Des Ostens warme Sternennacht, Der Blumengärten Farbenpracht,
Des Frühlings Lust und Blütendrang, Die bergumragte Kyrosstadt, Die Majestät des Ararat, Soll auferstehen im Gesang; Gebirge, die zum Himmel steigen, Bergströme, die zu Thale springen, Der jungen Mädchen Tanzesreigen, Wenn wild der Tschengjir Saiten klingen.
, diese wilden Klangesgrüße,
Sie sind mir tief ins Herz gedrungen, Und diese jungfräulichen Füße Mir im Gedächtnis nachgesprungen. Und alles, was ich recht verstand, Und was ich schön und nüglich fand, Das führ' ich jezt an meiner Hand Heim in mein deutsches Vaterland.
Nicht mit Engeln im blauen Himmelszelt, Nicht mit den Rosen auf duft’gem Blumenfeld, Selbst mit der ewigen Sonne Licht Vergleich' ich Zuleikha, mein Mädchen, nicht!
Denn der Engel Busen ist liebeleer, Unter Rosen drohen die Dornen her, Und die Sonne verhüllt des Nachts ihr Licht: Sie alle gleichen Zuleikha nicht!
Nichts finden, so weit das Weltall reicht, Die Blicke, was meiner Zuleikha gleicht -- Schön, dornlos, voll ewigem Liebesschein, Kann sie mit sich selbst nur verglichen sein!
Wenn der Frühling auf die Berge steigt Und im Sonnenstrahl der Schnee zerfließt, Wenn das erste Grün am Baum sich zeigt Und im Gras das erste Blümlein sprießt — Wenn vorbei im Thal
Nun mit einem Mal Alle Regenzeit und Winterqual, Schallt es von den Höh'n Bis zum Thale weit: C, wie wunderschön Ist die Frühlingszeit!
Wenn am Gletscher heiß die Sonne leckt, Wenn die Quelle von den Bergen springt, Alles rings mit jungem Grün sich deckt Und das Lustgetön der Wälder klingt — Lüfte lind und lau
Würzt die grüne Au,
Und der Himmel lacht so rein und blau,
Nie kampflos wird dir ganz Das Schöne im Leben geglückt sein; Selbst Diamantenglanz Will seiner Hülle entrückt sein.
Und windest du einen Kranz, Jede Blume dazu will gepflückt sein.
Vergebens wird die rohe Hand Am Schönen sich vergreifen: Man kann den einen Diamant Nur durch den andern schleifen.
Willst Welt und Menschen recht verstehn, Mußt du ins eigne Herz dir sehn. Willst du dich selbst recht kennen lernen, Mußt du dich aus dir selbst entfernen.
Sammle dich zu jeglichem Geschäfte, Nie zersplittre deine Kräfte! Teilnahmvoll erschließe Herz und Sinn, Daß du freundlich andern dich verbindest Doch nur da gieb ganz dich hin, Wo du ganz dich wiederfindest!
Was ist der Wuchs der Pinie, das Auge der Gazelle Wohl gegen deinen schlanken Wuchs und deines Auges Helle? Was ist der Duft, den Schiras Flur uns herhaucht mit den Winden, Verglichen mit der Düfte Hauch, die deinem Mund entschwinden?
Was ist Ghasel und Rubajat, wie Hafis uns gesungen,
Wohl gegen Eines Wortes Ton, aus deinem Mund erklungen? Was ist der Rosen Blütenkelch, dran Nachtigallen nippen, Wohl gegen deinen Rosenmund und deine Rosenlippen? Was ist die Sonne, was der Mond, was alle Himmelssterne? Sie glühen, zittern nur für dich, liebäugeln aus der Ferne! Was bin ich selbst, was ist mein Herz, was meines Liedes Töne? Als Sklaven deiner Herrlichkeit, Lobsinger deiner Schöne!
Germania auf dem Niederwald. 28. Sept. 1883.
Wie wogt es herbei von Süd und Nord Zum Rheine, wo festlich heut' prangt jeder Ort! Zu Land und zu Wasser zieht jung und alt Nach Rüdesheim hin, zum Niederwald.
Dort blickt mit vorgebeugtem Leib . Vom hohen Hügel ein hohes Weib, Ein Heldenweib, wie man keines sah, Eh' du erstandest, Germania!
Stolz sind deine Züge, doch rein und mild, Keiner Lurlei gleich und keiner Brunhild: Du lockst nicht auf Bahnen verderblichen Glücks Und triffst deine Feinde nicht hinterrücks.
In offenem Kampf gewannst du das Gut, Das du friedlich bewahrst in treuer Hut, Doch furchtlos blickt dein Angesicht: Weh' jedem, der deinen Frieden bricht!
Erhaben ragt deine Herrschergestalt,
Der Nacken vom üppigen Haupthaar umwallt, In der Linken gesenkt das gewaltige Schwert, In der Rechten die Krone, zum Himmel gekehrt.
Die Kaiserkrone, des Sieges Preis, Du hast sie errungen dem Heldengreis, Der in dir selbst heut sieht enthüllt, Was er einst verheißen und treu erfüllt.
Fest steht dein Fuß auf steinernem Bau, Tief unter dir zeigst Du ergreifende Schau: Wo als wäre zu Erz geworden das Lied Die Wacht am Rhein zum Kampfe zieht.
Zu Rosse der König voran im Feld,
Ihm zur Linken und Rechten manch wackrer Held, Manch fürstliches Haupt, auch mancher Mann, Der, groß zu werden, erst klein begann.
Auf Bergesrücken am Waldessaum,
Am hellen Tag ist's wie im Traum,
So viel Fürsten und Feldherr'n sind heute da Zu deiner Feier, Germania.
Sie kommen und bringen dir ihren Gruß, Und du zeigst ihnen zu deinem Fuß
Ihr eigenes Bild in dauerndem Erz,
Und mächtig pocht bei dem Blick das Herz.
Denn das Erzbild ruft dem Urbild zu: Ich lebe durch dich, und durch mich lebst du! Wohl mancher fehlt, den das Grab schon deckt, Der in Stein und Erz noch Bewund'rung weckt.
Denn eine vergängliche Bilderflut
Ist alles Leben von Fleisch und Blut, Doch zu höherem Leben der Geist entschwebt, Der zum Licht aus der Hülle von Staub sich hebt.
Alles sichtbare Sein ist nur Schatten und Schein, Doch es redet der Geist auch aus Erz und Stein. O, sei uns immer im Geiste nah,
Wie heut im Bilde, Germania!
Gottfried Auguft Bürger."
(Geschichte der deutschen National-Litteratur § 47.)
Lenore fuhr ums Morgenrot Empor aus schweren Träumen: ,,Bist untreu, Wilhelm, oder tot? Wie lange willst du säumen?" Er war mit König Friedrichs Macht Gezogen in die Prager Schlacht Und hatte nicht geschrieben, Ob er gesund geblieben.
Der König und die Kaiserin, Des langen Haders müde, Erweichten ihren harten Sinn Und machten endlich Friede;
Und jedes Heer mit Sing und Sang, Mit Paukenschlag und Kling und Klang, Geschmückt mit grünen Reisern, Zog heim zu seinen Häusern.
Und überall, allüberall, Auf Wegen und auf Stegen; Zog jung und alt dem Jubelschall Der Kommenden entgegen. Gottlob! rief Kind und Gattin laut, Willkommen! manche frohe Braut. Ach! aber für Lenoren
War Gruß und Kuß verloren.
*) Bürgers Gedichte, mit Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von Julius Tittmann, Leipzig Heinrich Pröhle, Bürger, sein Leben und seine Dichtungen, Leipzig 1856.
**) May Wilhelm Gösinger, deutsche Dichter erläutert, 3. Aufl. 2 Teile. 1857. (Bürgers Lenore erläutert I, 176 ff.) Gude, Erläuterungen I, 107 ff. Lüben und Nade II, 189 ff. - Wilhelm Wackernagel, Kaffel 1835 (Programm). Pröhle S. 77 ff. Karl Ludwig Leimbach, ausgewählte deutsche Dichtungen erläutert, 2. Auflage, 4 Teile, Kassel, Theodor Kay 1878-1880. (Bürgers Lenore erläutert I, 58 ff.)
Sie frug den Zug wohl auf und ab Und frug nach allen Namen. Doch keiner war, der Kundschaft gab, Von allen, so da kamen.
Als nun das Heer vorüber war, Zerraufte sie ihr Ravenhaar Und warf sich hin zur Erde Mit wütiger Geberde.
Die Mutter lief wohl hin zu ihr: „Ach, daß sich Gott erbarme! Du trautes Kind, was ist mit dir?" Und schloß sie in die Arme. „O Mutter, Mutter! hin ist hin! Nun fahre Welt und alles hin! Bei Gott ist kein Erbarmen.
weh, o weh mir Armen!“
„Hilf, Gott, hilf! Sieh' uns gnädig an! Kind, bet' ein Vaterunser; Was Gott thut, das ist wohlgethan. Gott, Gott erbarmt sich unser!"
O Mutter, Mutter! Eitler Wahn! Gott hat an mir nicht wohlgethan. Was half, was half mein Beten? Nun ist's nicht mehr vonnöten."
„Hilf, Gott, hilf! Wer den Vater kennt, Der weiß, er hilft den Kindern. Das hochgelobte Sakrament Wird deinen Jammer lindern.“
,, Mutter! Mutter! was mich brennt, Das lindert mir kein Sakrament! Kein Sakrament mag Leben Den Toten wiedergeben."
„Hör', Kind! Wie, wenn der falsche Mann
Im fernen Ungerlande Sich seines Glaubens abgethan Zum neuen Ehebande?
Laß fahren, Kind, sein Herz dahin! Er hat es nimmermehr Gewinn! Wann Seel' und Leib sich trennen, Wird ihn sein Meineid brennen.“
„O Mutter, Mutter! Hin ist hin! Verloren ist verloren!
Der Tod, der Tod ist mein Gewinn!
wär' ich nie geboren!
Lisch aus, mein Licht, auf ewig aus! Stirb hin! stirb hin in Nacht und Graus! Bei Gott ist kein Erbarmen.
weh, o weh mir Armen!"
„Hilf, Gott, hilf! Geh nicht ins Gericht Mit deinem armen Kinde!
Sie weiß nicht, was die Zunge spricht; Behalt' ihr nicht die Sünde! Ach, Kind, vergiß dein irdisch Leid, Und dent' an Gott und Seligkeit, So wird doch deiner Seelen Der Bräutigam nicht fehlen!“
O Mutter! was ist Seligkeit? Mutter! was ist Hölle?
Bei ihm, bei ihm ist Seligkeit, Und ohne Wilhelm Hölle!
Lisch aus, mein Licht, auf ewig aus! Stirb hin, stirb hin in Nacht und Graus! Ohn' ihn mag ich auf Erden, Mag dort nicht selig werden!"
So wütete Verzweifelung Ihr in Gehirn und Adern. Sie fuhr mit Gottes Vorsehung Vermessen fort zu hadern, Zerschlug den Busen und zerrang Die Hand bis Sonnenuntergang, Bis auf am Himmelsbogen Die goldnen Sterne zogen.
Und außen, horch! ging's trapp, trapp,
Als wie von Rosses Hufen; Und klirrend stieg ein Reiter ab An des Geländers Stufen.
Und horch! und horch! den Pfortenring Ganz lose, leise, klinglingling! Dann kamen durch die Pforte Vernehmlich diese Worte:
,,Holla! holla! thu' auf, mein Kind! Schläfst, Liebchen, oder wachst du? Wie bist noch gegen mich gesinnt? Und weinest oder lachst du?"
„Ach, Wilhelm, du? ... so spät bei Nacht? Geweinet hab' ich und gewacht; Ach, großes Leid erlitten! Wo kommst du hergeritten?"
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