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Rapp'! Rapp'! Mich dünkt, der Hahn
schon rust

Bald wird der Sand verrinnen. `-
Rapp'! Rapp'! ich wittre Morgenluft
Rapp'! tummle dich von hinnen!
Völlbracht, vollbracht ist unser Lauf;
Das Hochzeitbette thut sich auf!
Die Toten reiten schnelle!
Wir sind, wir sind zur Stelle.“

Rasch auf ein eisern Gitterthor
Ging's mit verhängtem Zügel:
Mit schwanker Gert ein Schlag davor
Zersprengte Schloß und Riegel.
Die Flügel flogen klirrend auf,
Und über Gräber ging der Lauf;
Es blinken Leichensteine
Rundum im Mondenscheine.

Ha fieh'! Ha fieh'! im Augenblick -
Huhu! ein gräßlich Wunder!
Des Reiters Koller, Stück für Stück,
Fiel ab, wie mürber Zunder.
Zum Schädel ohne Zopf und Schopf,
Zum nackten Schädel ward sein Kopf;
Sein Körper zum Gerippe

Mit Stundenglas und Hippe.

Geduld! Geduld! Wenn's Herz auch bricht!

Mit Gott im Himmel hadre nicht!
Des Leibes bist du ledig:
Gott sei der Seele gnädig!“

Das Lied vom braven Mann.*)

1776.

Hoch klingt das Lied vom braven Mann, Wie Orgelton und Glockenklang. Wer hohes Muts sich rühmen kann, Den lohnt nicht Gold, den lohnt Gesang. Gottlob! daß ich singen und preisen kann, Zu singen und preisen den braven Mann,

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Am Hochgebirge schmolz der Schnee;
Der Sturz von tausend Wassern scholl;
Das Wiesenthal begrub ein See;
Des Landes Heerstrom wuchs und schwoll;
Hoch rollten die Wogen entlang ihr Gleis
Und rollten gewaltige Felsen Eis.

Auf Pfeilern und auf Bogen schwer,
Aus Quadersteinen von unten auf,
Lag eine Brücke d'rüber her;

Und mitten stand ein Häuschen d'rauf.
Hier wohnte der Zöllner mit Weib und

Kind.

Hoch bäumte sich, wild schnob der Rapp', Zöllner!o Zöllner !entsleuch geschwind!"

Und sprühte Feuerfunken:
Und hui! war's unter ihr hinab
Verschbünden und versunken.
Geheul, Geheul aus hoher Luft,
Gewinsel kam aus tiefer Gruft;
Lenorens Herz, mit Beben,
Rang zwischen Tod und Leben.

Nun tanzten wohl bei Mondenglanz
Rundum herum im
Kreise

Die Geister einen Kettentanz
Und heulten diese Weise:

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Sag' an, war das nicht brav gemeint?
Bei Gott! der Graf trug hohen Sinn.
Doch höher und himmlischer, wahrlich! schlug
Das Herz, das der Bauer im Kittel trug.

„Mein Leben ist für Gold nicht feil.
Arm bin ich zwar, doch ess' ich satt.
Dem Zöllner werd' eu'r Gold zu teil,
Der Hab' und Gut verloren hat!"
So rief er mit herzlichem Biederton
Und wandte den Rücken und ging davon.

Hoch klingst du, Lied vom braven Mann,
Wie Orgelton und Glockenklang!
Wer solches Muts sich rühmen kann,
Den lohnt nicht Gold, den lohnt Gesang.
Gottlob! daß ich singen und preisen kann,
Unsterblich zu preisen den braven Mann.

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"

Willkommen hier zu rechter Frist! Willkommen zu der edlen Jagd! Auf Erden und im Himmel ist Kein Spiel, das lieblicher behagt!" Er rief's, schlug laut sich an die Hüfte Und schwang den Hut hoch in die Lüfte.

„Schlecht stimmet deines Hornes Klang,“ Sprach der zur Rechten, sanften Muts, ...Zu Feiergloc' und Chorgesang. Kehr' um! Erjagst dir heut' nicht's Gut's. Laß dich den guten Engel warnen Und nicht vom Böjen dich umgarnen!"

Jagt zu, jagt zu, mein edler Herr!" Fiel rasch der linke Reiter d'rein, Was Glockenklang? Was Chorgeplärr? Die Jagdlust mag, euch baß erfreu'n! Laßt mich, was fürstlich ist, euch lehren Und euch von jenem nicht bethören!“

-

„Ha! Wohl gesprochen, linker Mann! Du bist ein Held nach meinem Sinn. Wer nicht des Waidwerks pflegen kann, Der scher' ans Pater noster hin! Mag's, frommer Narr, dich baß verdrießen, So will ich meine Lust doch büßen!“

Und hurre, hurre, vorwärts ging's, Feld ein und aus, Berg ab und an. Stets ritten Reiter rechts und links Zu beiden Seiten neben an. Auf sprang ein weißer Hirsch von ferne Mit sechzehnzadigem Gehörne.

Und lauter stieß der Graf ins Horn, Ünd rascher flog's zu Fuß und Roß; Und nd sieh'! bald hinten und bald vorn Stürzt einer tot dahin vom Troß. „Laß stürzen! Laß zur Hölle stürzen! Das darf nicht Fürstenlust verwürzen!"

Das Wild duckt sich in's Aehrenfeld Und hofft da sichern Aufenthalt. Sieh' da! Ein armer Landmann stellt Sich dar in kläglicher Gestalt. ,,Erbarmen, lieber Herr, Erbarmen! Verschont den sauren Schweiß des Armen!“

Der rechte Ritter sprengt heran Und warnt den Grafen sanft und gut; Doch baß hezt ihn der linke Mann Zu schadenfrohem Frevelmut. Der Graf verschmäht des Rechten Warnen Und läßt vom Linken sich umgarnen.

„Hinweg, du Hund!" schnaubt fürchterlich Der Graf den armen Pflüger an; „Sonst hez' ich selbst, beim Teufel! dich. Halloh, Gesellen, drauf und dran!' Zum Zeichen, daß ich wahr geschworen, Knallt ihm die Peitschen um die Ohren!"

Gesagt, gethan! Der Wildgraf schwang Sich übern Hagen rasch voran Und hinterher, bei Knall und Klang, Der Troß mit Hund und Roß und Mann. Und Hund und Mann und Roß zeritampfte Die Halmen, daß der Acker dampfte.

Göinger I, 261 ff. Gude I, 127 ff. Lüben und Nade II, 180 ff. Pröhle, S. 124. Leimbach I, 47 ff. Friedrich Otto, Anleitung zur Behandlung des Lesebuchs, Erfurt und Leipzig 1857, S. 236 ff.

Vom nahen Lärm emporgescheucht, Feldein und aus, bergab und an Gesprengt, verfolgt, doch unerreicht Ereilt das Wild des Angers Plan Und mischt sich da, verschont zu werden, Schlau mitten zwischen zahme Herden.

Doch hin und her, durch Flur und Wald,
Und her und hin, durch Wald und Flur,
Verfolgen und erwittern bald
Die raschen Hunde seine Spur.
Der Hirt, voll Angst für seine Herde,,
Wirst vor dem Grafen sich Erde.
jur

,,Erbarmen, Herr, Erbarmen! Laßt
Mein armes, stilles Vieh in Ruh'!
Bedenket, lieber Herr, hier graft
So mancher armen Witwe Kuh.
Ihr Eins und Alles spart der Armen!
Erbarmen, lieber Herr, Erbarmen!“

Der rechte Ritter sprengt heran
Und warnt den Grafen sanft und gut.
Doch baß hezt ihn der linke Mann
Zu schadenfrohem Frevelmut.
Der Graf verschmäht des Rechten Warnen
Und läßt vom Linken sich umgaṛnen.

,,Verweg'ner Hund, der du mir wehrst!
Ha, daß du deiner besten Kuh .
Selbst um und angewachsen wärst,`
Und jede Vettel noch dazu!

So sollt' es baß mein Herz ergößen,
Euch stracks ins Himmelreich zu heßen.

Halloh, Gesellen, drauf und dran!
Jo! Doho! Hussasasa!“
Und jeder Hund fiel wütend an,
Was er zunächst vor sich ersah.
Bluttriefend sank der Hirt zur Erde,
Bluttriefend Stück für Stück die Herde.

Dem Mordgewühl entrafft sich kaum
Das Wild mit immer schwächerm Lauf.
Mit Blut besprengt, bedeckt mit Schaum,
Nimmt jest des Waldes Nacht es auf.
Tief birgt sich's in
des Waldes Mitte
In eines Klausners Gotteshütte.

Risch ohne Rast mit Peitschenknall,
Mit Horridoh und Hussasa
Und Kliff und Klaff und Hörnerschall
Verfolgt's der wilde Schwarm auch da.
Entgegen tritt mit sanfter Bitte
Der fromme Klausner vor die Hütte.

„Laß ab, laß ab von dieser Spur!
Entweihe Gottes Freistatt nicht!
Zum Himmel ächzt die Kreatur
Und heischt von Gott dein Strafgericht.
Zum leztenmale laß dich warnen,
Sonst wird Verderben dich umgarnen!“

Der Rechte sprengt besorgt heran
Und warnt den Grafen sanft und gut,
Doch baß hezt ihn der linke Mann
Zu schadenfrohem Frevelmut/
Und wehe, troß des Rechten Warnen
Läßt er vom Linken sich umgarnen.

„Verderben hin, Verderben her!
Das," ruft er,,,macht mir wenig Graus.
Und wenn's im dritten Himmel wär',
So acht' ich's keine Fledermaus.
Mag's Gott und dich, du Narr, verdrießen,
So will ich meine Lust doch büßen!"

Er schwingt die Peitsche, stößt ins Horn: Halloh, Gesellen, drauf und dran!" Hui, schwinden Mann und Hütte vorn, Und hinten schwinden Roß und Mann; Und Knall und Schall und Jagdgebrülle Verschlingt auf einmal Totenstille.

Erschrocken blickt der Graf umher; Er stößt ins Horn, es tönet nicht; Er ruft und hört sich selbst nicht mehr, Der Schwung der Peitsche sauset nicht; Er spornt sein Roß in beide Seiten Und kann nicht vor-, nicht rückwärts reiten.

Drauf wird es düster um ihn her Und immer düstrer, wie ein Grab. Dumpf rauscht es, wie ein fernes Meer. Hoch über seinem Haupt herab Ruft furchtbar mit Gewittergrimme Dies Urteil eine Donnerstimme:

,,Du Wütrich, teuflischer Natur, Frech gegen Gott und Mensch und Tier! Das Ach und Weh der Kreatur Und deine Missethat an ihr Hat laut dich vor Gericht gefodert, Wo hoch der Rache Fackel lodert.

Fleuch, Unhold, fleuch, und werde jezt, Von nun an bis in Ewigkeit, Von Höll' und Teufel selbst gehebt! Zum Schreck der Fürsten jeder Zeit, Die, um verruchter Lust zu frohnen, Nicht Schöpfer, noch Geschöpf verschonen!"

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