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Zu euch, ihr Inseln! bringt mich vielleicht, zu euch,
Mein Schubgott einst; doch weicht mir aus treuem Sinn
Auch da mein Neckar nicht mit seinen

Lieblichen Wiesen und Uferweiden.

Die Heimat.

Froh kehrt der Schiffer heim an den stillen Strom,
Von Inseln fernher, wenn er geerntet hat;
So täm' auch ich zur Heimat, hätt' ich
Güter so viele, wie Leid geerntet.

Jhr teuern Ufer, die mich erzogen einst,
Stillt ihr der Liebe Leiden, versprecht ihr mir
Ihr Wälder meiner Jugend, wenn ich

Komme, die Ruhe noch einmal wieder?

Am kühlen Bache, wo ich der Wellen Spiel,
Am Strome, wo ich gleiten die Schiffe sah,
Dort bin ich bald; euch, traute Berge,

Die mich behüteten einst, der Heimat

Verehrte sich're Grenzen, der Mutter Haus,
Und liebender Geschwister Umarmungen

Begrüß' ich bald, und ihr umschließt mich,
Daß, wie in Banden, das Herz mir heile.
Jhr treu geblieb'nen! aber ich weiß, ich weiß,
Der Liebe Leid, dies heilet so bald mir nicht,
Dies singt kein Wiegensang, den tröstend
Sterbliche singen, mir aus dem Busen.
Denn sie, die uns das himmlische Feuer leih'n,
Die Götter schenken heiliges Leid uns auch.
Drum bleibe dies. Ein Sohn der Erde
Bin ich, zu lieben gemacht, zu leiden.

Rückkehr in die Heimat.*)

1801.

Ihr milden Lüfte, Boten Italiens,

Und du mit deinen Pappeln, geliebter Strom!
Jhr wogenden Gebirg'! o all' ihr

Sonnigen Gipfel! so seid ihr's wieder?

Du stiller Ort! in Träumen erschienst du fern,
Nach hoffnungslosem Tage dem Sehnenden,
Und du, mein Haus, und ihr Gespielen,
Bäume des Hügels, ihr wohlbekannten!

Wie lang' ist's, o wie lange! des Kindes Ruh'
Ist hin, und hin ist Jugend und Lieb' und Glüd,
Doch du, mein Vaterland, du Heilig-

*) Leimbach III, 52.

Duldendes, siehe, du bist geblieben!

Und darum, daß sie dulden mit dir, mit dir
Sich freu'n, erziehst du, Teures! die Deinen auch,
Und mahnst in Träumen, wenn sie ferne
Schweifen und irren, die Ungetreuen.

Und wenn im heißen Busen dem Jünglinge
Die eigenmächt'gen Wünsche besänftiget
Und stille vor dem Schicksal sind, dann
Giebt der Geläuterte dir sich lieber.

Lebt wohl denn, Jugendtage, du Rosenpfad
Der Lieb', und all' ihr Pfade des Wanderers,
Lebt wohl! und nimm und segne du mein
Leben, o Himmel der Heimat, wieder!

Der Wanderer.*)

Einsam stand ich und sah in die afrikanischen dürren
Eb'nen hinaus; vom Olymp regnete Feuer herab.
Fernhin schlich das hag're Gebirg', wie ein wandelnd Gerippe,
Hohl und einsam und kahl blickt aus der Höhe sein Haupt.
Ach! nicht sprang, mit erfrischendem Grün, der quellende Wald hier
In die fäuselnde Luft üppig und herrlich empor,

Bäche stürzten hier nicht in melodischem Fall vom Gebirge,

Durch das blühende Thal schlingend den silbernen Strom,
Keiner Herde verging am plätschernden Brunnen der Mittag,
Freundlich aus Bäumen hervor blickte kein wirtliches Dach.
Unter dem Strauche saß ein ernster Vogel gesanglos,

Aengstig und eilend flohn wandernde Störche vorbei.
Nicht um Wasser rief ich dich an, Natur, in der Wüste,
Wassers bewahrte mir treulich das fromme Kamel,
Um der Haine Gesang, um Gestalten und Farben des Lebens
Bat ich, vom lieblichen Glanz heimischer Fluren verwöhnt.
Aber ich bat umsonst; du erschienst mir feurig und herrlich,

Aber ich hatte dich einst göttlicher, schöner gesehn.
Auch den Eispol hab' ich besucht; wie ein starrendes Chaos
Türmte das Meer sich da schrecklich zum Himmel empor.
Tot in der Hülle von Schnee schlief hier das gefesselte Leben,
Und der eiserne Schlaf harrte des Tages umsonst.

Ach! nicht schlang um die Erde den wärmenden Arm der Olymp hier
Wie Pygmalions Arm um die Geliebte sich schlang.

Hier bewegt' er ihr nicht mit dem Sonnenblicke den Busen,
Und in Regen und Tau sprach er nicht freundlich zu ihr.
Mutter Erde! rief ich, du bist zur Witwe geworden,

Dürftig und kinderlos lebst du in langsamer Zeit.
Nichts zu erzeugen und nichts zu pflegen in sorgender Liebe,
Alternd im Kinde sich nicht wiederzusehn, ist der Tod.
Aber vielleicht erwarmst du dereinst am Strahle des Himmels,
Aus dem dürftigen Schlaf schmeichelt sein Odem dich auf;
Und, wie ein Samenkorn, durchbrichst du die eherne Hülse,
Und die knospende Welt windet sich schüchtern heraus.

*) Leimbach III, 55.

Deine gesparte Kraft flammt auf in üppigem Frühling,

Rasen glühen und Wein sprudelt im kärglichen Nord.
Aber jezt kehr' ich zurück an den Rhein, in die glückliche Heimat,
Und es wehen wie einst, zärtliche Lüfte mich an.

Und das strebende Herz besänftigen mir die vertrauten

Friedlichen Bäume, die einst mich in den Armen gewiegt, Und das heilige Grün, der Zeuge des ewigen, schönen

Lebens der Welt, es erfrischt, wandelt zum Jüngling mich um. Alt bin ich geworden indes, mich bleichte der Eispol,

Und im Feuer des Süds fielen die Locken mir aus.
Doch wie Aurora den Tithon, umfängst du in lächelnder Blüte
Warm und fröhlich, wie einst, Vaterlandserde, den Sohn.
Seliges Land! kein Hügel in dir wächst ohne den Weinstock,
Nieder ins schwellende Gras regnet im Herbste das Obst.
Fröhlich baden im Strome den Fuß die glühenden Berge,

Kränze von Zweigen und Moos kühlen ihr sonniges Haupt.
Und, wie die Kinder hinauf zur Schulter des herrlichen Ahnherrn,
Steigen am dunkeln Gebirg' Vesten und Hütten hinauf.
Friedsam geht aus dem Walde der Hirsch an's freundliche Tagslicht;
Hoch in heiterer Luft siehet der Falke sich um.

Aber unten im Thal, wo die Blume sich nährt von der Quelle,
Streckt das Dörfchen vergnügt über die Wiese sich aus.

Still ist's hier; kaum rauscht von fern die geschäftige Mühle,

Und vom Berge herab knarrt das gefesselte Rad.

Lieblich tönt die gehämmerte Sens' und die Stimme des Landmanns, Der am Pfluge dem Stier, lenkend, die Schritte gebeut,

Lieblich der Mutter Gesang, die im Grase sigt mit dem Söhnlein, Das die Sonne des Mai's schmeichelt in lächelnden Schlaf. Aber drüben am See, wo die Ulme das alternde Hofthor

Uebergrünt und den Zaun wilder Holunder umblüht,

Da umfängt mich das Haus und des Gartens heimliches Dunkel, Wo mit den Pflanzen mich einst liebend mein Vater erzog, Wo ich froh, wie das Eichhorn, spielt' auf den lispelnden Aesten, Oder ins duftende Heu träumend die Stirne verbarg. Heimatliche Natur! wie bist du treu mir geglieben!

Zärtlichpflegend, wie einst, nimmst du den Flüchtling noch auf. Noch gedeih'n die Pfirsiche mir, noch wachsen gefällig

Mir an's Fenster, wie sonst, köstliche Trauben herauf.

Lockend röten sich noch die süßen Früchte des Kirschbaums,
Und der pflückenden Hand reichen die Zweige sich selbst.
Schmeichelnd zicht mich, wie sonst, in des Walds unendliche Laube
Aus dem Garten der Pfad, oder hinab an den Bach,
Und die Pfade rötest du mir, es wärmt mich und spielt mir
Um das Auge, wie sonst, Vaterlandssonne! dein Licht;

Feuer trink' ich und Geist aus deinem freudigen Kelche,

Schläfrig lässest du nicht werden mein alterndes Haupt.
Die du einst mir die Brust erwecktest vom Schlafe der Kindheit
Und mit sanfter Gewalt höher und weiter mich triebst,
Mildere Sonne! zu dir kehr' ich getreuer und weiser,

Friedlich zu werden und froh unter den Blumen zu ruhn.

An die Natur.

Da ich noch um deinen Schleier spielte, Noch an dir wie eine Blüte hing, Noch dein Herz in jedem Laute fühlte, Der mein zärtlich bebend Herz umfing, Da ich noch mit Glauben und mit Sehnen Reich, wie du, vor deinem Bilde stand, Eine Stelle noch für meine Thränen, Eine Welt für meine Liebe fand,

Da zur Sonne noch mein Herz sich wandte, Als vernähme seine Töne sie, Und die Sterne seine Brüder nannte Und den Frühling Gottes Melodie, Da im Hauche, der den Hain bewegte, Noch dein Geist, dein Geist der Freude sich In des Herzens stiller Welle regte, Da umfingen gold'ne Tage mich.

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Oft verlor ich da mit trunk'nen Thränen Liebend, wie nach langer Jrre sich In den Ocean die Ströme sehnen, Schöne Welt, in deiner Fülle mich; Ach! da stürzt' ich mit den Wesen allen Freudig aus der Einsamkeit der Zeit, Wie ein Pilger in des Vaters Hallen, In die Arme der Unendlichkeit.

Seid gesegnet, gold'ne Kinderträume, Ihr verbargt des Lebens Armut mir, Ihr erzogt des Herzens gute Keime, Was ich nie erringe, schenktet ihr! O Natur! an deiner Schönheit Lichte, Ohne Müh' und Zwang entfalteten! Sich der Liebe königliche Früchte, Wie die Ernten in Arkadien.

Tot ist nun, die mich erzog und stillte, Tot ist nun die jugendliche Welt, Diese Brust, die einst ein Himmel füllte, Tot und dürftig, wie ein Stoppelfeld; Ach! es singt der Frühling meinen Sorgen Noch, wie einst, ein freundlich tröstend Lied, Aber hin ist meines Lebens Morgen, Meines Herzens Frühling ist verblüht.

Ewig muß die liebste Liebe darben, Was wir lieben, ist ein Schatten nur, Da der Jugend gold'ne Träume starben, Starb für mich die freundliche Natur; Das erfuhrst du nicht in frohen Tagen, Daß so ferne dir die Heimat liegt, Armes Herz, du wirst sie nie erfragen, Wenn dir nicht ein Traum von ihr genügt.

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Hölty's Gedichte mit Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von Karl Halm, Leipzig 1870.

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