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Frühling.

1.

Auf, ihr Distichen, frisch! Ihr muntern lebendigen Knaben!
Reich ist Garten und Feld! Blumen zum Kranze herbei!

2.

Reich ist an Blumen die Flur; doch einige sind nur dem Auge, Andre dem Herzen nur schön; wähle dir, Leser, nun selbst!

3.

Rosenknospe, du bist dem blühenden Mädchen gewidmet,
Die als die Herrlichste sich, als die Bescheidenste zeigt.

4.

Viele der Veilchen zusammen geknüpft, das Sträuschen erscheinet Erst als Blume; du bist, häusliches Mädchen, gemeint.

5.

Eine kannt' ich, sie war wie die Lilie schlank, und ihr Stolz war Unschuld; herrlicher hat Salomo keine gesehn.

6.

Schön erhebt sich der Agley, und senkt das Köpfchen herunter.
Ist es Gefühl? oder ist's Muthwill? Ihr rathet es nicht.

7.

Viele duftende Glocken, o Hyacinthe, bewegst du;

Aber die Glocken ziehn, wie die Gerüche, nicht an.

8.

Nachtviole, dich geht man am blendenden Tage vorüber;

Doch bei der Nachtigall Schlag hauchest du köstlichen Geist.

9.

Tuberose, du ragest hervor und ergößest im Freien;

Aber bleibe vom Haupt, bleibe vom Herzen mir fern!

10.

Fern erblick' ich den Mohn; er glüht. Doch komm' ich dir näher, Ach! so seh ich zu bald, daß du die Rose nur lügst.

11.

Tulpen, ihr werdet gescholten von sentimentalischen Kennern;
Aber ein lustiger Sinn wünscht auch ein lustiges Blatt.

12.

Nelken, wie find' ich euch schön! Doch alle gleicht ihr einander, Unterscheidet euch kaum, und ich entscheide mich nicht.

13.

Prangt mit den Farben Aurorens, Ranunkeln, Tulpen und Astern: Hier ist ein dunkles Blatt, das euch an Dufte beschämt.

14.

Keine lockt mich, Ranunkeln, von euch, und keine begehr' ich;
Aber im Beete vermischt sieht euch das Auge mit Lust.

15.

Sagt! was füllet das Zimmer mit Wohlgerüchen? Reseda,
Farblos, ohne Gestalt, stilles bescheidenes Kraut.

16.

Zierde wärst du der Gärten; doch wo du erscheinest, da sagst du: Ceres streute mich selbst aus, mit der goldenen Saat.

17.

Deine liebliche Kleinheit, dein holdes Auge, sie sagen,

Immer: Vergiß mein nicht! immer: Vergiß nur nicht mein!

18.

Schwänden dem inneren Auge die Bilder sämmtlicher Blumen,
Eleonore, dein Bild brächte das Herz sich hervor.

Sommer.

19.

Grausam erweiset sich Amor an mir! O, spielet ihr Musen,
Mit den Schmerzen, die er, spielend, im Busen crregt!

20.

Manuscripte besig' ich, wie kein Gelehrter noch König;
Denn mein Liebchen, sie schreibt, was ich ihr dichtete, mir.

21.

Wie im Winter die Saat nur langsam keimet, im Sommer
Lebhaft treibet und reift, so war die Neigung zu dir.

22.

Immer war mir das Feld und der Wald, und der Fels und die Gärten

Nur ein Raum, und du machst sie, Geliebte, zum Ort.

23.

Raum und Zeit, ich empfind' es, sind bloße Formen des An

schauns,

Da das Ecchen mit dir, Liebchen, unendlich mir scheint.

24.

Sorge! sie steiget mit dir zu Roß, ste steiget zu Schiffe;
Viel zudringlicher noch packet sich Amor uns auf.

25.

Neigung besiegen ist schwer; gesellet sich aber Gewohnheit,
Wurzelnd, allmählig zu ihr, unüberwindlich ist sie.

26.

Welche Schrift ich zwei-, ja dreimal hinter einander

Lese? Das herzliche Blatt, das die Geliebte mir schreibt.

27.

Sie entzückt mich, und täuschet vielleicht. O, Dichter und Sänger, Mimen! lerntet ihr doch meiner Geliebten was ab!

28.

Alle Freude des Dichters, ein gutes Gedicht zu erschaffen,
Fühle das liebliche Kind, das ihn begeisterte, mit.

29.

Ein Epigramm sey zu kurz, mir etwas Herzlich's zu sagen?
Wie, mein Geliebter, ist nicht kürzer der herzliche Kuß?

30.

Kennst du das herrliche Gift der unbefriedigten Liebe?
Es versengt und erquickt, zehret am Mark und erneut's.

31.

Kennst du die herrliche Wirkung der endlich befriedigten Liebe?
Körper verbindet sie schön, wenn sie die Geister befreit.

32.

Das ist die wahre Liebe, die immer und immer sich gleich bleibt, Wenn man ihr Alles gewährt, wenn man ihr Alles versagt.

33.

Alles wünscht' ich zu haben, um mit ihr Alles zu theilen;
Alles gäb' ich dahin, wär' sie, die Einzige, mein.

34.

Kränken ein liebendes Herz, und schweigen müssen: geschärfter
Können die Qualen nicht seyn, die Rhadamanth sich ersinnt.

35.

Warum bin ich vergänglich, o Zeus? so fragte die Schönheit. Macht' ich doch, sagte der Gott, nur das Vergängliche schön.

36.

Und die Liebe, die Blumen, der Thau und die Jugend vernahmen's; Alle gingen sie weg, weinend, von Jupiters Thron.

37.

Leben muß man und lieben; es endet Leben und Liebe.
Schnittest du, Parze, doch nur beiden die Fäden zugleich!

Herbst.

38.

Früchte bringet das Leben dem Mann; doch bangen sie selten . Roth und lustig am Zweig, wie uns ein Apfel begrüßt.

39.

Richtet den herrschenden Stab auf Leben und Handeln, und lasset Amorn, dem lieblichen Gott, doch mit der Muse das Spiel!

40.

Lehret! Es ziemet euch wohl, auch wir verehren die Sitte;
Aber die Muse läßt nicht sich gebieten von euch.

41.

Nimm dem Prometheus die Fackel, beleb', o Muse, die Menschen! Nimm sie den Amor, und rasch quäl' und beglücke, wie er!

42.

Alle Schöpfung ist Werk der Natur. Von Jupiters Throne Zuckt der allmächtige St.ahl, nährt und erschüttert die Welt. 43.

Freunde, treibet nur Alles mit Ernst und Liebe; die beiden Stehen dem Deutschen so schön, den ach! so Vieles entstellt.

44.

Kinoer werfen den Ball an die Wand, und fangen ihn wieder; Aber ich lobe das Spiel, wirft mir der Freund ihn zurück.

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