzt der See?

Da bricht der Abend, der frühe, herein: Von Lichtern blinket ein ferner Schein.

Es hebt aus dem Nebel sich Baum an Baum, Und Hügel schließen den weiten Raum. Er spürt auf dem Boden Stein und Dorn, Dem Rosse giebt er den scharfen Sporn.

*) Gude IV, 160. Lüben und Nade III, 435.

Und Hunde bellen empor am Pferd, Und es winkt im Dorf ihm der warme Herd. „Willkommen am Fenster, Mägdelein, An den See, an den See, wie weit mag's sein ?"

Die Maid, die staunet den Reiter an: ,,,Der See liegt hinter dir und der Kahn. Und deckt' ihn die Rinde von Eis nicht zu, Ich spräch', aus dem Nachen stiegest du."" Der Fremde schaudert, er atmete schwer: ,Dort hinten die Eb'ne, die ritt ich her!" Da recet die Magd die Arm' in die Höh':

"Herr Gott! so rittest du über den See; An den Schlund, an die Tiefe bodenlos,

Hat gepocht des rasenden Hufes Stoß! Und unter dir zürnten die Wasser nicht? Nicht krachte hinunter die Rinde dicht?

Und du ward'st nicht die Speise der stummen.
Brut?

Der hung'rigen Hecht' in der falten
Flut ?""

Sie rufet das Dorf herbei zu der Mär',
Es stellen die Knaben sich um ihn her;
Die Mutter, die Greise, sie sammeln sich:
,,Glückseliger Mann, ja, segne dich!

Herein zum Ofen, zum dampfenden Tisch,

Brich mit uns das Brot und iß vom Fisch !“

Der Reiter erstarret auf seinem Pferd,
Er hat nur das erste Wort gehört.

Es stocket sein Herz, es sträubt sich sein Haar,
Dicht hinter ihm grinst noch die grause
Gefahr.

Es siehet sein Blick nur den gräßlichen Schlund,

Sein Geist versinkt in den schwarzen Grund.

Im Ohr ihm donnert's wie krachend Eis,

Wie die Well' umrieselt ihn kalter Schweiß.

Da seufzt er, da sinkt er vom Roß herab, Da ward ihm am Ufer ein trocken Grab.

Johannes Kant.*)

Den kategorischen Imperativus fand,
Das weiß ein jedes Kind, Immanuel Kant.
Dem kategorischen Imperativus treu,

Zwang durch ihn wilde Seelen zu frommer Scheu
Lang' vor Jmmanuel Herr Johannes Kant,
Und wenige wissen's, wie die Sache bewandt.

Derselb' ein Doktor Theologiä war,

In schwarzer Kutte, mit langem Bart und Haar,
So saß er zu Krakau auf dem Lehrersiz,

So ging er einher gegürtet, in Kält' und Hig',
Ein rein Gemüt, ein immer gleicher Sinn,

Dem Unrecht dulden, nicht thun, stets däuchte Gewinn.
Im grauen Alter zog ein Sehnen den Kant

Gen Schlesien, in sein altes Vaterland.

Er schloß die Bücher in'n Schrein, bestellt' sein Haus,
Den Seckel nahm er, und zog in die Fern' hinaus.
Gemächlich ritt in der schweren, schwarzen Tracht
Der Doktor durch der polnischen Wälder Nacht,
Doch in der Seele, da wohnt ihm lichter Schein,
Die gold'nen Sprüche zogen aus und ein,

In's Herz schoß Strahlen ihm das göttliche Wort,
Voll innern Sonnenlichtes, so ritt er fort.

Auch merkt' er nicht, wie das Tier in finst'rer Schlucht
Den Weg durch Abenddunkel und Dickicht sucht,
Er hört nicht vor und hinter sich Tritt und Trott,

Er ist noch immer allein mit seinem Gott.
Da wimmelt's plöglich um ihn zu Roß, zu Fuß,
Da flucht in's Ohr ihm der Wegelagerer Gruß;
Es stürmen auf den heiligen Mann sie ein,
Es blinken Messer und Schwert im Mondenschein.
Er weiß nicht, wie ihm geschieht, er steigt vom Roß,
Und eh' sie's fordern, teilt er sein Gut dem Troß;
Den vollen Reisebeutel streckt er dar,!

Darin bei'm Groschen manch' blanker Thaler war,
Vom Halse löst er ab die güld'ne Kett',
Er reißt die schmucken Borten vom Barett:
Den Ring vom Finger und aus der Tasche zieht
Das Meßbuch er mit Silberbeschläg' und Niet;
Daß sie das Pferd abführen mit Sattel und Zaum,
Der arm' erschrockne Mann, er sieht es kaum;
Erst wie er alles Schmuckes und Gutes bar,
Da flehet er um sein Leben zu der Schar.
Der bärtige Hauptmann faßt ihn an der Brust
Und schüttelt sie mit derber Räuberlust.

Gabst du auch alles ?" brüllt's um ihn und murrt,
„Trägst nichts versteckt in Stiefel oder Gurt?"
Die Todesangst schwört aus dem Doktor: „,,,,Nein!""
Und aber Nein!"" Es zittert ihm Fleisch und Bein.

Lüben und Nace III, 437.

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Da stoßen sie fort ihn in den schwarzen Wald;
Er eilt, als wär' er zu Roß noch, ohne Halt;
Doch fährt die Hand im Gehen ihm wie im Traum
Hinab an der langen Kutte vorderm Saum,
Mit Angst fühlt sie herum an allem Wulst,
Und endlich findet sie da die rechte Schwulst,
Wo eingenäht, geborgen und unentdeckt
Der güldene Sparpfennig sich versteckt.

Nun will dem Mann es werden recht sanft und leicht,
Mit all' dem Gold er die Heimat wohl erreicht,
Er mag mit Gottes Hilfe vom Schrecken ruh'n,
Mit Freunden und Vettern sich recht gütlich thun.
Da stand er plöglich still, denn in ihm rief
Mit lauter Stimme der heilige Jmp'rativ:
,,,,Leug' nicht! leug' nicht! du hast gelogen, Kant!""
Das einzige Wort ihm auf der Seele brannt';
Vergessen war der Heimat fröhliche Lust,

Er war allein der Lüge sich bewußt.

Und schneller, als ihn getrieben der Freiheit Glück,
Trieb ihn der Sünde Pein nun zurück, zurück.
Schon winkt von ferne der unglücksel'ge Play,
Die Räuber teilen dort noch immer den Schaz,
Am Mondlicht prüfen sie sich das Allerlei.
Die Pferde weiden zwischen den Büschen frei.
Und wie sie lagern im Gras und tauschen, tritt
In ihre Mitte der Kant mit hastigem Schritt.
Er stellte demütig sich vor die Räuber hin,
Er sprach: „, wisset, daß ich ein Lügner bin!
Doch log der Schrecken aus mir, darum verzeiht!""
Mit diesen Worten riß er den Saum vom Kleid,
In hohler Hand bot er ein Häuflein Gold,
Darüber des Mondscheins blinkende Welle rollt;
Weil keiner zugreift, bittet er ganz beschämt:

„Das hab' ich böslich vor euch verleugnet, nehmt !""
Den Räubern aber wird's wunderlich im Kopf,
Sie möchten lachen und spotten ob dem Tropf;
Und ihre Lippe findet doch keinen Laut,
Und ihr vertrocknetes, starres Auge taut.
Und in dem bleiernen Schlummer, den er schlief,
Regt sich in ihnen plößlich der Imp'rativ,
Der wunderbare, das heil'ge Gebot: „Du sollt
Du sollt nicht stehlen!" und vor der Hand voll Gold
Aufspringen sie, dann werfen sie sich all' auf's Knie,
Ein tiefes Schweigen waltet; denn Gott ist hie.

--

er hat's geküßt,

Jezt aber regt sich emsig die ganze Schar:
Der reicht den Beutel und der die Kette dar,
Ein dritter bringt das Pferd gesattelt, gerüst't,
Das Meßbuch reicht der Hauptmann
Dann helfen sie ihm zu Roß mit willigem Dienst,
Nichts bleibt zurück vom neuen Räubergewinnst;
Ja, mußte Herr Kant nur sein auf seiner Hut,
Daß sie ihm nicht auch schenkten gestohlen Gut.

Er scheidet, er teilt den Segen aus vom Pferd, Wünscht ihnen gründliche Reu', die sie bekehrt. Nur dacht' er traurig, als um die Eck' er bog: Ihr armen Schelmen, ihr stehlet und ich log!"" Doch als er kam zum finstern Walde hinaus, Da war verschwunden der Sünde ganzer Graus, Da stand der Morgenhimmel in roter Glut,

Da ward dem frommen Wand'rer froh zu Mut. ,,,Dein Wille gescheh' im Himmel und auf der Erd'!"" So betet der Kant und giebt die Sporen dem Pferd.

Das Mahl zu Heidelberg.

Von Württemberg und Baden Die Herren zogen aus, Von Mez des Bischofs Gnaden Vergaß das Gotteshaus ; Sie zogen aus zu kriegen Wohl in die Pfalz am Rhein, Sie sahen da sie liegen Im Sommersonnenschein.

Umsonst die Rebenblüte Sie tränkt mit mildem Duft, Umsonst des Himmels Güte Aus Aehrenfeldern ruft: Sie brannten Hof und Scheuer, Daß heulte groß und klein; Da leuchtete vom Feuer Der Neckar und der Rhein.

Mit Gram von seinem Schlosse

Sieht es der Pfälzer Friz:
Heißt springen auf die Rosse
Zween Mann auf einen Siß.
Mit enggedrängtem Volke
Sprengt er durch Feld und Wald;
Doch ward die kleine Wolke
Zum Wetterhimmel bald.

Sie wollen seiner spotten,
Da sind sie schon umringt,
Und über ihren Rotten

Sein Schwert der Sieger schwingt.
Vom Hügel sieht man prangen
Das Heidelberger Schloß,
Dorthin führt man gefangen
Die Fürsten samt dem Troß.

Zu hinterst an der Mauer
Da ragt ein Turm so fest,
Das ist ein Siß der Trauer,
Der Schlang' und Eule Nest;

Dort sollen sie ihm büßen
Im Kerker trüb' und kalt,
Es gähnt zu ihren Füßen
Ein Schlund und finst'rer Wald.

Hier lernt vom Grimme rasten Der Württemberger Uz, Der Bischof hält ein Fasten, Der Markgraf läßt vom Truz. Sie mochten schon in Sorgen Um Leib und Leben sein, Da trat am andern Morgen Der stolze Pfälzer ein.

Herauf, ihr Herren, gestiegen,
In meinen hellen Saal!
Jhr sollt nicht fürder liegen
In Finsternis und Qual.
Ein Mahl ist euch gerüstet,
Die Tafel ist gedeckt,
Drum, wenn es euch gelüstet,
Versucht, ob es euch schmeckt!"

Sie lauschen mit Gefallen,
Wie er so lächelnd spricht,
Sie wandeln durch die Hallen
Ans gold'ne Tageslicht.
Und in dem Saale winket
Ein herrliches Gelag,
Es dampfet und es blinket,
Was nur das Land vermag.

Es sezten sich die Fürsten;
Da mocht' es seltsam sein!
Sie hungern und sie dürften
Beim Braten und beim Wein.
,,Nun, will's euch nicht behagen?
Es fehlt doch, däucht mir, nichts ?
Worüber ist zu klagen?

An was, ihr Herr'n, gebricht's ?“

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