Page images
PDF
EPUB
[blocks in formation]

Fromm Noah sprach: „Ach lieber Herr,
Das Wasser schmeckt mir gar nicht sehr,
Dieweil darin ersäufet sind

All' fündhaft Vieh und Menschenkind.
D'rum möcht' ich armer, alter Mann
Ein anderweit Getränke ha'n."

Da griff der Herr in's Paradies
Und gab ihm einen Weinstock süß,
Und sprach: „Den sollst du pflegen sehr!“
Und gab ihm guten Rat und Lehr',
Und wies ihm alles so und so,
Der Noah ward ohn' Maßen froh.

Und rief zusammen Weib und Kind,
Darzu sein ganzes Hausgesind',
Pflanzt Weinberg' rings um sich herum;

"

Der Noah war fürwahr nicht dumm!
Baut' Keller dann und preßt den Wein
Und füllt ihn gar in Fässer ein.

Der Noah war ein frommer Mann, Stach ein Faß nach dem andern an, Und trank es aus, zu Gottes Ehr': Das macht' ihm eben kein Beschwer. Er trank, nachdem die Sündflut war, Dreihundert noch und fünfzig Jahr.

Nügliche Lehre.

Ein kluger Mann hieraus ersicht,
Daß Weins Genuß ihm schadet nicht;
Und item, daß ein guter Christ
In Wein niemalen Wasser gießt.
Dieweil darin ersäufet sind

All' fündhaft Vieh und Menschenkind.

Psaumis und Puras.

Wer zuerst gefaßt den Enterhaken,

Wer zuerst in Mehons Schiff gesprungen,
Wer allein ihn in den Grund geschmettert,
Jeder weiß es hier im Volk von Maina.

Komm' nur, Psaumis, komm' und nimm mir, nimm mir
All' die Waffen Mehons! Nimm den Säbel,
Gürt' ihn um dir! Nimm die bunte Flinte!

Nimm das ganze Schiff mir, nimm es, nimm es,
Nimm's und trag' es deinem Weib ins Haus hin!
Nimm ganz Maina, wirf es in den Schoß ihr!
Ruhig werd' ich zuschau'n, ungereget,
Ungeregt wie jener Turm der Klippe.
Doch es wird dereinst sich Puras rächen,

Nicht wie schwache Kinder, nein wie Puras!"

Puras spricht's und wirft die Heldenwaffen,
Die von Gold und Prachtjuwelen schimmern,
Zu den Füßen Psaumis'; der entgegnet :
„Schmähend vor die Füße wirfst du, Puras,
Mir die Waffen, die mit Blut erkämpften,
Die geteilt ich wollte? Wisse, Buras,

So beschmähte Schenkung nimmt kein Psaumis!
Liegen mögen sie am Strand und faulen,
Faulen samt dem Schiff, das wir erbeutet!
Geh' und droh' mir! All' dein Drohen ist mir

Wie die Welle, die vom Stein herabtrieft.

Aber wahr' vor mir dich! Psaumis' Feindschaft

Wird im heilen Leib das Herz dir treffen!"

-

Psaumis spricht es. Trauernd rings umdrängt ihn
Mainas Volk; die Krieger und die Greise

Müh'n umsonst sich ab den Haß zu sühnen.

Auseinander trennen sich die Führer,
Scheiden ihre Krieger, ihre Schiffer;
Und die Beute dort am Ufer lassend,
Wild die Locken schüttelnd, wandeln jezt sie,
Der am Strand hin, der im Myrtenwalde:
Keiner denkt der Seinen, jeder sinnt nur,
Wie er Leid auf Leid am höchsten türme,
Wie den andern er am tiefsten kränke.

Nur gefolgt von zweien seiner Krieger,
Um den Klippenrand hin wandelt Puras:
Fliegt sein Blick hinauf zur Felsentreppe,
Wo aus uneinnehmbar hoher Grotte
Phaumis' junge Gattin niedersteiget;
Niedersteigt sie, allen Streit zu fühnen.
Aber Puras rufet die Gefährten,
Läßt sie rauben, und herabgetragen

In ein Boot sie schleppen, springt hinein dann:
„Schnell hinüber,“ ruft er, „schnell hinüber
Zu der Rhede, zu dem Sklavenkäufer ;
Schwinden wird vor Gram der stolze Psaumis,
Hört er, wie sein Weib als Sklavin dienet!"
Schreien vor Entsezen will die Schöne;

Doch man hält den Dolch ihr dicht ans Auge,
Bis sie stumm wird, gleich dem Bild von Marmor.
Leicht beschwingt von schnellen Ruderschlägen,
Teilt der Kiel die purpurblaue Meerflut.

[blocks in formation]

,,Laß sie schau'n, die du gekauft von Pfaumis!"
,,Schau, sie liegt am Boden hier in Ohnmacht
Bleich von Schrecken; doch sie rötet bald sich,
Wie das Blatt der jungen Frühlingsrose."
Als nun Puras hinschaut, füllt sein Auge
Schwarzes Dunkel, und sein Herz erstarret,
Wie er seine Gattin sieht als Sklavin.
Wo die Seele Puras' war, wer sagt es?
Aber zu sich selber sprach die Seele:
„Wahrlich Psaumis trifft im heilen Leibe
Dir das Herz, wie er vorhin gedrohet!"

Als die Seele Puras' nun zurück kam,
Blickt' er auf, als fänn' er einen Anschlag,
Spricht zum Fremden: „Schön ist die Gekaufte,
Schön, doch die ich bringe dir, nicht minder.
Nimm sie für den Preis, den du geboten !

Mir nicht, — gieb das Gold dort meinen Leuten!"

[blocks in formation]

Als er nun ans Land springt jähen Sprunges, Schnell entgegen kommt ihm, tritt ihm Psaumis. Staunend vor einander steh'n sie, starren Aug' in Aug' sich an. Gedenkend beide, Wie sie sich vordem nur Holdes thaten, Wie sie jezt das Bitterste gethan sich, Starren lange sie, bis beider Augen Sich mit Thränen füllen, bis sie weinen, Bis sie sinken Herz an Herz! Da drängt sich Freudig rings herzu das Volk von Maina. Aber Puras hebt das Haupt und rufet: „Auf nun Psaumis! Auf, ihr meine Freunde! Auf, zu Schiff! Der Fremde spannt die Segel: Zeigen wir ihm schnell ein Schiff von Maina!"

Ha, wie rührt sich alles nun am Strande,
Auf dem Schiff, im Tauwerk, auf den Masten,
Auf den Raaen! Alle Segel fliegen,

Und im Winde schwebt das Schiff; wie Schwalben
Nur der Wogen weiße Spißen rührt es,
Tragend Pjaumis und den kühnen Puras.
Bald erjagen sie des Fremden Fahrzeug,
Rufen schnell hinüber durch das Sprachrohr:
,,Nimm das Gold zurück, das du gezahlet!
Gieb heraus die Frauen, gieb heraus sie!“
Doch der Ueberkühne! nicht mit Worten,
Mit Kanonen donnert er die Antwort.
Ha, wie jagt da das Mainottenschiff ihm
Dicht hinan mit gleichen wilden Donnern!
Es verwickelt sich mit jenes Schnabel ;
Mutig wehrt der Feind sich; doch sein Schiff ist
Bald erklettert und zu Grund geschmettert;
Ueberall hin treiben seine Planken.

Heimwärts mit den Weibern zieh'n die Sieger. Jubellaut empfängt am hohen Strand sie. Und ein Feuer schüren sie am Strande, Mächtig, übergroß und überprächtig ; Puras selbst und Pfaumis tragen Brände, Zu verbrennen jene Feindeswaffen, Mehons Waffen, die den Streit erreget.

schöner Wintersonnenschein,

Old Mütterchen. *)

Du lockst ins Freie groß und klein!
Old Mütterchen läßt man im Haus allein!-
Old Mütterchen zählt an hundert Jahr';
Doch war in die Ferne ihr Blick noch klar.
Ihr Ruhebett war so gestellt,

Daß schauen sie konnt' in Gottes Welt:
Und wie sie so durch's Fenster sah
In die Husumer Bucht, was sah sie da?
Die Ufer waren von Schnee so weiß,
Die See stand fest als blankes Eis,
Und über das weit gefrorne Meer
Jagt' alles auf Schlittschuh'n hin und her;
Ein jeder schwingt sich auf seine Weise,
Die ganze Stadt schien auf dem Eise.
Es war ein Gewimmel und ein Gelauf,
Man stellte Zelt' und Buden auf;
Auch fuhren auf Schlitten die Knaben und
Frauen,

Die waren gepußt wie zum Feste zu schauen.
Das muntre Volk im jubelnden Reigen
Bedünkt Old Mütterchen gar eigen :
Wo neulich noch schlugen und tobten die
Wogen,

Ward wie mit Flügeln auf Spiegeln geflogen,
Wo sonst nur schwammen Schiff und Fische,
Stellte man heute Bänke und Tische,
Man schmauste und trank und sang und
sprang,

Es wurde keinem die Weile lang.
Da dacht' in ihrer Einsamkeit
Old Mütterchen längst vergangner Zeit,
Wo sie die gleiche Lust erfahren,
Eh' sie gelangt zu zitternden Jahren,
Wie mancher junge schmucke Gesell
Sie einst gefahren im Schlitten schnell.
Sie dacht' auch des Gatten und ihrer Knaben,
Die ungestümes Meer begraben,
Wie heimgegangen all' ihre Lieben
Und sie zulezt so einsam blieben.
Da seufzte sie: Gott vergisset mein
Und läßt mich hier ganz seelenallein,
Ich muß hier als ganz unnüz sein,
Den Fremden schaff' ich nur Beschwerden,
Was soll ich noch fürder auf dieser Erden?
Doch wie Old Mütterchen das spricht,
Straft sie ihr Herz: o sündige nicht:
Der Ratschluß Gottes ist verborgen,
Laß ihn allein bestimmen und sorgen.

*) Leimbach III, 171.

In solchen und anderen Gedanken
Blickt weiter sie auf das Schwingen und
Schwanken,

Und spricht zu sich selber: thun doch heute
Als wär' Meer Land die tollen Leute;
Ist wohl so gesichert die weite Fläche,
Daß hie und da das Eis nicht breche?
Und wie sie dem nachsinnt nicht lange,
Pocht ihr das Herz in der Brust so bange,
Als könne solch ein Unglück gescheh'n,
Als solle sie bald Entseßliches seh'n.
Da erblicket sie über dem bunten Gewimmel
In fernster Ferne ein Wölkchen am Himmel,
Ein weißes, und spricht: Das deutet Sturm,
Und niemand läutet doch heut vom Turm.
Kommt Sturm mit der springenden Flut
im Bunde,

Zerbricht er das ganze Eis in der Runde,
Und alle die fröhlichen seligen Leute
Versinken in Schollen und Schäumen heute.
Ich will doch rufen, daß einer warnet,
Eh' alle des Todes Nez umgarnet.
Sie ruft: Jst keiner, der hören will?
Sie ruft; doch alles ist totenstill.
Es ist wohl niemand, niemand im Haus.
Da müht sie sich aus dem Bett heraus
Und kriecht zum Fenster auf Händen und
Füßen,

Da muß der Frost es fest verschließen.
Das Volk darf auf dem Eise nicht bleiben!
Sie hat keine Rast, sie zerschlägt die Scheiben,
Sie ruft hinaus sie winkt sie schreit -
Zu schwach, zu matt! ach, alle sind weit!
Herr Gott, was fang' vor Leid ich an,
Wenn ich das Volk nicht warnen kann;
Die Wolke wird größer, o bange Pein,
Sie werden alle verloren sein;
Ich kenne das Sturmgewölke genau
Als leiderfahr'ne Schiffersfrau.
Allmächtiger Gott! o Herre mein,
Laß hören doch mein schwaches Schrei'n!
Denn zögert das Warnen noch wenig
Minuten,
Versenkt sie alle das Rollen der Fluten.
Da hört sie ein Knabe; doch lacht er und läuft,
Weil, was sie ruft, er nicht begreift.
„Ach, alle, alle eilen nur zur Freude
Und wissen nicht, wie bald zum Leide!
Wie rett' ich, wie helf' ich, Gott, gieb Licht!

« PreviousContinue »