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Die Namen unsrer Väter geh'n den Fremden durch den Mund,
Sind ihnen in der Schule recht, für alt und jung gesund;
Ach, wenn kein freier Grieche mehr euch griechisch nennen kann,
Miltiades, Leonidas, was ist eu'r Nachruhm dann!
Dann steigt ihr gern mit uns hinab in die gemeine Gruft,
Auf welcher keine Sage steht und schöne Namen ruft.
Barbaren, ihr versteht sie nicht, sie klingen euch ins Ohr,
Hinein zum einen und heraus alsbald zum andern Thor;
Doch ewig taub wird euer Herz für Hellas' Namen sein,
Es sog von unsrer Väter Geist nicht einen Tropfen ein.
Ein Tropfen nur in euer Herz, und Hellas wäre frei
Und umgestürzt der morsche Turm der stolzen Tyrannei !
Was habt ihr Völker denn gelernt von Hellas' alter Kunst?
Frei sein so heißt ihr erster Spruch. Blast weg den eitlen Dunst,
Den ihr euch als hellenisch preist, seid ihr so frei noch nicht,
Zu helfen frei mit Wort und That, wo Freiheit Ketten bricht.
Wir fragen nichts nach unserm Ruhm, nach unsrer Namen Preis;
Was frommt's, ob der Barbaren Schwarm von unsern Thaten weiß ?
Wenn Hellas sinken muß ins Grab, wir wollen keinen Stein
Für uns're Gruft. Laßt ungenannt die lezten Griechen sein!

Epigramme.

Recht und Liebe.

Das Recht sagt: Jedem das Seine!
Die Liebe: Jedem das Deine!

Atlas.

Atlas, großer, starker Riese, wie wird des Himmels Last dir schwer! Die Liebe trägt dieselbe Bürde und hüpft so selig hin und her.

Zwei Reifen.

Keine Reis' auf Erden scheint mir so groß und schwer zu sein,
Als die Reis' aus uns heraus, als die Reis' in uns hinein.

Zeit und Mensch.

Was heißt das, über die Zeit zu klagen!
Wie jeder sie macht, so muß er sie tragen.

Das Ziel.

Jeder hat ein Ziel vor Augen, dem er nachläuft bis zur Gruft
Aber oft ist's eine Feder, die er aufblies in die Luft.

Die schwerste Laft.

Nichts ist dem Menschen so schwer zu tragen
Als eine Last von guten Tagen.

Der erste Flecken.

Wenn du durch den Kot der Straße mußt mit neuen Schuhen geh'n,
Wirst du trippelnd auf den Spizen nach den blanken Steinen seh'n;
Hat sie erst beschmußt ein Fleckchen, lernst du waten sicherlich:
Hüte, Kind, in deiner Seele vor dem ersten Flecken dich!

Lehre und Beispiel.

Wenn des Weisen gute Lehre eine Hand ist, dich zu führen:
In des Guten weisem Beispiel wirst du einen Flügel spüren.

Das geflügelte Wort.

Ist das Wort der Lipp' entflohen, du ergreifst es nimmermehr,
Fährt die Reu' auch mit vier Pferden augenblicklich hinterher.

Der Schneeball.

Der Schneeball und das böse Wort,

Sie wachsen, wie sie rollen fort:
Eine Hand voll wirf zum Thor heraus,

Ein Berg wird's vor des Nachbars Haus.

Der rechte Lehrmeißter.

Folg' als Jünger nicht dem Lehrer, dessen Saal ist immer voll,
Weil im Spiel' er alle Schüler zu Doktoren machen soll;
Der mit Müh' den Doktor lehret, daß er nur ein Schüler ist,
Dessen kleine Pforte suche, eh' zu groß du worden bist.

Weltluft.

Die Lust der Welt ist Honigseim, um den wir wie die Fliegen schweben : Noch keine hat daraus genippt, ihr blieb ein Stückchen Flügel kleben.

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Novalis (Friedrich von Hardenberg).

(Geschichte der deutschen National-Litteratur § 59.)

Der ist der Herr der Erde, Wer ihre Tiefen mißt Und jeglicher Beschwerde In ihrem Schoß vergißt.

Wer ihrer Felsenglieder Geheimen Bau versteht, Und unverdrossen nieder Zu ihrer Werkstatt geht.

Er ist mit ihr verbündet Und inniglich vertraut, Und wird von ihr entzündet, Als wär' sie eine Braut.

Er sieht ihr alle Tage

Mit neuer Liebe zu

Bergmannslied.

Und scheut nicht Fleiß noch Plage, Sie läßt ihm keine Ruh'.

Die mächtigen Geschichten Der längst verfloss'nen Zeit Ist sie ihm zu berichten Mit Freundlichkeit bereit.

Der Vorwelt heil'ge Lüfte Umweh'n sein Angesicht, Und in der Nacht der Klüfte Strahlt ihm ein ew'ges Licht.

Er trifft auf allen Wegen Ein wohlbekanntes Land, Und gern kommt sie entgegen Den Werken seiner Hand.

Jhm folgen die Gewässer Hilfreich den Berg hinauf; Und alle Felsenschlösser Thun ihre Schäß' ihm auf.

Er führt des Goldes Ströme In seines Königs Haus, Und schmückt die Diademe Mit edlen Steinen aus.

Zwar reicht er treu dem König Den glückbegabten Arm, Doch frägt er nach ihm wenig Und bleibt mit Freuden arm.

Sie mögen sich erwürgen Am Fuß um Gut und Geld; Er bleibt auf den Gebirgen Der frohe Herr der Welt.

Weinlied.

Auf grünen Bergen wird geboren Der Gott, der uns den Himmel bringt, Die Sonne hat ihn sich erkoren, Daß sie mit Flammen ihn durchdringt.

Er wird im Lenz mit Lust empfangen, Der zarte Schoß quillt still empor, Und wenn des Herbstes Früchte prangen Springt auch das gold'ne Kind hervor.

Sie legen ihn in enge Wiegen Ins unterirdische Geschoß.

Er träumt von Festen und von Siegen Und baut sich manches luft'ge Schloß.

Es nahe keiner seiner Kammer, Wenn er sich ungeduldig drängt Und jedes Band und jede Klammer Mit jugendlichen Kräften sprengt.

Denn unsichtbare Wächter stellen, So lang' er träumt, sich um ihn her; Und wer betritt die heil'gen Schwellen, Den trifft ihr luftumwund'ner Speer.

So wie die Schwingen sich entfalten, Läßt er die lichten Augen seh'n, Läßt ruhig seine Priester schalten Und kommt heraus, wenn sie ihm fleh'n.

Aus seiner Wiege dunklem Schoße Erscheint er im Krystallgewand; Verschwiegner Eintracht volle Rose Trägt er bedeutend in der Hand.

Und überall um ihn versammeln Sich seine Jünger hocherfreut; Und tausend frohe Zungen stammeln Ihm ihre Lieb' und Dankbarkeit.

Er sprißt in ungezählten Strahlen Sein inn'res Leben in die Welt, Die Liebe nippt aus seinen Schalen und bleibt ihm ewig zugesellt.

Er nahm als Geist der goldnen Zeiten Von jeher sich des Dichters an, Der immer seine Lieblichkeiten In trunknen Liedern aufgethan.

Er gab ihm, seine Treu zu ehren, Ein Recht auf jeden hübschen Mund, Und daß es keine darf ihm wehren, Macht Gott durch ihn es allen kund.

Wenn ich ihn nur habe.
Wenn ich ihn nur habe,
Wenn er mein nur ist,

Wenn mein Herz bis hin zum Grabe
Seine Treue nie vergißt:
Weiß ich nichts von Leide,

Fühle nichts, als Andacht, Lieb' und Freude.

Wenn ich ihn nur habe,
Laß ich alles gern,

Folg' an meinem Wanderstabe
Treugesinnt nur meinem Herrn ;
Lasse still die andern

Breite, lichte, volle Straßen wandern.

Wenn ich ihn nur habe,
Schlaf' ich fröhlich ein,
Ewig wird zu süßer Labe

Seines Herzens Flut mir sein,
Die mit sanftem Zwingen

Alles wird erweichen und durchdringen.

Wenn ich ihn nur habe,

Hab' ich auch die Welt;

Selig, wie ein Himmelsknabe,
Der der Jungfrau Schleier hält.
Hingesenkt im Schauen

Kann mir vor dem Zrdischen nicht grauen.

Wo ich ihn nur habe,
Ist mein Vaterland;

Und es fällt mir jede Gabe
Wie ein Erbteil in die Hand:
Längst vermißte Brüder

Find' ich nun in seinen Jüngern wieder.

Wenn alle untreu werden.

Wenn alle untreu werden,
So bleib' ich dir doch treu,
Daß Dankbarkeit auf Erden
Nicht ausgestorben sei.

Für mich umfing dich Leiden,
Vergingst für mich in Schmerz,
Drum geb' ich dir mit Freuden
Auf ewig dieses Herz.

Oft muß ich bitter weinen,
Daß du gestorben bist,
Und mancher von den Deinen
Dich lebenslang vergißt.
Von Liebe nur durchdrungen
Hast du so viel gethan,
Und doch bist du verklungen,
Und keiner denkt daran.

Du stehst voll treuer Liebe
Noch immer jedem bei,
Und wenn dir keiner bliebe,
So bleibst du dennoch treu;
Die treuste Liebe sieget,
Am Ende fühlt man sie,
Weint bitterlich und schmieget
Sich kindlich an dein Knie.

Ich habe dich empfunden,
O, lasse nicht von mir!
Laß innig mich verbunden
Auf ewig sein mit dir.
Einst schauen meine Brüder
Auch wieder himmelwärts
Und sinken liebend nieder
Und fallen dir an's Herz.

Wer einsam sitt in seiner
Kammer.

Wer einsam sigt in seiner Kammer
Und schwere, bittre Thränen weint,
Wem nur gefärbt von Not und Jammer
Die Nachbarschaft umher erscheint ;

Wer in das Bild vergangner Zeiten
Wie tief in einen Abgrund sieht,
In welchen ihn von allen Seiten
Ein süßes Weh hinunter zieht;

Es ist, als lägen Wunderschäze
Da unten für ihn aufgehäuft,
Nach deren Schloß in wilder Heye
Mit atemloser Brust er greift.

Die Zukunft liegt in öder Dürre Entseßlich lang und bang vor ihm, Er schweift umher, allein und irre, Und sucht sich selbst mit Ungestüm.

Ich fall' ihm weinend in die Arme : Auch mir war einst, wie dir zu Mut, Doch ich genaß von meinem Harme Und weiß nun, wo man ewig ruht.

Dich muß, wie mich, ein Wesen trösten, Das innig liebte, litt und starb; Das selbst für die, die ihm am wehsten Gethan, mit tausend Freuden starb.

Er starb, und dennoch alle Tage Vernimmst du seine Lieb' und ihn, Und kannst getrost in jeder Lage Ihn zärtlich in die Arme zieh'n.

Mit ihm kommt neues Blut und Leben In dein erstorbenes Gebein; Und wenn du ihm dein Herz gegeben, So ist auch seines ewig dein!

Was du verlorst, hat er gefunden'; Du triffst bei ihm, was du geliebt : Und ewig bleibt mit dir verbunden, Was seine Hand dir wiedergiebt.

Unter tausend frohen Stunden.
Unter tausend frohen Stunden,
So im Leben ich gefunden,
Blieb nur eine mir getreu;
Eine, wo in tausend Schmerzen.
Ich erfuhr in meinem Herzen,
Wer für uns gestorben sei.

Meine Welt war mir zerbrochen,
Wie von einem Wurm gestochen
Welkte Herz und Blüte mir;
Meines Lebens ganze Habe,
Jeder Wunsch lag mir im Grabe,
Und zur Qual war ich noch hier.

Da ich so im Stillen krankte, Ewig weint' und weg verlangte Und nur blieb vor Angst und Wahn, Ward mir plöglich, wie von oben, Weg des Grabes Stein geschoben, Und mein Inn'res aufgethan.

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