Arabiens freie Söhne, Auf die der Mond der Wüste scheint ; Da wirst er sich zur Erd' — und weint. Ahasver, der ewige Jude. Ein Wäldchen rauscht auf weiter grüner Hier lebt die Erde still und arm und trübe; Die thränenvollen, spät daran erquide, Nicht Baum und Strauch, nur Wiesengrund zu seh'n; Bis an die Grenze, wo die Wolken geh'n, Wo Heid' und Himmel zweifelnd wird gemeinsam. Strohhütten steh'n umher zerstreut im Haine; Der schon als Jüngling hat hinsterben müssen. Wer aber kommt die Heide hergezogen, Gejagt, so scheint's, von drängender Gewalt, Das Haupt von greisen Locken wild umflogen, „So! betet still, daß ihr ihn nicht erweckt! Wie tiefbehaglich ist die Todesmuße ! Das Auge festverschlossen, ohne Thränen; Die Brust so still, so flach und ohne Sehnen, Die Lippen bleich, versunken, ohne Klage, Verschwunden von der Stirn die bange Frage. Wohl ihm! er starb in seinen Jugendtagen, Er hat gar leicht, vom Schicksal liebgewonnen, Die große Schuld des Schmerzes abgetragen, Das Leben ihm umsonst Verrat gesponnen. Sein Herz ist still; das meine, ohne Rast, Pocht Tag und Nacht in ungeduld'ger Hast, Auf daß es einmal endlich fertig werde Und seinen Sabbath find' in kühler Erde. Es schläft der Mensch in seiner Mutter Hüften Dann eine Weile noch, mit Augen offen, Jrrt er, Schlafwandler, in den Morgenlüften Und träumt ein buntes, himmlisch frohes Hoffen, Bis plöglich ihm ans Herz das Leben greift, Den schönen Traum von trunk'ner Stirne streift, Und ihn mit kalter Hand ins Wachen schüttelt, Wie meine Hand hier Blüten niederrüttelt, Den hat die falte Faust noch nicht erfaßt, Er ist, unaufgeschreckt vom Traum, erblaßt; Ich seh's an seinen ruhig schönen Zügen, Die, selig lächelnd, fast den Tod verhehlen Was sie gedacht, was sie geträumt, zu deuten. Die Blätter werden aufgemengt und frisch Gelegt in neuer Ordnung auf den Tisch, Den Glauben äffend mit prophet'schen Spu ren; Doch immer sind's die nämlichen Figuren! Ich schaute zu seit achtzehnhundert Jahren, Die machtlos über mich dahingefahren. Laß dich umarmen, Tod, in dieser Leiche! Mein Auge laben an der Wangen Bleiche! Balsamisch rieselt ihre frische Kühle Durch mein Gebein, durch meines Hirnes Schwüle." Derweil die Hirten jezt den Sarg verschließen, Starrt Ahasver aufs Kruzifix der Decke, Als ob er plöglich, tiefgemahnt, erschrece, Aus seinem finstern Auge Thränen fließen: „Hier ist sein Bildnis an den Sarg geheftet, Der einst gekommen, schmachtend und entkräftet, Der einst vor meiner Thür zusammenbrach, Der mich um kurze Rast so bang beschwor; Mein fester Leib erträgt des Odems Not. Wo nichts gedeiht, als füßer Todesschauer, Und rief ich weinend, wütend abgrundwärts: „Mutter Erde, dein verlorner Sohn! Reiß mich zerschmetternd an dein steinern Herz!" Der Zug der Erdentiese sprach mir Hohn, Sanft senkten mich die fluchgestärkten Lüfte Und lebend, rasend, irrt' ich durch die Klüfte. „Tod!" rief ich, „Tod!" mich in die Erde frallend, „Tod!" höhnte Klipp' an Klippe widerhallend, Zu Bette stieg ich lüstern mit der Pest; Ich habe sie umsonst an's Herz gepreßt. Da wandte sich der Jude von den Hirten, Magnus Gottfried Lichtwer. (Geschichte der deutschen National-Litteratur. § 44.) Die seltsamen Menschen. *) Ein Mann, der in der Welt sich trefflich umgeseh'n, Die Freunde liefen scharenweise Und grüßten ihren Freund; so pflegt es zu gescheh’n. Dich hier zu seh'n und nun: erzähle! Was ward da nicht erzählt? Hört, sprach er einst, ihr wißt, Elfhundert Meilen hinter ihnen Sind Menschen, die mir seltsam schienen, Beisammen fest auf einer Stelle, Und denken nicht an Gott, noch Hölle. Da wird kein Tisch gedeckt, kein Mund wird naß gemacht, Es könnten um sie her die Donnerkeile blißen, Zwei Heer' im Kampfe steh'n; sollt' auch der Himmel schon Mit Krachen seinen Einfall droh'n, Sie blieben ungestöret sigen. Denn sie sind taub und stumm; doch läßt sich dann und wann Ein halbgebroch'ner Laut aus ihrem Munde hören, Der nicht zusammenhängt und wenig sagen kann, Ob sie die Augen schon darüber oft verkehren. *) Lüben und Nade 1, 405. Man sah mich oft erstaunt zu ihrer Seite stehen, Daß man die Leute sizen sieht. Glaubt, Brüder! daß mir nie die gräßlichen Geberden Die ich an ihnen sah; Verzweiflung, Raserei, Die wechselten in den Gesichtern. Sie schienen mir, das schwör' ich euch, An Wut den Furien, an Ernst den Höllenrichtern, Allein, was ist ihr Zweck? so fragten hier die Freunde, Das ist es alles nicht. So sind sie gar verwirrt ; Noch seh'n, was thun sie denn? Sie spielen. Der kleine Töffel. *) In einem großen Dorfe, das an die Mulde stieß, Starb Grolms, ein Bauersmann. Die Witwe freite wieder Den man den kleinen Töffel hieß. Sechs Sommer sind vorbei, als es im Dorfe brannte, Der Knabe war damals gerade sechzehn Jahr, Da man, wiewohl er schon ein großer Junge war, Ihn noch den kleinen Töffel nannte. Nunmehr drasch Töffel auch mit in der Scheune Korn, Zulegt verdroß es ihn, und als zur Kirmeßzeit Die Rache kam ihm zwar ein neues Schock zu steh'n; Und durch das ganze Dorf hört man die Rede geh'n, O, das that Töffeln weh, und er beschloß bei sich, Sich in die Fremde zu begeben. Was, sprach er, kann ich nicht ein Jahr wo anders leben? * Leimbach III, 227. Gleich ging er hin, und ward ein Reiter. Der kleine Töffel geht nach Böhmen mit hinaus. Indessen kriegt der Sachsen Heer Befehl, in Böhmen einzurücken. Nunmehr ist Töffel fort, man spricht von ihm nicht mehr, Vorlängst schon ausgeschwißt. Er wirkt sich Urlaub au Er hörte schon den Klang der nahen Bauerkühe; Je, kleiner Töffel! lebt ihr noch ? |