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Im Winde die Linde, die rauscht mich ein gemach,
Es tüsset in der Früh' das Morgenrot mich wach.

Wandern, o Wandern, du freie Burschenlust!
Da wehet Gottes Odem so frisch in die Brust;
Da finget und jauchzet das Herz zum Himmelszelt :
Wie bist du doch so schön, o du weite, weite Welt!

Geibel.

5

IO

15

55. Wanderlied

Wohlauf! noch getrunken
Den funkelnden Wein!
Ade nun, ihr Lieben!
Geschieden muß sein.
Ade nun, ihr Berge,
Du väterlich Haus!
Es treibt in die Ferne
Mich mächtig hinaus.

Die Sonne, sie bleibet
Am Himmel nicht stehn,
Es treibt sie, durch Länder
Und Meere zu gehn.

Die Woge nicht haftet
Am einsamen Strand,
Die Stürme, fie brausen
Mit Macht durch das Land.

Mit eilenden Wolken

Der Vogel dort zieht.

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Am Himmel wächst der Sonne Glut,
Auf quillt der See, das Eis zersprang,
Das erste Segel teilt die Flut,

Mir schwillt das Herz wie Segeldrang.

5

ΙΟ

155

Zu wandern ist das Herz verdammt,
Das seinen Jugendtag versäumt,
Sobald die Lenzessonne flammt,
Sobald die Welle wieder schäumt.

Verscherzte Jugend ist ein Schmerz
Und einer ew'gen Sehnsucht Hort,
Nach seinem Lenze sucht das Herz
In einem fort, in einem fort!

Und ob die Locke dir ergraut

Und bald das Herz wird stille stehn,
Noch muß es, wann die Welle blaut,
Nach seinem Lenze wandern gehn.

C. F. Meyer.

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57. Der frohe Wandersmann

Wem Gott will rechte Gunst erweisen,
Den schickt er in die weite Welt;
Dem will er seine Wunder weisen

In Berg und Wald und Strom und Feld.

Die Trägen, die zu Hause liegen,
Erquicet nicht das Morgenrot,
Sie wissen nur von Kinderwiegen,
Von Sorgen, Last und Not um Brot.

Die Bächlein von den Bergen springen,
Die Lerchen schwirren hoch vor Lust,

Was sollt' ich nicht mit ihnen singen
Aus voller Kehl' und frischer Brust?

Den lieben Gott lass' ich nur walten;
Der Bächlein, Lerchen, Wald und Feld
Und Erd' und Himmel will erhalten,
Hat auch mein' Sach' aufs best' bestellt!

Eichendorff.

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58. An den Sonnenschein

Sonnenschein! o Sonnenschein !
Wie scheinst du mir ins Herz hinein,
Weckst drinnen lauter Liebeslust,
Daß mir so enge wird die Brust !

Und enge wird mir Stub' und Haus,
Und wie ich lauf' zum Thor hinaus,
Da lockst du gar ins frische Grün
Die allerschönsten Mädchen hin!

Sonnenschein! Du glaubest wohl,
Daß ich wie du es machen soll,
Der jede schmucke Blume füßt,
Die eben nur sich dir erschließt?

Hast doch so lang die Welt erblickt,

Und weißt, daß sich's für mich nicht schickt;
Was machst du mir denn solche Pein?
Sonnenschein! o Sonnenschein !

5

ΤΟ

15

Reinic.

ΙΟ

59. Märzenwind

Kühl war die Märzenluft, heiß war mein Blut.
Wind kam geflogen und nahm mir den Hut.

Über den Gartenzaun ward er geweht.
Dort hat gefangen ihn Nachbars Margret,

5 Hat ihm die Erde geblasen vom Rand
Und ihm ein Veilchen gesteckt unters Band,

Warf ihn herüber mir ohne ein Wort.
Als ich ihr danken wollt', war sie schon fort.

Nun muß ich täglich am Gartenzaun stehn,
Wart' auf den Wind, doch der Wind will nicht wehn.

Gretchen auch schau' ich durchs Gartenstaket,
Aber nicht einmal den Blondkopf sie dreht.

Hilft mir der Wind nicht, so werf' ich hinein
Selber den Hut ihr und steig' hinterdrein.

Baumbach.

5

60. Schön-Rohtraut

Wie heißt König Ringangs Töchterlein?
Rohtraut, Schön-Rohtraut.

Was thut sie denn den ganzen Tag,
Da sie wohl nicht spinnen und nähen mag?

Thut fischen und jagen.

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