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IO

Und wüßten's die Nachtigallen,
Wie ich so traurig und krank,
Sie ließen fröhlich erschallen
Erquickenden Gesang.

Und wüßten fie mein Wehe,
Die goldnen Sternelein,
Sie kämen aus ihrer Höhe,
Und sprächen Trost mir ein.

Die alle können's nicht wissen,
Nur eine kennt meinen Schmerz:
Sie hat ja selbst zerrissen,

Zerrissen mir das Herz.

Heine.

67. Mit einem gemalten Band

Kleine Blumen, kleine Blätter
Streuen mir mit leichter Hand
Gute junge Frühlingsgötter
Tändelnd auf ein luftig Band.

Zephyr, nimm's auf deine Flügel,
Schling's um meiner Liebsten Kleid;
Und so tritt sie vor den Spiegel
All in ihrer Munterkeit.

Sieht mit Rosen sich umgeben,
Selbst wie eine Rose jung.
Einen Blick, geliebtes Leben!
Und ich bin belohnt genung.

Fühle, was dies Herz empfindet,
Reiche frei mir deine Hand,

Und das Band, das uns verbindet,
Sei kein schwaches Rosenband!

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Goethe.

68. Olieb', so lang du lieben kannst!

Olieb', so lang du lieben kannst!
Olieb', so lang du lieben magst!
Die Stunde kommt, die Stunde kommt,
Wo du an Gräbern stehst und klagst!

Und forge, daß dein Herze glüht
Und Liebe hegt und Liebe trägt,
So lang ihm noch ein ander Herz
In Liebe warm entgegenschlägt!

Und wer dir seine Brust erschließt,
Othu ihm, was du kannst, zulieb !
Und mach' ihm jede Stunde froh
Und mach' ihm keine Stunde trüb!

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Die Stunde kommt, die Stunde kommt,
Wo du an Gräbern stehst und klagst!

Dann kniest du nieder an der Gruft
Und birgst die Augen, trüb' und naß,
-Su sehn den andern nimmermehr
Ins lange, feuchte Kirchhofsgras.

Und sprichst: „O schau' auf mich herab,
Der hier an deinem Grabe weint!
Vergieb, daß ich gekränkt dich hab'!
Gott, es war nicht bös gemeint !“

Er aber sieht und hört dich nicht,
Kommt nicht, daß du ihn froh umfängst;
Der Mund, der oft dich küßte, spricht
Nie wieder: „Ich vergab dir längst !"

Er that's, vergab dir lange schon,
Doch manche heiße Thräne fiel
Um dich und um dein herbes Wort
Doch still - er ruht, er ist am Ziel!

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Olieb', so lang du lieben kannst !
Olieb', so lang du lieben magst!
Die Stunde kommt, die Stunde kommt,
Wo du an Gräbern stehst und klagst.

Freiligrath.

69. Rühret nicht daran!

Wo still ein Herz voll Liebe glüht,
O rühret, rühret nicht daran!
Den Gottesfunken löscht nicht aus!
Fürwahr, es ist nicht wohlgethan.

Wenn's irgend auf dem Erdenrund
Ein unentweihtes Pläßchen giebt,
So ist's ein junges Menschenherz,
Das fromm zum erstenmale liebt.

gönnet ihm den Frühlingstraum, In dem's voll ros'ger Blüten steht! Ihr wißt nicht, welch ein Paradies Mit diesem Traum verloren geht.

Es brach schon manch ein starkes Herz,
Da man sein Lieben ihm entriß,
Und manches duldend wandte sich
Und ward voll Haß und Finsternis;

Und manches, das sich blutend schloß,
Schrie laut nach Lust in seiner Not
Und warf sich in den Staub der Welt:
Der schöne Gott in ihm war tot.

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Dann weint ihr wohl und klagt euch an;
Doch keine Thräne heißer Reu'
Macht eine welke Rose blühn,
Erweckt ein totes Herz aufs neu'.

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Geibel.

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