28. Heidenröslein
Sah ein Knab' ein Röslein stehn, Röslein auf der Heiden,
War so jung und morgenschön, Lief er schnell, es nah zu sehn, Sah's mit vielen Freuden. Röslein, Röslein, Röslein rot, Röslein auf der Heiden.
Knabe sprach: „Ich breche dich, Röslein auf der Heiden!" Röslein sprach: „Ich steche dich, Daß du ewig denkst an mich, Und ich will's nicht leiden." Röslein, Röslein, Röslein rot, Röslein auf der Heiden.
Und der wilde Knabe brach 's Röslein auf der Heiden; Röslein wehrte sich und stach, Half ihm doch kein Weh und Ach, Mußt es eben leiden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.
29. Das Veilchen
Ein Veilchen auf der Wiese stand, Gebückt in sich und unbekannt; Es war ein herzig's Veilchen. Da kam eine junge Schäferin
Mit leichtem Schritt und munterm Sinn Daher, daher,
Die Wiese her, und sang.
„Ach!" denkt das Veilchen, wär' ich nur Die schönste Blume der Natur,
Ach, nur ein kleines Weilchen,
Bis mich das Liebchen abgepflückt, Und an dem Busen matt gedrückt! Ach nur, ach nur
Ein Viertelstündchen lang!"
Ach! aber ach! das Mädchen kam Und nicht in acht das Veilchen nahm, Ertrat das arme Veilchen.
Es sant und starb und freut sich noch:
Und sterb' ich denn, so sterb' ich doch
Durch sie, durch sie,
Zu ihren Füßen doch.“
30. Das zerbrochene Ringlein
In einem kühlen Grunde
Da geht ein Mühlenrad;
Mein' Liebste ist verschwunden, Die dort gewohnet hat.
Sie hat mir Treu' versprochen,
Gab mir ein'n Ring dabei,
Sie hat die Treu' gebrochen,
Mein Ringlein sprang entzwei.
Ich möcht' als Spielmann reisen Weit in die Welt hinaus Und singen meine Weisen Und gehn von Haus zu Haus.
Ich möcht' als Reiter fliegen Wohl in die blut'ge Schlacht, Um stille Feuer liegen Im Feld bei dunkler Nacht.
Hör' ich das Mühlrad gehen, Ich weiß nicht, was ich will- Ich möcht' am liebsten sterben; Da wär's auf einmal still!
31. Der Wirtin Töchterlein
Es zogen drei Bursche wohl über den Rhein, Bei einer Frau Wirtin, da kehrten sie ein:
"Frau Wirtin, hat Sie gut Bier und Wein? Wo hat Sie Ihr schönes Töchterlein?"
„Mein Bier und Wein ist frisch und klar. Mein Töchterlein liegt auf der Totenbahr'."
Und als sie traten zur Kammer hinein, Da lag sie in einem schwarzen Schrein.
Der erste, der schlug den Schleier zurück Und schaute sie an mit traurigem Blick: „Ach, lebtest du noch, du schöne Maid! Ich würde dich lieben von dieser Zeit.“
Der zweite deckte den Schleier zu Und kehrte sich ab und weinte dazu:
„Ach, daß du liegst auf der Totenbahr'! Ich hab' dich geliebet so manches Jahr.“ Der dritte hub ihn wieder sogleich Und füßte sie an den Mund so bleich:
„Dich liebt' ich immer, dich lieb' ich noch heut Und werde dich lieben in Ewigkeit."
32. Ein bisschen Freude
Wie heilt sich ein verlassen Herz, Der dunkeln Schwermut Beute?
Mit Becher-Rundgeläute?
Mit bitterm Spott? Mit frevlem Scherz?
Nein, mit ein bißchen Freude!
Wie flicht sich ein zerrissner Kranz,
Den jach der Sturm zerstreute?
Wie knüpft sich der erneute?
Mit welchem Endchen bunten Bands? Mit nur ein bißchen Freude!
Wie fühnt sich die verjährte Schuld, Die bitterlich bereute?
Mit einem strengen Heute?
Mit Büßerhast und Ungeduld? Nein. Mit ein bißchen Freude!
33. Kuriose Geschichte
Ich bin einmal etwas hinausspaziert, Da ist mir ein närrisch Ding passiert: Ich sah einen Jäger am Waldeshang, Ritt auf und nieder den See entlang; Viel Hirsche sprangen am Wege dicht; Was that der Jäger?- Er schoß sie nicht, Er blies ein Lied in den Wald hinein- Nun sagt mir, ihr Leut', was soll das sein?
Und als ich weiter bin fortspaziert, Ist wieder ein närrisch Ding mir passiert: Im kleinen Kahn eine Fischerin Fuhr stets am Waldeshange dahin; Rings sprangen die Fischlein im Abendlicht; Was that das Mädchen? — Sie fing sie nicht, Sie sang ein Lied in den Wald hinein — Nun sagt mir, ihr Leut', was soll das sein?
Und als ich wieder zurückspaziert, Da ist mir das närrischste Ding passiert: Ein leeres Pferd mir entgegenkam, Im See ein leerer Nachen schwamm; Und als ich ging an den Erlen vorbei, Was hört' ich drinnen? Da flüsterten zwei, Und's war schon spät und Mondenschein — Nun sagt mir, ihr Leut', was soll das sein?
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