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Das Geld und die Welt und die Zeiten,
Und Glauben und Lieb' und Treu'.

Heine.

39. Das Blatt im Buche

5

Ich hab' eine alte Muhme,

Die ein altes Büchlein hat,

Es liegt in dem alten Buche
Ein altes, dürres Blatt.

So dürr sind wohl auch die Hände,
Die einst im Lenz ihr's gepflückt.
Was mag doch die Alte haben?
Sie weint, so oft sie's erblickt.

Grün.

40. Bei dem Grabe meines Vaters

Friede sei um diesen Grabstein her!
Sanfter Friede Gottes! Ach, sie haben
Einen guten Mann begraben,

Und mir war er mehr.

Träufte mir von Segen, dieser Mann,
Wie ein milder Stern aus bessern Welten!
Und ich kann's ihm nicht vergelten,

Was er mir gethan.

Er entschlief; fie gruben ihn hier ein.
Leiser, süßer Trost, von Gott gegeben,
Und ein Ahnden von dem ew'gen Leben
Düft' um sein Gebein!

Bis ihn Jesus Christus, groß und hehr,
Freundlich wird erwecken! — Ach, sie haben
Einen guten Mann begraben,

Und mir war er mehr.

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Claudius.

41. Das Erkennen

Ein Wanderbursch, mit dem Stab in der Hand,
Kommt wieder heim aus dem fremden Land.

Sein Haar ist bestäubt, sein Antlig verbrannt,
Von wem wird der Bursch wohl zuerst erkannt?

So tritt er ins Städtchen, durchs alte Thor,
Am Schlagbaum lehnt just der Zöllner davor.

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ΙΟ

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Der Zöllner, der war ihm ein lieber Freund,
Oft hatte der Becher die beiden vereint.

Doch sieh-Freund Zollmann erkennt ihn nicht,
Zu sehr hat die Sonn' ihm verbrannt das Gesicht.

Und weiter wandert nach kurzem Gruß
Der Bursche und schüttelt den Staub vom Fuß.

Da schaut aus dem Fenster sein Schäßel fromm:
Du blühende Jungfrau, viel schönen Willkomm!"

Doch sieh-auch das Mägdlein erkennt ihn nicht,
Die Sonn' hat zu sehr ihm verbrannt das Gesicht.

Und weiter geht er die Straß' entlang,

Ein Thränlein hängt ihm an der braunen Wang'.

Da wankt von dem Kirchsteig sein Mütterchen her: „Gott grüß' Euch,“ so spricht er und sonst nichts mehr.

Doch sieh, - das Mütterchen schluchzet voll Lust: „Mein Sohn!" und sinkt an des Burschen Brust.

Wie sehr auch die Sonne sein Antlig verbrannt,
Das Mutteraug' hat ihn doch gleich erkannt.

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SECOND PART

42. Erlkönig

Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind;
Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm.

„Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht ?" - 5 „Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?

Den Erlenkönig mit Kron' und Schweif?" „Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif." —

"

Du liebes Kind, komm, geh mit mir!

Gar schöne Spiele spiel' ich mit dir;

Manch bunte Blumen sind an dem Strand;
Meine Mutter hat manch gülden Gewand."

„Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
Was Erlenkönig mir leise verspricht ?" —
„Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind;

In dürren Blättern säufelt der Wind."

„Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn?
Meine Töchter sollen dich warten schön;
Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn
Und wiegen und tanzen und singen dich ein."

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„Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort
Erlkönigs Töchter am düstern Ort ?"

„Mein Sohn, mein Sohn, ich seh' es genau :
Es scheinen die alten Weiden so grau."-

25 „Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt; Und bist du nicht willig, so brauch' ich Gewalt." „Mein Vater, mein Vater, jezt faßt er mich an! Erlkönig hat mir ein Leids gethan !“

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Dem Vater grauset's, er reitet geschwind,
Er hält in Armen das ächzende Kind,
Erreicht den Hof mit Mühe und Not;
In seinen Armen das Kind war tot.

43. Die Bürgschaft

Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich
Möros, den Dolch im Gewande;
Ihn schlugen die Häscher in Bande.

Goethe.

„Was wolltest du mit dem Dolche? Sprich!"
Entgegnet ihm finster der Wüterich.

„Die Stadt vom Tyrannen befreien !"
„Das sollst du am Kreuze bereuen.“

„Ich bin," spricht jener, „zu sterben bereit
Und bitte nicht um mein Leben;

Doch willst du Gnade mir geben,
Ich flehe dich um drei Tage Zeit,

Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit;
Ich lasse den Freund dir als Bürgen,
Ihn magst du, entrinn' ich, erwürgen."

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