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Da schlug ich mit dem leeren Zweig
An deine Fensterscheiben:

Heraus, heraus in das Frühlingsreich!
Er wird nicht lange mehr bleiben."

Wilhelm Mäller.

18. Tannebaum!

O Tannebaum, o Tannebaum, wie treu sind deine Blätter ! Du grünst nicht nur zur Sommerzeit,

Nein, auch im Winter, wenn es schneit.

O Tannebaum, o Tannebaum, wie treu find deine Blätter!

50 Mägdelein, o Mägdelein, wie falsch ist dein Gemüte ! Du schwurst mir Treu' in meinem Glück,

Nun arm ich bin, gehst du zurück.

O Mägdelein, o Mägdelein, wie falsch ist dein Gemüte!

Die Nachtigall, die Nachtigall nahmst du dir zum Exempel: 10 Sie bleibt so lang der Sommer lacht,

Im Herbst sie sich von dannen macht.

Die Nachtigall, die Nachtigall nahmst du dir zum Erempel.

Der Bach im Thal, der Bach im Thal ist deiner Falschheit Spiegel:

Er strömt allein wenn Regen fließt,

15 Bei Dürr' er bald den Quell verschließt.

Der Bach im Thal, der Bach im Thal ist deiner Falschheit

Spiegel.

Zarnack.

19. Herbstgefühl

Müder Glanz der Sonne!
Blasses Himmelblau !
Von verklungner Wonne
Träumet still die Au.

An der lezten Rose
Löset lebenssatt
Sich das lezte, lose,
Bleiche Blumenblatt.

Goldenes Entfärben

Schleicht sich durch den Hain;
Auch Vergehn und Sterben
Deucht mir süß zu sein.

20. Hoffnung

Und dräut der Winter noch so sehr
Mit trogigen Gebärden,

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Und streut er Eis und Schnee umher,
Es muß doch Frühling werden.

Und drängen die Nebel noch so dicht
Sich vor den Blick der Sonne,
Sie wecket doch mit ihrem Licht
Einmal die Welt zur Wonne.

Blast nur, ihr Stürme, blast mit Macht,
Mir soll darob nicht bangen,
Auf leisen Sohlen über Nacht

Kommt doch der Lenz gegangen.

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ΤΟ

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Da wacht die Erde grünend auf,
Weiß nicht, wie ihr geschehen,

Und lacht in den sonnigen Himmel hinauf
Und möchte vor Lust vergehen.

Sie flicht sich blühende Kränze ins Haar
Und schmückt sich mit Rosen und Ähren
Und läßt die Brünnlein rieseln klar,
Als wären es Freudenzähren.

Drum still! Und wie es frieren mag,
O Herz, gieb dich zufrieden;

Es ist ein großer Maientag

Der ganzen Welt beschieden.

Und wenn dir oft auch bangt und graut,
Als sei die Höll' auf Erden,

Nur unverzagt auf Gott vertraut !

Es muß doch Frühling werden.

Geibel

5

21. Frühlingseinzug

Die Fenster auf! die Herzen auf!
Geschwinde, geschwinde!

Der alte Winter will heraus,

Er trippelt ängstlich durch das Haus,
Er windet bang sich in der Brust
Und tramt zusammen seinen Wust.
Geschwinde, geschwinde !

Die Fenster auf! die Herzen auf!
Geschwinde, geschwinde!

Er spürt den Frühling vor dem Thor,
Der will ihn zupfen bei dem Ohr,
Ihn zausen an dem weißen Bart
Nach solcher wilden Buben Art.
Geschwinde, geschwinde!.

Die Fenster auf! die Herzen auf!
Geschwinde, geschwinde!

Der Frühling pocht und klopft ja schon
Horcht, horcht, es ist sein lieber Ton!
Er pocht und klopfet, was er kann,
Mit kleinen Blumenknospen an.
Geschwinde, geschwinde!

Die Fenster auf! die Herzen auf!
Geschwinde, geschwinde !

Und wenn ihr noch nicht öffnen wollt,
Er hat viel Dienerschaft im Sold,
Die ruft er sich zur Hilfe her

Und pocht und klopfet immer mehr.
Geschwinde, geschwinde!

Die Fenster auf! die Herzen auf!
Geschwinde, geschwinde!

Es kommt der Junker Morgenwind,

Ein bausebackig rotes Kind,

Und bläst, daß alles klingt und klirrt,

Bis seinem Herrn geöffnet wird.

Geschwinde, geschwinde !

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ΙΟ

Die Fenster auf! die Herzen auf!
Geschwinde, geschwinde!

Es kommt der Ritter Sonnenschein,
Der bricht mit goldnen Lanzen ein,
Der sanfte Schmeichler Blütenhauch
Schleicht durch die engsten Rißen auch.
Geschwinde, geschwinde !

Die Fenster auf! die Herzen auf!
Geschwinde, geschwinde!

Zum Angriff schlägt die Nachtigall,
Und horch', und horch', ein Wiederhall,
Ein Wiederhall aus meiner Brust!
Herein, herein, du Frühlingslust,
Geschwinde, geschwinde !

Wilhelm Müller.

22. Aus der Jugendzeit

Aus der Jugendzeit, aus der Jugendzeit
Klingt ein Lied mir immerdar;

wie liegt so weit, o wie liegt so weit,

Was mein einst war!

Was die Schwalbe sang, was die Schwalbe sang,
Die den Herbst und Frühling bringt;

Ob das Dorf entlang, ob das Dorf entlang
Das jezt noch klingt?

„Als ich Abschied nahm, als ich Abschied nahm,
Waren Kisten und Kasten schwer;

Als ich wieder kam, als ich wieder kam,

War alles leer."

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