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O daß ich doch ihr Jäger wär'!
Fischen und jagen freute mich sehr.
-Schweig stille, mein Herze!

Und über eine kleine Weil',

Rohtraut, Schön-Rohtraut,

So dient der Knab' auf Ringangs Schloß

In Jägertracht und hat ein Roß,

Mit Rohtraut zu jagen.

O daß ich doch ein Königssohn wär'!

Rohtraut, Schön-Rohtraut lieb' ich so sehr.
Schweig stille, mein Herze!

Einsmals sie ruhten am Eichenbaum,

Da lacht Schön-Rohtraut:

‚Was siehst mich an so wunniglich ?
Wenn du das Herz hast, küsse mich!"
Ach! erschrat der Knabe!

Doch denket er mir ist's vergunnt,
Und küsset Schön-Rohtraut auf den Mund.
-Schweig stille, mein Herze!

Darauf sie ritten schweigend heim,

Rohtraut, Schön-Rohtraut;

Es jauchzt der Knab' in seinem Sinn:

„Und würd'st du heute Kaiserin,

Mich sollt's nicht kränken:

Jhr tausend Blätter im Walde wißt,

Ich hab' Schön-Rohtrauts Mund geküßt!"
-Schweig stille, mein Herze!

Mörife.

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61. Wer ist der Erste?

Das Eichhorn spricht: „In des höchsten Stamms
Gezweige ward ich geboren,

Drum trag' ich auch ein rotes Wams

Und Büschel an beiden Ohren.
Der Buchenkern, der Tannenzapf,
Die Eichel samt dem Eichelnapf,
Jedwede Nuß im Wald ist mein,
Drum muß ich im Wald der Erste sein.“

Da spricht der Geier: „Hoho Gesell !
Duck' nieder im dichten Geäste,

Sonst pack' ich dich bei dem roten Fell
Und schleppe dich fort zum Neste.
Was sich im Forste rührt und regt,
Was Federn und was Haare trägt,
Ich würge alle, groß und klein,

Drum muß ich im Wald der Erste sein."

Der Jäger hört den prahlenden Weih
Und ruft: „Verstumme, du Schreier,
Sonst fliegt aus dem Rohr mein heißes Blei
Und schickt den Geier zum Geier.

Den Bären schieß' ich in der Kluft,
Den Adler hol' ich aus der Luft,

Ich birsche Reh und Hirsch und Schwein,
Drum muß ich im Wald der Erste sein.“

Flachshaariges Mädel des Weges kam
Mit rotem, lachendem Mündlein, —
Ho, wilder Jäger, warum so zahm

Gleich einem schmeichelnden Hündlein?
Vor der du ziehst den grünen Hut,
Die in die Stirn dir treibt das Blut,
Die, Weidmann, lieber Weidmann mein,
Muß wohl im Wald die Erste sein.

Baumbach.

62. Meine Heimat

Aus ihren Nestern war die Schar
Der Sänger trauernd fortgezogen;
Die Welt lag öde, kalt und klar
Und stumm und tot der Himmelsbogen.
Doch heut durchschwirren neu die Luft
Der heimgekehrten Vögel Lieder,

Und fedes Lied, das jauchzt und ruft:

"

Nun hab' ich meine Heimat wieder!"

Wie lange fang auch ich nicht mehr!
Welt ohne Schein, Herz ohne Lieben,
So zog ich trauernd hin und her,
Aus meiner Heimat fortgetrieben.
Doch heute schickt zum Himmelszelt
Mein Herz von neuem Jubellieder;
Und mutig schreit' ich durch die Welt,
Denn eine Heimat hab' ich wieder!

Wo aber liegt dein Heimatland?" So seh' ich deine Lippen fragen O Mädchen, reich' mir deine Hand! Ich will dir mein Geheimnis sagen.

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So recht! Nun sieh mich freundlich an!
Heb deiner Augen sanfte Lider!

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In ihre Tiefen schau' ich dann :
Und meine Heimat hab' ich wieder!

Scherenberg.

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63. Weißt du noch?

Weißt du noch, wie ich am Felsen
Bei den Veilchen dich belauschte?
Weißt du noch den Fliederstrauch,
Wo der Strom vorüber rauschte?
Weißt du noch den Bergespfad,
Wo ich um den Strauß dich bat,
Weißt du noch?

Ach, es war ein süßes Bild,
Als du da errötend standest,
Und zur Erde all die Blumen
Fielen, die zum Strauß du mandest !

Deine liebe kleine Hand

Spielte mit dem blauen Band,
Weißt du noch?

Und es sahen Fels und Strom
Dein Erröten und dein Beben,
Sahen auch den ersten Kuß,
Halb genommen, halb gegeben!
Und des Himmels goldner Strahl
Überflog Gebirg und Thal,

Weißt du noch?

Roquette.

64. Im wunderschönen Monat Mai

Im wunderschönen Monat Mai,
Als alle Knospen sprangen,

Da ist in meinem Herzen
Die Liebe aufgegangen.

Im wunderschönen Monat Mai,

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Als alle Vögel fangen,

Da hab' ich ihr gestanden

Mein Sehnen und Verlangen.

65. Leise zieht durch mein Gemüt

Leise zicht durch mein Gemüt
Liebliches Geläute:

Klinge, kleines Frühlingslied,
Kling hinaus ins Weite.

Kling hinaus bis an das Haus,
Wo die Blumen sprießen;
Wenn du eine Rose schaust,
Sag', ich lass' sie grüßen.

Heine.

Heine.

66. Und wüßten's die Blumen, die kleinen

Und wüßten's die Blumen, die kleinen,

Wie tief verwundet mein Herz,

Sie würden mit mir weinen,

Zu heilen meinen Schmerz.

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