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Da herrscht im Wald der grause Jaguar,
Das Krokodil auf überfloss'ner Flur,
Den Tag verdunkelt der Mosquitos Schar.

Der Mensch entsteht, verschwindet ohne Spur,
Ein armer, unbedachter Gast der reichen,
Der riesenhaft unbändigen Natur.

Es pflanzt der Missionar des Heiles Zeichen
An Flusses Ufern weit hinauf, wovor
Der Wildnis freie Söhne fern entweichen.

Am Atabapos-Ufer ragt empor
Ein Stein, der Stein der Mutter, wohlbekannt
Dem Schiffer, der den Stein zur Rast erkor.

So ward er unserm Humboldt auch genannt
Als diesen Strom der Wildnis er befahren,
Von Wissensdurst und Thatenlust entbrannt.
„Der Stein der Mutter? lasset mich erfahren:
Was redet dieser Stein mit seinem Munde?
Was soll für ein Gedächtnis er bewahren?"

Es schwiegen die Gefährten in der Runde. Erst später, zu San Carlos angekommen, Gab ihm ein Missionar die graus'ge Kunde: Einst ward von San Fernando unternommen Ein Zug, um Seelen für den heiligen Glauben, Und Sklaven, die uns dienen, zu bekommen.

Des heilgen Ordens Sagungen erlauben, Gewaltsam zu der Völker Heil zu schalten, Und Heiden galt's am Guaviar zu rauben.

Es ward, wo Rauch vom Ufer stieg, gehalten,
Im Boote blieb, ein Betender, der Pater,
Und ließ die rauhe Kraft der Seinen walten.

Sie überfielen, ohne Schuß und Rater
Ein wehrlos Weib; mit seiner Macht
Verfolgte wohl den Jaguar der Vater,

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Drob mußte harte Züchtigung sie leiden; Noch blut'gen Leibes hat zum andern mal Versucht sie, zu entkommen zu den Heiden;

Und härter traf sie noch der Geißel Qual; Und abermals versuchet ward die That: Nur Freiheit oder Tod war ihre Wahl.

Da schien dem Missionar der beste Rat, Von ihren Kindern weit sie zu entfernen, Wo nimmer ihr der Hoffnung Schimmer naht.

Sie soll ihr Los am Rio Negro lernen.
Sie lag gefesselt und es glitt das Boot
Den Fluß hinauf; sie spähte nach den Sternen,

Sie fühlte nicht die eigne bittre Not,
Sie fühlte Mutterliebe, Kern des Lebens,
Und Fesseln, und sie wünschte sich den Tod.

Die Fesseln sprengt sie plöglich kräft’gen
Strebens,

Da, wo den Stein am Ufer man entdeckt, Und wirft sich in denStrom und schwimmt — vergebens!

Sie ward verfolgt, ergriffen, hingestrect Auf jenen Stein, geheißen nach der Armen, Mit deren Schmerzensblut er ward befleckt.

Sie ward gepeitscht, zerfleischet ohn' Erbarmen, Geworfen in das Boot zur weitern Fahrt Mit auf dem Rücken festgeschnürten Armen.

Javita ward erreicht auf solche Art;
Die wund, gebunden, kaum sich konnte regen,
Ward dort zu Nacht im Fremdenhaus ver-
wahet.

Es war zur Regenzeit, das wollt erwägen, Zur Regenzeit, wo selbst der kühnste Mann Nicht wagt den nächsten Gang auf Landeswegen;

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Im Buschwald wird er sein, ein Wild zu jagen.“

Und Gamba zu den Untergeb’nen sein:
„Hier führt, ich traf ihn gut, die Spur
des Blutes;
Durchsucht das Haus, er wird zu finden
sein."
Ein Jäger d'rauf: So ihr es wollt, so
thut es;

Doch sollet ihr's erwägen, Adjutant,
Uns bringt Falcone's Feindschaft nimmer
Gutes."

Er aber stand unschlüssig, abgewandt,

Und stach ins Heu, nachlässig, in Gedanken. Wie einer, der das Rechte nicht erkannt. Der Knab' indessen spielte mit dem blanken Gehenke seiner Uhr, und schob gelinde Jhn vom Versteck zurück des armenKranken. Und wieder freundlich sprach er zu dem Kinde: „Du spielst mit meiner Uhr und hast noch feine;

Die hatt' ich dir bestimmt zum Ange- | binde."

„In meinem zwölften Jahr' bekomm' ich eine."

„Bist zehn erst alt, betrachte diese nur.“ Und blinkend hielt er sie im Sonnenscheine. Gar argen Glanzes funkelte die Uhr;

Das zierliche Gehäus so blank und klar, Die Nadeln Gold, das Zifferblatt Lasur. – „Wo steckt Sampiero?" — „Wird dein Wort auch wahr?"

Dem Knaben schwur er zu mitteurem Eide, Daß sie der schnöde Preis des Blutes war. Des Knaben Rechte hob nach dem Geschmeide Sich langsam zitternd; niederwärts sich neigend

Berührt er sie; ihm brannt das Einge-
weide.

Da hob sich auch die Linke, rückwärts zeigend,
Und gab denSchüßling dem Verfolger bloß;
Geschlossen war der Kauf, der arge, schwei-
gend.

Da ließ der Adjutant die Kette los;

Das Kind, vom köstlichen Besiß befangen, Vergaß sich selbst und des Verrat'nen Los. UndGamba ließ hervor den Flüchtling langen, Der blickte stumm verächtlich auf den Knaben

Und gab dem Jäger willig sich gefangen. —

Ihr müßt, Freund Gamba, schon die Güte haben, Schafft eine Bahre her,ichkann nichtgehenVerblutet hab' ich mich im Heu vergraben. Ihr seid ein Schüß, man muß es euch gestehen;

's ist aus mit mir; ihr habt mich gut gefaßt, Doch habt ihr auch, was ich vermag, gesehen.“ Und menschlich sorgte man und freundlich fast Für einen, den man doch als tapfer pries Und, wo es galt, als Gegner nur gehaßt, Die Münze reicht ihm Fortunat, er stieß Zurück den Knaben, welcher voller Scham Entwich und jenen Thaler fallen ließ. Falcone jezt mit seinem Weibe kam Vom Walde her; um sein Gehöfte sah Er Jäger schwärmen, was ihn Wunder nahm. Schußfertig, kühn, vorsichtig naht' er da, Und hieß das Weib der zweiten Büchse pflegen,

Wie's Brauch ist, wo der Schüß' dem Feinde nah'.

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plagt."

,,Er hat gefochten, wie es keiner glaubt;
Wir haben ihn und danken's Fortunato,
Der uns geliefert sein geächtet Haupt.'
Der Vater rief entrüstet: „Fortunato?“-
Die Mutter sank zusammen wie gebrochen,
Und wiederholte schaurig:,,Fortunato?"—
„Er hatte dort sich in das Heu verkrochen,
Der Vetter zeigt ihn an, man soll's erfahren,
Und ihm und euch wird hohes Lob ge=
sprochen.“
Sie traten an das Haus; die Jäger waren
Geschäftig und bemühet um den Alten,
Die Bahre wohl mit Mänteln zu ver-
wahren.
Und wie zu seinem Ohr die Schritte schallten,
Und er sich umgesehen, wer genaht,
Da konnt' er nicht zu lachen sich enthalten;

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An einem Stein der That verhaßte Spur. Dann starrt er vor sich hin, und scharrt, wie ohne

Gedanken, mit dem Kolben in dem Sand, Und rafft sich endlich auf und ruft dem Sohne: „Mir nach!“ Das Kind gehorcht. Er selbst, zur Hand Sein trautes Feuerrohr, nimmt durch die Haide

Den Richtpfad nach dem nächsten Waldesrand. Jhn hält die Mutter schreckhaft an demKleide : ,,Dein Sohn, dein einz'ger Sohn, den Gott dir gab,

Den mit Gelübden wir erflehten beide!" Und er: ich bin sein Vater, d'rum, laß ab!" Da küsset sieverzweiflungsvoll den Kleinen Und schaut ihm nach bis in den Wald hinab. Dann geht sie, vor das Heil'genbild der reinen

Gebenedeiten Mutter sich allein
Zu werfen, um zu beten und zu weinen.

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Sein Aug' ist dürr, mit seines Alters Stab Sein Herz gebrochen. Also holt der Mann Den Spaten, um zu graben dort sein Grab. Die Mutter stürzt beim Schuß entsegt heran, Sie stürmet händeringend auf ihn ein: „Mein Kind! mein Blut! Was hast du nun gethan!"— „Gerechtigkeit. - Er liegt am schwarzen Stein.

Ich lass' ihm Messen lesen, der als Christ Gestorben ist, und also mußt' es sein. Sobald du aber selbst gefaßter bist,

Verkünde unserm Tochtermann Renzone, Daß meine wohlerwog'ne Meinung ist, Daß künftig er mit uns mein Haus bewohne.“

Salas y Gomez.*)

1829.

Salas y Gomez raget aus den Fluten Des stillen Meers, ein Felsen kahl und bloß, Verbrannt von scheitelrechter Sonne Gluten,

*) Bude. Erläuterungen IV, 258. Gözinger I, 606. Leimbach I, 87.

Ein Steingestell' ohn' alles Gras und Moos, Das sich das Volk der Vögel auserkor Zur Ruhstatt im bewegten Meeresschoß. So stieg vor unsern Blicken sie empor, Als auf dem Rurik: „Land im Westen! Land!"

Der Ruf vom Mastkorb drang zu unserm Ohr. Als uns die Klippe nah' vor Augen stand, Gewahrten wir der Meeresvögel Scharen Und ihre Brütepläge längs dem Strand. Da frischer Nahrung wir bedürftig waren, So ward beschlossen, den Versuch zu wagen, In zweien Booten an das Land zu fahren. Es ward dabei zu sein mir angetragen.

Das Schrecknis, das der Ort mir offenbart,
Ich werd' es jezt mit schlichten Worten
sagen.

Wir legten bei, bestiegen wohlbewahrt
Die ausgesezten Boote, stießen ab,
Und längs der Brandung rudernd ging
die Fahrt.

Wo unterm Wind das Ufer Schuß uns gab,
Ward angelegt bei einer Felsengruppe,
Wir setzten auf das Trockne unsern Stab.
Und eine rechts und links die andre Truppe,
Verteilten sich den Strand entlang die
Mannen,

Jch aber stieg hinan die Felsenkuppe. Vor meinen Füßen wichen kaum von dannen Die Vögel, welche die Gefahr nicht kannten, Und mit gestreckten Hälsen sich besannen. Der Gipfel war erreicht; die Sohlen brannten Mir auf dem heißen Schieferstein, indessen Die Blicke den Gesichtskreis rings umspannten.

Und wie die Wüstenei sie erst ermessen, Und wieder erdwärts sich gesenket haben, Läßt eines alles andre mich vergessen. Es hat die Hand des Menschen eingegraben Das Siegel seines Geistes in den Stein, Worauf ich steh', - Schriftzeichen sind's, Buchstaben.

Der Kreuze fünfmal zehn in gleichen Reih'n, Es will mich dûnken, daß sie lang' bestehen,

Doch muß die flücht'ge Schrift hier jünger sein. Und nicht zu lesen! — deutlich noch zu sehen Der Tritte Spur, die sie verlöschet fast; Es scheint ein Pfad darüber hin zu gehen. Und dort am Abhang war ein Ort der Rast,

Dort nahm er Nahrung ein, dort Eierschalen!

Wer war, wer ist der grausen Wildnis Gast?

Und spähend, lauschend schritt ich auf dem kahlen

Gesims einher zum andern Felsenhaupte, Das zugewendet liegt den Morgenstrahlen. Und wie ich, der ich ganz mich einsam glaubte, Erklomm die lezte von den Schieferstiegen, Die mir die Ansicht von dem Abhang

raubte;

Da sah ich einen Greisen vor mir liegen,
Wohl hundert Jahre, mocht' ich schäßen, alt,
Des Züge, schien es, wie im Tode schwiegen.
Nact, langgestreckt die riesige Gestalt,
Von Bart und Haupthaar abwärts zu
den Lenden

Den hagern Leib mit Silberglanz umwallt. Das Haupt getragen von des Felsen Wänden, Im starren Antlig Ruh', die breite Brust Bedeckt mit über's Kreuz gelegten Händen. Und wie entsegt, mit schauerlicher Lust

Ich unverwandt das große Bild betrachte, Entflossen mir die Thränen unbewußt. Als endlich, wie aus Starrkrampf, ich erwachte,

Entbot ich zu der Stelle die Gefährten, Die bald mein lauterRufzusammen brachte. Sie lärmend herwärts ihre Schritte kehrten, Und stellten, bald verstummend, sich zum

Kreis,

Die fromm die Feier solchen Anblicks ehrten. Und seht, noch reget sich, noch atmet leis, Noch schlägt die müden Augen auf und hebt Das Haupt empor der wundersame Greis. Er schaut uns zweifelnd, staunend an, bestrebt Sich noch zu sprechen mit erstorb'nem Munde,

Umsonst! er sinkt zurück, er hat gelebt. Es sprach der Arzt, bemüh’nd in dieser Stunde Sich um den Leichnam noch: „es ist vorbei.“ Wir aber standen betend in der Runde. Es lagen da der Schiefertafeln drei Mit eingerigter Schrift: mir ward zu Teile Der Nachlaß von dem Sohn der Wüstenei. Und wie ich bei den Schriften mich verweile, Die rein in span'scher Zunge sind geschrieben,

Gebot ein Schuß vom Schiffe her uns Eile. Ein zweiter Schuß und bald ein dritter trieben Von dannen uns mitHast zu unsernBooten; Wie dort er lag, ist liegen er geblieben.

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