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Ich hör' es wohl, es rufen die Partei'n: „Komm' her, und woll' uns endlich angehören; Der rüst'ge Harfner sei zu unsern Chören,

Und schling' als Kranz dein Lied um unsern Wein!"

Mein ewig Echo bleibt ein ruhig: Nein,
Denn zu der Fahnen keiner kann ich schwören:
Den Gott im Busen darf kein Schlagwort stören,
Ich folge meinem Stern und geh' allein.

Dem Wandrer bin ich gleich am Felsenhang,
Dem schroff die Wand sich türmt zur rechten Seite,
Zur Linken braust der See mit dumpfem Klang.

Doch rühr' ich fromm die Saiten, wie ich schreite,
Und oftmals will's mir däuchten beim Gesang,
Daß mich wie Kaiser Mar ein Engel leite.

An König Wilhelm.

Mit festlich tiefem Frühgeläute
Begrüßt Dich bei des Morgens Strahl,
Begrüßt, o Herr, in Ehrfurcht heute
Dich uns're Stadt zum ersten Mal.
Dem hohen Schirmvogt ihr Willkommen
Neidlosen Jubels bringt sie dar,
Die selbst in Zeiten längst verglommen
Des alten Nordbunds Fürstin war.

Das Banner, das in jenen Tagen
Den Schwestern all' am Ostseestrand
Sie kühngemut vorangetragen,
Hoch flattert's nun in Deiner Hand,
In Deiner Hand, die auserkoren
Vom Herrn der Herr'n, dem sie vertraut,
Das Heiligtum, das wir verloren,
Das Deutsche Reich uns wieder baut.

Schon ragt bis zu des Maines Borden
Das Werk, darob Dein Adler wacht:
Versammelnd alle Stämm' im Norden,
Die Riesenveste deutscher Macht.
Und wie auch wir das Banner pflanzen,
Das dreifach prangt in Farbenglut,
Durchströmt uns im Gefühl des Ganzen
Verjüngte Kraft, erneuter Mut.

Im engen Bett schlich unser Leben
Vereinzelt, wie der Bach im Sand;
Da hast Du, was gebrach, gegeben,
Den Glauben an ein Vaterland.
Das schöne Recht, uns selbst zu achten,
Das uns des Auslands Hohn verschlang,
Hast Du im Donner Deiner Schlachten
Uns heimgekauft, o habe Dank!

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Nun weht von Türmen, flaggt von Masten
Das deutsche Zeichen allgeehrt,
Von ihm geschirmt nun bringt die Lasten
Der Schiffer froh zum Heimatsherd.
Nun mag am harmlos rüst'gen Werke
Der Kunstfleiß schaffen unverzagt,
Denn Friedensbürgschaft ist die Stärke,
An die kein Feind zu rühren wagt.

*) Gude IV, 375.

Drum Heil mit Dir und Deinem Throne!
Und flicht als grünes Eichenblatt
In Deine Gold- und Lorbeerkrone
Den Segensgruß der alten Stadt!
Und sei's als letter Wunsch gesprochen,
Daß noch dereinst Dein Aug' es sieht,
Wie über's Reich ununterbrochen
Von Fels zum Meer Dein Adler zieht.

Kriegslied.*)

1870.

Empor, mein Volk! Das Schwert zur Hand,
Und brich hervor in Haufen!
Vom heil'gen Zorn ums Vaterland
Mit Feuer laß Dich taufen!

Der Erbfeind beut Dir Schmach und Spott,
Das Maß ist voll, zur Schlacht mit Gott!
Vorwärts!

Dein Haus in Frieden auszubau’n,
Stand all' Dein Sinn und Wollen,
Da bricht den Hader er vom Zaun,
Von Gift und Neid geschwollen.
Komm' über ihn und seine Brut
Das frevelhaft vergos'ne Blut!
Vorwärts!

Wir träumen nicht von raschem Sieg,
Von leichten Ruhmeszügen;
Ein Weltgericht ist dieser Krieg,
Und stark der Geist der Lügen.
Doch der einst uns'rer Väter Burg,
Getrost, er führt auch uns hindurch.
Vorwärts!

Schon läßt er klar bei Tag und Nacht
Uns seine Zeichen schauen;
Die Flammen hat er angefacht
In allen deutschen Gauen;

Von Stamm zu Stamme lodert's fort,
Kein Mainstrom mehr, kein Süd und Nord!
Vorwärts!

Voran denn, kühner Preußenaar, Voran durch Schlacht und Grausen! Wie Sturmwind schwellt dein Flügelpaar Vom Himmel her ein Brausen; Das ist des alten Blüchers Geist, Der dir die rechte Straße weist. Vorwärts!

Flieg, Adler, flieg! Wir stürmen nach, Ein einig Volk in Waffen, Wir stürmen nach, ob tausendfach Des Todes Pforten klaffen. Und fallen wir: flieg, Adler, flieg! Aus uns'rem Blute wächst der Sieg. Vorwärts!

Das Lied vom deutschen Kaiser.

Durch tiefe Nacht ein Brausen zieht

Und beugt die knospenden Reiser,

Im Winde klingt ein altes Lied, Das Lied vom deutschen Kaiser.

Mein Sinn ist wild, mein Sinn ist schwer, Ich kann nicht lassen vom Lauschen, Es klingt, als zög' in den Wolken ein Heer, Es klingt wie Adlers Rauschen.

Viel tausend Herzen sind entfacht, Sie harren wie das meine,

Auf allen Bergen halten sie Wacht, Ob rot der Tag erscheine.

Deutschland, die schön geschmückte Braut, Schon schläft sie leis und leiser. Nun weckst Du sie mit Drommeten laut, 1 Nun führst Du sie heim, mein Kaiser!

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Christian Fürchtegott Gellert.*)

(Geschichte der deutschen National-Litteratur. § 44.)

Die Geschichte von dem Hute.**)
Das erste Buch.

Der erste, der mit kluger Hand
Der Männer Schmuck, den Hut, erfand,
Trug seinen Hut unaufgeschlagen,
Die Krempen hingen flach herab;
Und dennoch wußt' er ihn zu tragen,
Daß ihm der Hut ein Anseh'n gab.

Er starb und ließ bei seinem Sterben
Den runden Hut dem nächsten Erben.

Der Erbe weiß den runden Hut
Nicht recht gemächlich anzugreifen;
Er sinnt, und wagt kurz und gut,
Er wagt's, zwo Krempen aufzusteifen.
D'rauf läßt er sich dem Volke seh'n;

A

Das Volk bleibt vor Verwund'rung steh'n,
Und schreit: Nun läßt der Hut erst schön!
Er starb, und ließ bei seinem Sterben
Den aufgesteiften Hut dem Erben.

Der Erbe nimmt den Hut und schmält.
Ich, spricht er, sehe wohl, was fehlt.
Er seht darauf mit weisem Mute
Die dritte Krempe zu dem Hute.
O! rief das Volk, der hat Verstand!
Seht, was
cher erfand!
Vaterland!

Er, er

Er starb, und ließ bei seinem Sterben Den dreifach spißen Hut dem Erben.

Der Hut war freilich nicht mehr rein; Doch sagt, wie konnt' es anders sein?

Gellerts Fabeln u. Erzählungen, mit Einleitung herausgegeben von Karl Biedermann, Leipzig 1871. **) Göinger I, 99.

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der gesehen hat. Ein weißer Hut ließ lächerlich! ¡. Schwarz, Brüder, schwarz! so schickt es sich. Er starb, und ließ bei seinem Sterben Den schwarzen Hut dem nächsten Erben.

rein;

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Der Erbe trägt ihn in sein Haus Und sieht, er ist sehr abgetragen, Er sinnt und sinnt das Kunststück aus, Ihn über einen Stod zu schlagen. Durch heiße Bürsten wird Er faßt ihn gar mit echuiten ei. Nun geht er aus, und alle schreien Was jeh'n wir? Sind es Zaubereien? Ein neuer Hut! O, glücklich Land, Wo Wahn und Finsternis verschwinden! Mehr kann kein Sterblicher erfinden, Als dieser große Geist erfand.

Er starb, und ließ bei seinem Sterben Den umgewandten Hut dem Erben.

Erfindung macht die Künstler groß Und bei der Nachwelt unvergessen; Der Erhe reißt die Schnüre los, Umzieht den Hut mit gold'nen Treffen, Berherrlicht ihn durch einen Knopf, Und drückt ihn seitwärts auf den Ihn sieht das Volk, und taumelk vor Verz gnügen.

Kopf.

Ber

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Nun ist die Kunst erst hoch gestiegen; allein ist Geist, und Wig verlich'n!

Jhm, schrie es, ihm

Nichts sind die andern gegen ihn!

Er starb, und ließ bei seinem Sterben Den neugefaßten Hut dem Erben. Und jedesmal ward die erfund'ne Tracht Im ganzen Lande nachgemacht.

Ende des ersten Buchs.

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Das Gespenst.*) Must

Ein Hauswirt, wie man mir erzählt, Ward lange Zeit durch ein Gespenst gequält, Er ließ, des Geists sich zu erwehren, Sich heimlich das Verbannen lehren; Doch kraftlos blieb der Zauberspruch. Der Geist entsegte sich vor keinen Charakteren Und gab, in einem weißen Tuch, Ihm alle Nächte den Besuch.

Ein Dichter zog in dieses Haus. Der Wirt, der bei der Nacht nicht gern allein gewesen,

Bat sich des Dichters Zuspruch aus Und ließ sich seine Verse lesen. Der Dichter las ein frostig' Trauerspiel, Das, wo nicht seinem Wirt, doch ihm sehr wohl gefiel. Der Geist, den nur der Wirt, doch nicht der Dichter sah,

Erschien und hörte zu; es sing ihn an zu

Er konnt' es länger nicht,

Denn, eh' der and're kam,

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schauern; als einen Auftritt dauern;

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Der Wirt, von Hoffnung eingenommen, Ließ gleich die and're Nacht den Dichter wiederkommen. Der Dichter las; der Geist erschien, Doch ohne lange zu verzieh’n. „Gut!" sprach der Wirt bei sich, „dich will ich bald verjagen: Kannst du die Verse nicht vertragen?“

Die dritte Nacht blieb unser Wirt allein. Sobald es zwölfe schlug, ließ das Gespenst sich blicken;

Johann!" fing d'rauf der Wirt gewaltig an zu schrei'n, „Der Dichter (lauft geschwind!) soll von der Güte sein, Und mir sein Trauerspiel auf eine Stunde schicken.“

Der Geist erschrat und winkte mit der Hand,
Der Diener sollte ja nicht gehen.
Und kurz, der weiße Geist verschwand
Und ließ sich niemals wieder sehen.

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