Nun ist der Vorzeit hohe Kraft zerronnen, Man wagt es, sie der Barbarei zu zeihen. Sie haben enge Weisheit sich ersonnen : Was Ohnmacht nicht begreift, sind Träumereien. Doch mit unheiligem Gemüt begonnen,
Will nichts, was göttlich ist von Art, gedeihen. Ach, diese Zeit hat Glauben nicht, noch Liebe : Wo wäre denn die Hoffnung, die ihr bliebe?
Das echte Neue keimt nur aus dem Alten, Vergangenheit muß unsre Zukunft gründen. Mich soll die dumpfe Gegenwart nicht halten; Euch, ew'ge Künstler, will ich mich verbünden. Kann ich neu, was ihr schuft, und rein entfalten, So darf auch ich die Morgenröte künden Und streu'n vor ihren Himmelsheiligtumen Der Erde Liebkosungen, süße Blumen.
Auguft Wilhelm_Schlegel.*)
Der Völkersitten, mancher fremden Stätte Und ihrer Sprache frühe schon erfahren, Was alte Zeit, was neue Zeit gebaren, Vereinigend in Eines Wissens Kette,
Im Steh'n, im Geh'n, im Wachen und im Bette, Auf Reisen selbst, wie unter'm Schuß der Laren Stets dichtend, aller, die es sind und waren, Besieger, Muster, Meister im Sonette.
Der erste, der's gewagt auf deutscher Erde
Mit Shakespeares Geist zu ringen und mit Dante, Zugleich der Schöpfer und das Bild der Regel:
Wie ihn der Mund der Zukunft nennen werde, Ist unbekannt, doch dies Geschlecht erkannte Ihn bei dem Namen August Wilhelm Schlegel.
Der Dichter über sich selbst.
Kosmopolit der Kunst und Poesie, Verkündigt' ich in allen Formen sie. Shakespeare, der Genius der Briten, fand Durch mich in Deutschland noch ein Vater- land. Im neuen Indien thront Britannia stark;
Im alten such' ich alter Weisheit Mark, Des Ramas Thaten zog ich an das Licht, Wovon Valmikis so erhaben spricht. Drum siegl' ich mit des Helden Siegelring, Den ich zum Lohn für mein Bemüh'n
Bei Andernach am Rheine Liegt eine tiefe See; Stiller wie die ist keine Unter des Himmels Höh'. Einst lag auf einer Insel Mitten darin ein Schloß, Bis krachend mit Gewinsel Es tief hinunter schoß.
Da find't nicht Grund und Boden Der Schiffer noch zur Stund'; Was Leben hat und Odem, Ziehet hinab der Schlund. So schritten zween Wandrer Zu Abend da heran, Zu ihnen trat ein andrer, Bot ihnen Gruß fortan.
„Könnt, wie vor grauen Tagen Das Schloß im See versank, Jhr mir die Kunde sagen, So habet dessen Dank. Ich wandre schon seit Jahren Die Lande aus und ein, Manch' Wunder zu bewahren In meines Herzens Schrein."
Der jüngste von den zween Bereit der Frage war. Er sprach: „Das soll geschehen, So wie ich's hörte zwar. Als noch die Burgen stunden, Lebt' da ein Ritter gut, In Trauer fest gebunden, Grämt er den stolzen Mut.
Warum er das mußt' dulden, Hat keiner noch gesagt; Ob alter Väter Schulden Ihm das Gericht gebracht, Ob eig'ne Missethaten Ihn rissen in den Schlund, Wo keiner ihm mag raten, In offnen Grabes Mund."
So sprach von jenen beiden Der jüngste an dem Ort; Der Fremdling dankt den beiden, Als traut' er wohl dem Wort. Der Alte sprach: „Mit nichten! Wie sprichst du falsch, o Sohn! Es soll der Mensch nicht richten, Find't jeder seinen Lohn.“
„Wahr ist's, es hausen Geister Da unten wundervoll ; Doch nimmer sind sie Meister, Wer wandelt fromm und wohl.
Der Ritter gut und bieder War ehrentreu und recht, Noch rühmen alte Lieder Das edele Geschlecht."
„Nur daß so schwere Trauer Das Herz ihm hält umspannt, Drum sucht er öde Schauer, All' Freude weit verbannt; Und des Gesanges Klagen Sind seine einz’ge_Lust; Nur diese Wellen schlagen Einsam an seine Brust."
„Wohl jene Wasser drunten Sind voller Klag' und Schmerz; Stets einsam wohnt dort unten, Wem sie gerührt das Herz. Denn alles, was vergangen, Schwebt lockend vor dem Blick, Es steigt aus dem Gesange Klagend die Welt zurück.“
„Die Gegenwart verschwindet, Die Zukunft wird uns hell, Und was die Menschen bindet, Geht unter in den Quell. Wer in den Schwermutswogen Das Licht im Auge hält, Hat hier schon überflogen. Die Bande dieser Welt.“
,,So dünkt mich, daß die Geister, Durch Neid in ihrem Grab Jhn, des Gesanges Meister, Zogen den Schlund hinab. Wir sah'n, wie jedes Schöne Des Todes Wurm verdirbt; Schnell fliehen so die Töne, Und der Gesang erstirbt."
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